»The Cakemaker«

Backen ist Liebe

Vermisst seinen Geliebten Oren: der Berliner Konditor Thomas (Tim Kalkhof) Foto: missingFILMs

Man nehme 250 Gramm Mehl, 125 Gramm Butter, 75 Gramm Zucker, einen Teelöffel Vanillezucker, und fertig sind die Plätzchen – Thomas’ Plätzchen, die nach dem Backen noch warm und leicht brüchig sind, und die er später mit blauen Punkten oder orangefarbenen Strichen verziert. Es sind die Plätzchen, die auch der Israeli Oren immer aß, wenn er in Berlin war und Thomas besuchte – seine heimliche Affäre.

Café Und genau mit diesen Plätzchen backt sich Thomas nach und nach in das Herz von Orens Witwe Anat, die weder weiß, wer dieser deutsche Konditor ist, der nach Orens unerwartetem Tod plötzlich in ihrem Café in Jerusalem auftaucht und nach einem Job fragt, noch ahnt, welches Leben ihr Mann Oren in Berlin führte.

Es ist eine Geschichte über ein Doppelleben, die auf einer wahren Begebenheit beruht, wie Ofir Raul Graizer, der Regisseur von The Cakemaker einmal erzählte. Für Graizer, der acht Jahre an dem Film arbeitete, hat sich die harte Arbeit gelohnt: Mit langem Applaus auf dem Internationalen Filmfestival in Karlsbad wurde The Cakemaker bei seiner Weltpremiere gefeiert, beim Jerusalem Film Festival erhielt er den Jewish Experience Award und auf dem 24. Jüdischen Filmfestival Berlin & Brandenburg den Gershon-Klein-Filmpreis für die Beste Regie. 2019 geht das Werk für Israel in das Rennen um den Oscar für den besten fremdsprachigen Film.

Warum der Film so gefeiert wird? Er ist leise und schafft es, mit wenigen Mitteln und übersichtlichen Dialogen große Themen wie Liebe, Trauer, Lügen und gesellschaftlichen Druck anzusprechen: Anats Ankunft im Alltag einer Witwe, die versuchte Bevormundung durch ihr religiöses Umfeld – sei es in ihrem Job oder in der Erziehung ihres Sohnes – oder die langsame Entdeckung, wer Thomas wirklich ist.

Leichtigkeit All das wird mit sparsamem Einsatz von Text thematisiert, was den Schauspielern viel Raum zum Gestalten lässt. Allen voran Tim Kalkhof als Thomas und Sarah Adler als Anat. Beide verleihen dem Film die tiefe Traurigkeit nach dem Verlust eines geliebten Menschen und die Leichtigkeit, die das Backen – und das Essen – mit sich bringen.

Zohar Strauss als Orens misstrauischer Bruder Moti und Sandra Sade als die Mutter Hanna, die wohl ahnt, was Thomas und Oren miteinander verband, machen das Werk zu dem, was es ist – ein kleines Juwel. Vielleicht ist der Film wie ein Stück Schwarzwälder Kirschtorte, so eine, wie sie Thomas Anat zum Schabbat mitbringt: schwer, süß, herb und fruchtig. Er tut im Moment des Ansehens gut und liegt eine Weile auf der Seele – so schnell vergisst man diesen Film nicht.

Ab 1. November im Kino.


Der Trailer zum Film: www.youtube.com/watch?v=atBa3S_FzPQ


Lesen Sie auch:

Der Kuchenmacher: Ofir Raul Graizer gibt Kochkurse und zeigte beim Jüdischen Filmfestival sein Kinodebüt

www.juedische-allgemeine.de/article/view/id/32098

Justiz

Gericht: Melanie Müller zeigte mehrmals den Hitlergruß

Melanie Müller steht erneut vor Gericht: Die Schlagersängerin wehrt sich gegen das Urteil wegen Zeigens des Hitlergrußes und Drogenbesitzes. Was im Berufungsverfahren zur Debatte steht

von André Jahnke  14.12.2025

Feiertage

Weihnachten mit von Juden geschriebenen Liedern

Auch Juden tragen zu christlichen Feiertagstraditionen bei: Sie schreiben und singen Weihnachtslieder

von Imanuel Marcus  14.12.2025

Nachruf

Trauer um Hollywood-Legende Arthur Cohn

Arthur Cohn war immer auf der Suche nach künstlerischer Perfektion. Der Schweizer Filmproduzent gehörte zu den erfolgreichsten der Welt, wie seine Oscar-Ausbeute zeigt

von Christiane Oelrich  12.12.2025

Computerspiel

Lenny Kravitz wird James-Bond-Bösewicht

Als fieser Schurke will der Musiker im kommenden Jahr dem Agenten 007 das Leben schwer machen – allerdings nicht auf der Kinoleinwand

 12.12.2025

Berlin

Jüdisches Museum bekommt zusätzliche Förderung

Das Jüdische Museum in Berlin gehört zu den Publikumsmagneten. Im kommenden Jahr feiert es sein 25. Jubiläum und bekommt dafür zusätzliche Mittel vom Bund

 12.12.2025

Aufgegabelt

Latkes aus Dillgürkchen

Rezepte und Leckeres

 12.12.2025

Kulturkolumne

Lieber Chanukka als Weihnachtsstress?

Warum Juden es auch nicht besser haben – was sich spätestens an Pessach zeigen wird

von Maria Ossowski  12.12.2025

Kommerz

Geld oder Schokolade?

Der Brauch, an den Feiertagen um Münzen zu spielen, hat wenig mit den Makkabäern oder dem traditionellen Chanukkagelt zu tun. Der Ursprung liegt woanders

von Ayala Goldmann  12.12.2025

Glosse

Der Rest der Welt

Singend durch Paris oder Warum unser Chanukka-Song der beste ist

von Nicole Dreyfus  12.12.2025