Niederlande

Museum am Ort des Schreckens

Das neue Nationale Holocaustmuseum Foto: picture alliance / ASSOCIATED PRESS

»Bis heute Abend und schön lieb sein« - das waren die letzten Worte, die Salo Muller von seiner Mutter hörte. Es war 1942 in Amsterdam. Die Familie war von deutschen Soldaten aufgegriffen und zum »Holländischen Theater« gebracht worden. Von hier aus wurde ein großer Teil der niederländischen Juden in Konzentrationslager deportiert. Der sechs Jahre alte Salo wurde auf die andere Straßenseite in eine Kinderkrippe gebracht und damit gerettet.

An diesem historisch so schwer belasteten Ort befindet sich nun das Nationale Holocaustmuseum der Niederlande. Am Sonntag wird es von König Willem-Alexander eröffnet - im Beisein des israelischen Präsidenten Izthak Herzog, des österreichischen Staatspräsidenten Alexander van der Bellen und der deutschen Bundesratspräsidentin Manuela Schwesig.

Etwa 102.000 niederländische Juden wurden von den deutschen Nationalsozialisten ermordet, etwa Dreiviertel der jüdischen Bevölkerung - so viel im Verhältnis wie aus fast keinem anderen europäischen Land. Fast 80 Jahre später wird diese Geschichte nun in diesem Museum erzählt.

Sichtbare Geschichte

Museumsdirektor Emile Schrijver bedauert es, dass es so lange gedauert hat. »Nach dem Krieg stand vor allem der Widerstand der Niederländer im Vordergrund.« Außerdem war die Erinnerung für die jüdische Gemeinschaft schmerzhaft. »Doch die Geschichte muss sichtbar bleiben«, sagt der Direktor. »Auch wegen des heutigen wieder aufkommenden Antisemitismus.«

Das Museum erzählt diese Geschichte an diesem Ort, an dem sich ein Teil des Holocausts abgespielt hat. Das ist außergewöhnlich. Salo Muller, früher Physiotherapeut beim Rekordfußballmeister Ajax Amsterdam, ist heute 88 Jahre alt. Er erinnert sich noch gut an den Tag, als er 1942 von seinen Eltern getrennt und in die Krippe gebracht wurde. »Ich habe vier Tage lang geschrien und geheult.«

Dann wurde er aus der Krippe durch die benachbarte pädagogische Hochschule geschmuggelt und in Sicherheit gebracht. Etwa 600 Kinder wurden auf diese Weise gerettet. Salos Eltern aber wurden nach Auschwitz deportiert und ermordet.

Hell und offen

Das Museum besteht aus der ehemaligen Hochschule und einem neuen Gebäude an der Stelle der früheren Kinderkrippe sowie dem ehemaligen »Holländischen Theater«. Die Architekten vom Büro Office Winhov gestalteten die Gebäude bewusst hell und offen. »Die Judenverfolgung hat schließlich auch am helllichten Tag stattgefunden«, sagt Direktor Schrijver.

Mit mehr als 400 Objekten, Fotos, Filmen sowie Installationen erzählt das Museum die Geschichte der systematischen Verfolgung, die sich vor den Augen der Bürger vollzog. Ein Raum ist von oben bis unten tapeziert mit den Rassengesetzen und Verordnungen über den Ausschluss der Juden.

In einer Vitrine stehen die Schuhkartons mit den Karteikarten mit Namen und Adressen aller registrierten 160.000 Juden im Land. »Übereifrige Beamte konnten so mit diesem System den Nazis die gewünschten Informationen geben, um die Juden zu deportieren«, sagt der Direktor.

Fühlbare Schrecken

Es war die »systematische Entmenschlichung«, sagt Schrijver. Demgegenüber stellt das Museum persönliche Objekte einzelner Menschen. Eine Puderdose, ein Kinderkleidchen, der Pinsel-Halter eines Malers. »Wir geben den Opfern die Menschlichkeit zurück.«

Der Schrecken des Massenmordes wird fühlbar beim Blick auf zehn Knöpfe - jeder ist anders. Sie wurden im Vernichtungslager Sobibor gefunden, wo schätzungsweise 34 000 niederländische Juden ermordet worden waren. Der Knopf steht als Symbol für eines der letzten Dinge, das die Menschen berührt hatten, als sie sich unter Zwang ausziehen mussten und dann zur Gaskammer getrieben wurden.

Hollywood

80 Jahre Goldie

Die quirlige Schauspielerin feiert ihren runden Geburtstag – und ist nicht zu bremsen

von Barbara Munker, Sophie Albers Ben Chamo  23.11.2025

TV-Tipp

TV-Premiere: So entstand Claude Lanzmanns epochaler Film »Shoah«

Eine sehenswerte Arte-Dokumentation erinnert an die bedrückenden Dreharbeiten zu Claude Lanzmanns Holocaust-Film, der vor 40 Jahren in die Kinos kam

von Manfred Riepe  21.11.2025

USA

Zwölf Familien, eine Synagoge

Die meisten Juden in Nordamerika leben in Großstädten, auf dem Land gibt es nur wenige Gemeinden – aber gerade dort wächst eine besonders starke Identität. Ein Besuch in der Kleinstadt Rome im Bundesstaat Georgia

von Katja Ridderbusch  21.11.2025

Holzstörche zur Geburt in Niederösterreich. Noch immer werden neben den klassischen Namen viele biblische Namen den Kindern gegeben.

Statistik

Diese hebräischen Vornamen in Österreich sind am beliebtesten

Österreichische Eltern wählen gern Klassiker. Unter den Top Ten sind auch viele Namen biblischen Ursprungs

von Nicole Dreyfus  21.11.2025

TV-Tipp

Ein Skandal ist ein Skandal

Arte widmet den 56 Jahre alten Schock-Roman von Philip Roth eine neue Doku

von Friederike Ostermeyer  21.11.2025

Judenhass

»Wir wollen keine Zionisten«: Mamdani reagiert auf antisemitische Kundgebung vor Synagoge

Die Teilnehmer schrien unter anderem »Tod den IDF!« und »Globalisiert die Intifada!«

von Imanuel Marcus  21.11.2025 Aktualisiert

New York

Neonazi wollte als Weihnachtsmann jüdische Kinder mit Süßigkeiten vergiften

Der Antisemit soll zudem »Interesse an einem Massengewaltakt« gezeigt und Anleitungen zum Bau von Bomben geteilt haben. Nun wird er angeklagt

 21.11.2025

Philosophie

Hannah Arendt und die Freiheit des Denkens

Die politischen Katastrophen des 20. Jahrhunderts waren ihr Lebensthema. Sie sah ihre Aufgabe als politische Denkerin darin, die Welt und die Menschen zu verstehen. Die politische Theoretikerin starb vor 50 Jahren

von Jürgen Prause  20.11.2025

Russland

Der Vater der israelischen Rüstungsindustrie

Emanuel Goldberg war ein genialer Erfinder in der Weimarer Republik. Die Nazis sorgten dafür, dass er in Europa vergessen wurde. Doch bis heute macht der Mann aus Moskau Israel sicherer

von Leif Allendorf  20.11.2025