Biografie

Autogramme, die die Welt bedeuteten

Tom Tugend gemeinsam mit Benjamin Kuntz Foto: Julia Baier

Biografie

Autogramme, die die Welt bedeuteten

Wie die Fußballleidenschaft von Tom Tugend das Leben des jüdischen Journalisten prägte

von Martin Krauß  06.07.2025 16:02 Uhr

Tom Tugend war nie Sportjournalist. Dennoch wurde der Mann, der jahrzehntelang für jüdische Medien schrieb, nun im Deutschen Fußballmuseum Dortmund geehrt. Und zwar wegen eines Buchs, von dem der 2022 verstorbene Tugend einmal sagte, es habe ihn »in dunklen Momenten oft gerettet«: ein Autogrammalbum.

Von 1937 bis 1939, bis er mit seiner Schwester Brigitte und seiner Mutter Irene nach Amerika emigrieren konnte, hatte Tugend mit enormem Eifer gesammelt: Vor Hotels und beim Training lauerte er seinen Idolen auf. Sein Klub war Hertha BSC, doch sein Album zeigt auch Spieler von Schalke 04 oder Aston Villa. Übergeben wurde es von Benjamin Kuntz, einem Medizinhistoriker, der sich mit Tugend angefreundet hatte, als er sich mit dessen Vater, dem Kinderarzt Gustav Tugendreich, beschäftigte. »Das Album ist sein größter Schatz, den er vor den Nazis hat retten können.«

»Das mutmaßlich erste Panini-Album der Fußballgeschichte«

Manuel Neukirchner, Direktor des Fußballmuseums, hält das Büchlein für »das mutmaßlich erste Panini-Album der Fußballgeschichte«. Er betont, es sei ein zeithistorisches Dokument. »Mit ihm können wir in unseren Bildungsprogrammen sehr konkret und anschaulich deutsche Geschichte vermitteln.« Das Album wird in dem neuen Bereich »Jüdisches Leben und Fußball« zu sehen sein, den es ab Februar 2026 gibt.

Als Tugend Berlin 2019 anlässlich einer Verlegung von Stolpersteinen besuchte, brachte er das Album wieder mit und präsentierte es im Presseraum seiner geliebten Hertha. »Als ich nach Amerika kam, hat kaum jemand Soccer gespielt«, erzählte er. »An der Universität waren im Team auch nur Einwanderer.« Gerade wegen dieses Exotenstatus war ihm sein Sport so wichtig. »Beim Fußball sind die engsten Freundschaften entstanden, die mir sehr viel bedeutet haben.«

1944 meldete sich Tugend freiwillig als Soldat. Als seine Vorgesetzten erfuhren, dass er fließend Deutsch sprach, schickten sie ihn nach Heidelberg, um NS-Täter zu vernehmen. 1948 zog es ihn nach Israel. »Da ein jüdischer Staat nur alle 2000 Jahre gegründet wird, befürchtete ich, beim nächsten Mal nicht mehr dabei zu sein.«

Mitte der 60er-Jahre wurde Tugend Journalist, zunächst für den »San Francisco Chronicle«, später vor allem für jüdische Medien wie die »Jewish Telegraphic Agency«, die »Jerusalem Post«, den »Jewish Chronicle« und auch für die »Jüdische Allgemeine«. Am liebsten schrieb er über Hollywood. Mit Steven Spielberg war er eng verbunden, engagierte sich für dessen Shoah Foundation, wo er auch die Geschichte seiner Familie erzählte.

Erzogen wurde Tom Tugend vor allem von einem Kindermädchen

Erzogen wurde Tugend vor allem von einem Kindermädchen. Seine Eltern – die Mutter war in der WIZO aktiv – sah er eigentlich nur beim jährlichen Ostsee- oder Dänemark-Urlaub. »Aber wir haben nie mit einem Fußball gekickt.« Ein Leben außerhalb Deutschlands konnte sich der Vater, der auch ein bekannter Sozialmediziner war, nicht vorstellen, weshalb er sich erst spät zur Emigration entschloss. Frau und Kinder holte er erst später nach.

In einem autobiografischen Text beschreibt Tom Tugend die Folgen der Emigration für seinen Vater: »Sie hat sein Herz und seinen Geist gebrochen.« Er persönlich, heißt es dort selbstkritisch, habe davon zu wenig mitbekommen. »Ich war damals ein pickliger Teenager, völlig egozentrisch, und versuchte, mit einer neuen Kultur und Sprache zurechtzukommen.«

In diesem Zusammenhang war Tugends Autogrammalbum von enormer Bedeutung. Auch sein Enkel Zach Austgen ist mit nach Dortmund gekommen. »Dieses Buch war ihm sehr wichtig«, erzählte er. »Ja, man kann sagen, es hat ihm die Welt bedeutet.«

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