Musik

Der Fagott-Virtuose

Musik

Der Fagott-Virtuose

Emanuel Blumin-Sint kombiniert Werke von Bach, Mozart und Paganini mit zeitgenössischen Kompositionen

von Claudia Irle-Utsch  18.05.2025 14:37 Uhr

Einatmen. Ein tiefes Luftholen als Auftakt und zugleich Akt des Sich-Sammelns. Weil das Ausatmen etwas in Schwingung bringen wird. So entsteht ein Ton, ein Klang und schließlich Musik. Das konzentrierte Einatmen ist das Erste, was auf dem Debütalbum des jungen Fagottisten Emanuel Blumin-Sint zu hören ist. Das schafft Nähe, es schärft die Aufmerksamkeit und macht gespannt auf alles, was folgt.

Und das ist zunächst Niccolò Paganini: ein heiter-sangbares Thema des italienischen Geigenvirtuosen in immer wieder neuen Variationen. Auf den Punkt setzt Blumin-Sint diese kaum einminütigen musikalischen Perlen. Damit deutet sich an, welches klangliche Spektrum sein Instrument ausmacht. Der Gewinner des Fanny Mendelssohn Förderpreises 2024 will für das Fagott werben. Er stellt sein Ins­trument ins Rampenlicht – und sich selbst damit natürlich auch. Es sei sein Traum, »eine Solo-Karriere mit dem Fagott zu machen«, schreibt er im Booklet zu seiner im Label ES-DUR erschienenen CD.

Paganini-Variationen und die Partita in d-Moll von Johann Sebastian Bach

Dieses Ziel strebe er an, »nicht um der Karriere willen, sondern um dieses Ins­trument noch bekannter und populärer zu machen. Dienen wird das Album beiden: dem Musiker und dem Fagott, dessen Führungsqualitäten Blumin-Sint mit Leading Bassoon beeindruckend souverän und höchst virtuos unterstreicht. Zunächst mit jenen Paganini-Variationen im Arrangement des berühmten, 1923 geborenen französischen Fagottisten Maurice Allard, der im Jahr 2004 starb, Blumin-Sints Geburtsjahr.

Mit »Caprice Nr. 5«, ursprünglich für die Solo-Violine erdacht, hat der Fagottist einen weiteren Klassiker von Paganini eingespielt, außerdem Musik von Johann Sebastian Bach, die für Solo-Fagott transkribierte Partita in d-Moll, BWV 1013, ein Werk voller Tiefe und Exzellenz.

Blumin-Sint kann Fagott. Das ist zu hören und ist vielfach belegt durch erste Preise bei Wettbewerben auf nationaler und internationaler Ebene. Zu spüren ist beim Hören der CD, wie sehr der Musiker das Fagott auch lebt. Besonders deutlich wird das in den beiden ihm von zwei Zeitgenossen gewidmeten Werken. Beim meditativ anmutenden »Hymn« des ukrainischen Komponisten Valentin Silvestrov begleitet sich der Fagottist mit auf dem Klavierpedal gehaltenen Akkorden selbst. Bei der angejazzten »Humoresque« des aus Odessa stammenden israelischen Komponisten Yuri Povolotsky präsentiert sich der Musiker mit heiterer Coolness.

Ein wohltuend neues und anderes Klangbild

Leading Bassoon führt auch durch stilistische Epochen. Wie schön, dass sich Blumin-Sint für sein Solo-Album zwei musikalische Gefährten an die Seite geholt hat. Mit dem Flötisten Matvey Demin gibt er die sechste der »Bachianas Brasilieras« von Heitor Villa-Lobos, mit dem Cellisten Alexey Stadler die Sonate KV 292 von Wolfgang Amadeus Mozart. Beide Male entsteht ein feiner Dialog, jedes Mal ein wohltuend neues und anderes Klangbild.

Mit Leading Bassoon überreicht der Fagottist der Klassikszene seine gegenwärtige musikalische Visitenkarte. Die Produktion dieser CD war ein logischer Schritt auf einem Weg, der mit Klavierunterricht (wen wundert’s, sind doch Mutter Elisaveta Blumina und Großmutter Mara Mednik als weltweit reüssierende Pianistinnen bekannt) begann und Blumin-Sint dann doch zum Fagott führte. Dieses Ins­trument ist seines, seine Freude daran teilt er. Mit langem Atem.

Emanuel Blumin-Sint: »Leading Bassoon«. Emanuel Blumin-Sint (Fagott), Matvey Demin (Flöte), Alexey Stadler (Cello), ES-Dur, Hamburg 2024, 17,99 €

Glosse

Der Rest der Welt

Reif, reifer, Reifeprüfung: Warum ich jedes Jahr Abitur mache

von Nicole Dreyfus  22.06.2025

Lesen!

Menahem Pressler

Ein Jugendbuch schildert das Jahrhundertleben des jüdischen Pianisten

von Maria Ossowski  22.06.2025

Aufgegabelt

Schoko-Babka

Rezepte und Leckeres

 22.06.2025

Literatur

Die Kunst, das Opfer und die Ministerin

In seinem Schlüsselroman nimmt Jonathan Guggenberger den Antisemitismus im Kulturbetrieb aufs Korn

von Ralf Balke  22.06.2025

Justiz

Dieter Hallervorden und Diether Dehm zeigen Kanzler Friedrich Merz wegen »Drecksarbeit«-Aussage an

Mit seiner Bemerkung zu Israels Angriff auf den Iran hat Kanzler Merz für viel Zustimmung und Ablehnung gesorgt. Nun sollte sich die Justiz damit beschäftigen, meinen einige

 20.06.2025

Medien

Enkel des »Weltbühne«-Gründers übt scharfe Kritik an Verleger Friedrich

Erst kürzlich hatte der Verleger der »Berliner Zeitung« die Zeitschrift »Weltbühne« wieder aufleben lassen. Nun erhebt der Enkel des jüdischen Gründers schwere Vorwürfe gegen ihn

 20.06.2025

TV-Tipp

Robert Lembke: Schikaniert wegen seines jüdischen Vaters

Wer war der Moderator Robert Lembke? 70 Jahre nach dem Start der legendären Quizsendung »Was bin ich?« fasziniert das Dokudrama »Robert Lembke – Wer bin ich?«. Ein Schatz in der ARD-Mediathek

von Gregor Tholl  20.06.2025

Ausstellung

Die Schocken-Show

Das Jüdische Museum Berlin ehrt den Unternehmer und Verleger Salman Schocken dank eines Stars der US-Literatur

von Sophie Albers Ben Chamo  19.06.2025

Kulturkolumne

Zwischen Kotel und Kotti

Wie KI unseren Autor berühmt machte

von Eugen El  19.06.2025