Griechenland

Unbedingter Wille zu berichten

Man schreibt das Jahr 1943. Der Zweite Weltkrieg tobt, die deutsche Wehrmacht hat Griechenland besetzt, die nationalsozialistische Mordmaschinerie läuft auf Hochtouren. Heinz Salvator Kounio ist ein junger Mann, als er zusammen mit seinen Eltern, Geschwistern und Verwandten aus seiner Heimatstadt Thessaloniki in das Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau deportiert wird – als eine der ersten jüdisch-griechischen Familien überhaupt.

Wenn sich der heute 89-Jährige an die Nacht der Deportation erinnert, läuft ihm immer noch ein eisiger Schauer über den Rücken. »Als ich mit meiner Familie 1943 als Gefangener der nationalsozialistischen, antisemitischen Weltanschauung die Waggons der Deportation betrat, war ich gerade 15 Jahre alt. Ich sah die Jugendträume, die damals in meiner unbeschwerten Seele brodelten, in sich zusammenfallen«, beschreibt Heinz Kounio seine Gedanken von damals.

Übersetzung Die Autobiografie des Schoa-Überlebenden aus Thessaloniki wurde im griechischen Original bereits 1981 veröffentlicht; vor Kurzem erschien die dritte Auflage. Nach einer englischen Übersetzung kommt Kounios Bericht nun auch in deutscher Sprache auf den Markt. Unter dem Titel Ein Liter Suppe und 60 Gramm Brot ist die Lebensgeschichte des Zeitzeugen aus Griechenland im Berliner Verlag Hentrich & Hentrich erschienen.

Um die neue Übersetzung dem deutschsprachigen Publikum näherzubringen, war Heinz Kounio vor einigen Wochen zusammen mit seiner Ehefrau Rachel und seiner Tochter Regina auf Lesereise in Deutschland und Österreich. Neben München, Dachau und Berlin las Kounio auch im oberösterreichischen Ebensee aus seinem Buch.

Der Besuch in dem kleinen Städtchen am Traunsee war für Heinz Kounio sehr emotional. Nach 27 Monaten schwerster körperlicher Zwangsarbeit in Auschwitz hatten die Nazis ihn in das nahe der Kleinstadt gelegene Konzentrationslager Ebensee gebracht. Im Mai 1945 wurde er dort von den vorrückenden US-Truppen unter General Patton befreit.

Notizbuch Kounios autobiografischer Bericht über die menschenunwürdigen Zustände in den Konzentrationslagern und das dort herrschende Terrorsystem beruht auf den Aufzeichnungen, die er sich unmittelbar nach der Befreiung in seinem Notizbuch vermerkt hatte. Es war der unbedingte Wille, die Nachwelt über die unvorstellbaren Gräuel und Bedingungen in den Lagern in Kenntnis zu setzen, der Heinz Kounio die Kraft zum Weitermachen und die Hoffnung aufs Überleben gab.

»In Auschwitz versuchte ich einzig und allein, den Tag zu überstehen. An ein Morgen habe ich nie gedacht. Vom ersten Tag im Lager an war mir klar: Du musst später von dem Erlebten berichten. Du musst überleben, um der Menschheit darüber Auskunft zu geben, was passiert, wenn ein Diktator so viel Hass in einer Gesellschaft säht«, erklärt Kounio.

Er ist einer der wenigen Schoa-Überlebenden aus Thessaloniki. Aus der jüdischen Gemeinde der nordgriechischen Stadt, die vor dem Zweiten Weltkrieg rund 53.000 Mitglieder zählte, überlebten den Holocaust nur etwa 1950. Dass gerade er überlebt hat, verdankt Heinz Kounio auch seinen deutschen Sprachkenntnissen.

Karlsbad Seine Mutter war in Karlsbad geboren. Sein deutscher Vorname geht auf sie zurück. Er und seine Geschwister hatten Deutsch bereits als Kinder fließend sprechen gelernt. In den Konzentrationslagern brauchten die Nazis und Kapos Häftlinge, die vom Deutschen ins Griechische übersetzten. Kounios Eltern und er haben überlebt. 23 Familienangehörige wurden in Auschwitz ermordet.

Heinz Kounio versteht seine Autobiografie als Erinnerung an die Vergangenheit und Mahnung für die Gegenwart. Das Buch solle dazu dienen, die NS-Todesmaschinerie aufzudecken und dem Leser in Erinnerung zu rufen: »Wir müssen uns leidenschaftlich gegen all diejenigen wehren, die die Würde des Menschen angreifen, die es auf die Freiheit der Gedanken, Religion und den Ausdruck individueller Geradlinigkeit abgesehen haben«, schreibt Kounio. Ein Appell, der heute so aktuell ist wie nie zuvor.

Großbritannien

Warten auf »Bridgerton«

Die Sehnsucht nach der vierten Staffel des Netflix-Hits ist groß. Aber wie war eigentlich das reale jüdische Leben in der Regency?

von Nicole Dreyfus  29.06.2025

Glastonbury Festival

Kritik an antiisraelischen Parolen

Neben der Musik sorgt Hetze gegen Israel für Aufsehen – mit Folgen für die BBC, die alles live übertragen hat

 29.06.2025

Glastonbury

Bob Vylan ruft »Death, death to the IDF« – BBC überträgt es

Beim größten Open Air Festival Großbritanniens rufen Musiker antiisraelische Parolen

 28.06.2025

Militär

Name des schwulen Bürgerrechtlers Harvey Milk von US-Kriegsschiff gestrichen

Das nach Milk benannte Versorgungsschiff heißt jetzt »USNS Oscar V. Peterson«

 28.06.2025

Meinung

Francesca Albaneses Horrorshow

Die UN-Berichterstatterin verharmlost den Hamas-Terror und setzt die Israelis mit den Nazis gleich. Mit ihren Ansichten tourt sie nun durch die Schweiz

von Nicole Dreyfus  30.06.2025 Aktualisiert

Aufarbeitung

Brasilien entschädigt Familie von jüdischem Diktaturopfer

Vladimir Herzog gehört zusammen mit dem ehemaligen Abgeordneten Rubens Paiva zu den bekanntesten Diktaturopfern

 27.06.2025

Buenos Aires

Anschlag auf Juden in Argentinien: Prozess nach mehr als 30 Jahren

Am 18. Juli 1994 waren beim Anschlag auf das jüdische Kulturzentrum AMIA 85 Menschen getötet und mehr als 300 verletzt worden

 27.06.2025

USA

Die Social-Media-Bändigerin

Die pro-israelische Influencerin Montana Tucker liefert Lehrstücke der modernen Kommunikation im Akkord. Zeit, sich die junge Frau, die mit Tanzvideos berühmt wurde, genauer anzusehen

von Sophie Albers Ben Chamo  26.06.2025

Balkan

Bosnien entschuldigt sich bei Rabbinerkonferenz

Über eine Tagung der Europäischen Rabbinerkonferenz in Sarajevo kam es zum judenfeindlichen Eklat. Mit der jetzt erfolgten Entschuldigung ist der Fall indes noch nicht bereinigt

 26.06.2025