USA

»Menschen! Geld! Disziplin!«

Wegbereiter: Louis Dembitz Brandeis (1856–1941) Foto: Library of Congress

USA

»Menschen! Geld! Disziplin!«

Wie Louis Brandeis den Zionismus zur einflussreichsten Strömung im amerikanischen Judentum machte

von Kevin Zdiara  10.12.2012 17:08 Uhr

Externer Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen externen Inhalt, der den Artikel anreichert. Wir benötigen Ihre Zustimmung, bevor Sie Inhalte von Bottalk ansehen und mit diesen interagieren können.

Mit dem Betätigen der Schaltfläche erklären Sie sich damit einverstanden, dass Ihnen Inhalte aus Bottalk angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittanbieter übermittelt werden. Dazu ist ggf. die Speicherung von Cookies auf Ihrem Gerät nötig. Mehr Informationen finden Sie hier.

Die enge Bindung zwischen amerikanischen Juden und Israel scheint heute selbstverständlich. Die Unterstützung Israels ist ein wichtiges Anliegen der großen jüdischen Organisationen in den USA, und in einer Umfrage des American Jewish Committee gaben erst jüngst 71 Prozent der Befragten an, dass für sie der Staat Israel ein wichtiger Bestandteil ihres Judentums sei.

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts sah das noch ganz anders aus. Im Jahr 1902 warnte die damals wichtigste jüdische Zeitung The American Israelite, dass Zionismus und Antisemitismus Zwillingsfeinde der Juden seien. Die Konversion der amerikanischen Juden zu Zionisten begann erst in den darauffolgenden Jahren und ist vor allem mit einem Mann verbunden: Louis Dembitz Brandeis. Vor 100 Jahren trat dieser der Federation of American Zionists (FAZ) bei und leitete damit ein Umdenken ein.

herkunft Brandeis wurde 1856 in eine bürgerliche und säkulare jüdische Familie in Kentucky geboren. Nachdem er 1877 als Jahrgangsbester sein Jurastudium in Harvard abgeschlossen hatte, gründete er eine Anwaltskanzlei in Boston. Diese verschaffte ihm das finanzielle Polster, um ab 1890 unentgeltlich Fälle von öffentlichem Interesse vertreten zu können. Der »Anwalt des Volkes«, wie Brandeis auch genannt wurde, stritt gegen Wirtschaftsmonopole und setzte sich für die Belange armer Leute ein. Dieses Engagement wurde im Jahr 1916 mit der Berufung zum ersten jüdischen Richter am Obersten Gerichtshof honoriert. Dort blieb er seiner progressiven politischen Haltung treu und schrieb durch seine Minderheitenmeinungen zum Recht auf Privatheit und zur Redefreiheit Rechtsgeschichte.

Brandeis’ Bedeutung lässt sich nicht zuletzt daran erkennen, dass renommierte Institutionen wie die Brandeis-Universität in Massachusetts seinen Namen tragen und amerikanische Präsidenten regelmäßig Brandeis zitieren.

bindestrich-amerikaner Für viele amerikanische Juden ist Brandeis aber vor allem der wichtigste Vertreter des frühen amerikanischen Zionismus. Dabei begann dessen Interesse an einem jüdischen Staat erst relativ spät. Bis ins erste Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts lehnte Brandeis den Zionismus ab. Noch im Jahr 1905 forderte er in einer Rede, Juden sollten sich vollständig assimilieren und nicht zu sogenannten Bindestrich-Amerikanern werden.

Von diesem Standpunkt rückte er erst allmählich ab. Der ehemalige Sekretär von Theodor Herzl, Jacob de Hass, überzeugte Brandeis nach langen Gesprächen vom Zionismus, woraufhin dieser 1912 in die FAZ eintrat. Einen wichtigen Einfluss übte auch der jüdisch-amerikanische Philosoph Horace M. Kallen aus. Er lieferte Brandeis die Theorie für seine Aussöhnung mit dem Zionismus. Kallen war der Vordenker des kulturellen Pluralismus und sah im Zionismus für Juden die Möglichkeit, ihren kulturellen Beitrag zur, wie er es nannte, amerikanischen »Symphonie der Zivilisationen« zu leisten.

Diesen Gedanken griff Brandeis in einer Rede von 1915 auf: »Um gute Amerikaner zu sein, müssen wir bessere Juden sein, und um bessere Juden zu sein, müssen wir Zionisten werden.« Das Eintreten für einen jüdischen Staat sollte, so Brandeis, Juden auf eine Ebene mit italienisch-, irisch- oder deutschstämmigen Amerikanern stellen. Dabei war für ihn die Auswanderung nach Palästina keine Voraussetzung, um Zionist sein zu können, und kam für Brandeis selbst auch nie infrage.

ideal Der in Palästina zu schaffende jüdische Staat sollte auf den Idealen beruhen, für die der progressive Brandeis in den USA gestritten hatte. Diese Vorstellung fasste er 1915 in einem Vortrag zusammen: »Zionismus steht für Demokratie. Zionismus steht für soziale Gerechtigkeit, und das entspricht genau dem amerikanischen Ideal des 20. Jahrhunderts.«

Der zionistische Gedanke war für Brandeis weder ein letzter Hoffnungsanker noch eine philanthropische Geste oder ein religiöses Gebot. Vielmehr bot er Brandeis die Chance, seiner jüdischen Identität in säkularen und politischen Begriffen Ausdruck zu verleihen. Dies sind für amerikanische Juden, denen soziale Gerechtigkeit und ein säkularer Staat außerordentlich wichtig sind, weiterhin zentrale Argumente für ihre Unterstützung Israels.

Zum langfristigen Erfolg des Zionismus trug nicht zuletzt die unter Brandeis vorgenommene Neuaufstellung der zionistischen Organisationen bei. Als Brandeis vor 100 Jahren aktiv wurde, waren knapp 10.000 Juden organisierte Zionisten, und so konnten lediglich wenige Tausend Dollar für die Besiedlung nach Palästina überwiesen werden. 1914 übernahm Brandeis die Führung und machte unter dem Motto »Menschen! Geld! Disziplin!« innerhalb von nur neun Jahren den Zionismus zur einflussreichsten Strömung im amerikanischen Judentum. Am Ende der Ära Brandeis im Jahre 1921 waren über 200.000 amerikanische Juden Mitglied in zionistischen Vereinigungen, und die Transferzahlungen nach Palästina beliefen sich auf 1,5 Millionen Dollar.

zerwürfnis Doch diese Erfolge wurden durch das Zerwürfnis der Brandeis-Gruppe mit der Zionist Organization of America (ZOA) getrübt. Sie vertrat seit 1918 die zionistischen Interessen der amerikanischen Juden. Im Juni 1921 kam es auf deren Kongress in Cleveland zum Kräftemessen zwischen Brandeis und dem Vorsitzenden der Zionistischen Weltorganisation, Chaim Weizmann. Dieser lehnte den pragmatischen Ansatz von Brandeis ab, was von der Mehrheit der Delegierten in Cleveland unterstützt wurde.

Daraufhin traten Brandeis und seine Verbündeten geschlossen zurück. Enttäuscht wandte er sich von der ZOA ab, blieb aber dem Aufbau einer jüdischen Heimstätte verbunden. Er sammelte Geld für zionistische Aufgaben und unterstützte die illegale jüdische Einwanderung nach Palästina sowie die Bewaffnung der dortigen Juden.

Die Ausrufung des Staates Israel erlebte er jedoch nicht mehr mit. Louis D. Brandeis starb 1941 und damit sieben Jahre zu früh. Sein wichtigstes Vermächtnis an die amerikanischen Juden bleibt aber bis heute seine Idee, dass man als Jude in den USA gleichzeitig Amerikaner und Zionist sein kann.

Zürich

Die gute Seele der Gemeinde

Seit 13 Jahren sorgt der muslimische Hausmeister Michel Alassani dafür, dass im Gebäude der Israelitischen Cultusgemeinde alles rundläuft

von Nicole Dreyfus  14.08.2025

Meinung

Soll die Schweiz Palästina anerkennen?

Eine Anerkennung von Palästina wäre für die Schweiz ein aussenpolitischer Kurswechsel, von dem niemand profitiert

von Nicole Dreyfus  13.08.2025

Slowakei

»Wir würden es als großen Verlust empfinden«

Durch beherztes Handeln konnte die Stadtverwaltung von Prešov die Schließung des örtlichen Jüdischen Museums verhindern

von György Polgár  12.08.2025

Debatte

Missbrauch der Sarajevo-Haggada für Hetze gegen Israel

Ein Kommentar von Rabbiner Pinchas Goldschmidt

von Rabbiner Pinchas Goldschmidt  11.08.2025

Schweiz

Der Breslauer Schatz

Tausende Schriften stehen für das Überleben der jüdischen Kultur in Europa. Nun sollen sie endlich restauriert und zukünftigen Generationen zugänglich gemacht werden

von Leticia Witte, Ralf Balke  11.08.2025

Berlin

Holocaust-Überlebende zweifeln an Deutschland

Das Waffenembargo verunsichert auch Schoa-Überlebende in Israel - das meint der Vizepräsident des Internationalen Auschwitz Komitees

 10.08.2025

Washington D.C.

USA klagen Mörder von israelischen Botschaftsmitarbeitern an

Elias Rodriguez könnte für den Doppelmord an dem Deutsch-Israeli Yaron Lischinsky und der Amerikanerin Sarah Milgrim zum Tode verurteilt werden

 07.08.2025

Großbritannien

Das zweitschlechteste Halbjahr

Nach dem Allzeithoch 2024 ist der Judenhass im Vereinigten Königreich zwar etwas zurückgegangen. Doch der Gaza-Krieg fungiert weiter als Katalysator für Antisemitismus

 06.08.2025

Iberia Airlines

»Free Palestine«-Kritzeleien auf koscheren Mahlzeiten

Jüdische Passagiere bekamen auf einem Flug von Buenos Aires nach Madrid Lebensmittel mit antiisraelischen Botschaften serviert

von Michael Thaidigsmann  05.08.2025