USA

Große Ernte im Citrus Belt

Das Farmer-Ehepaar John und Shirley Kirkpatrick mit einigen frisch geernteten Etrogim Foto: Tomas Ovalle

Uralter Tradition folgend, ist es Pflicht, am ersten Tag von Sukkot, dem Laubhüttenfest, »eine Frucht vom göttlichen Baum« zu nehmen. Damit ist der Etrog gemeint, eine Zitrusfrucht. Sie ist nur eine der vier Arten, die an Sukkot eine so große Rolle spielen, weil sie die Israeliten in ihrer Vielfalt und Einheit symbolisieren. Es folgen der Lulav (Palmzweig), die drei Hadassim (Myrtenzweige) und die zwei Arawot (Weidenzweige). Die vier Arten, der Bund Israels, sind die Essenz von Sukkot.

Die alte Zitrusfrucht wächst aber nicht nur im Heiligen Land, auch in den Vereinigten Staaten gibt es Etrog-Plantagen. Jeden Sommer machen sich Yaakov Roth­berg und seine Geschäftspartner aus Lakewood, New Jersey – einer Hochburg der Orthodoxie in den USA, in der eine der größten Jeschiwot weltweit beheimatet ist – auf ins Städtchen Exeter, das im sogenannten Citrus Belt des Bundesstaates Kaliforniens liegt. Drei Wochen verbringen sie Jahr für Jahr in Tulare County, um penibel Etrogim für Sukkot auszusuchen.

WODKA »Etrog« ist das hebräische Wort für diese uralte Sorte, die wenig Saft und dafür viel weiße Haut enthält. Diese Sorte wird in der Gastronomie für ihre aromatische Schale und die weiße Haut geschätzt, die häufig fürs Backen oder zum Herstellen von Marmelade und aromatisiertem Wodka verwandt werden.

Einige makellose Etrogim verkauft er für 60 bis 80 Dollar das Stück.

Ihre Hauptrolle spielt die höckerige und recht schmale Frucht, die etwas archaisch wirkt im Vergleich zu ihren schicken ebenmäßigen Verwandten, an Sukkot. Deswegen interessieren sich Rothberg und sein Tross auch nicht für die Verwendung beim Backen oder Ähnlichem. Sie kommen zur Lindcove Ranch der Familie Kirkpatrick, weil sie der größte und lange Zeit einzige kommerzielle Produzent koscherer Etrogim in den Vereinigten Staaten sind.

Greg Kirkpatrick, ein presbyterianischer Christ, erinnert sich für die »California Farm Bureau Federation« daran, wie er einst von Rothbergs Mitarbeitern gefragt wurde, ob er sich eigentlich der religiösen Bedeutung seines Obstes für die jüdischen Gemeinden und Haushalte in den USA bewusst sei. Seine Antwort war spontan und kam von Herzen: »Zu Beginn des Jahres wird die Frucht gesegnet. Wir wissen also, dass Tausende Juden für uns beten. Etrogs zu züchten, das bringt uns Gott näher.«

symbol Jede Pflanze, die zu Sukkot benutzt wird, steht auch für unterschiedliche Körperteile, erläutert Rothberg seinem Geschäftspartner und Freund Kirkpatrick von der Lindcove Ranch. Die Zitrone symbolisiere dabei das Herz, was uns daran erinnern solle, »unsere Herzen auf dem rechten Fleck zu haben«.

»Unsere Herzen sollten so unbefleckt sein wie möglich«, sagt Yaakov Rothberg. »Darin liegt auch das Geheimnis der Zitrone«, ergänzt der fromme Mann, während er Frucht für Frucht mit einer Lupe genauestens auf ihre Makellosigkeit hin untersucht. »Deshalb geben die Leute für die reinsten und makellosesten Zitronen ihr Geld aus – weil sie das Herz abbilden.«

Die Etrogim für Sukkot müssen makellos sein. Sie dürfen keinen Kratzer und keine schwarzen Stellen haben, um dem strengen Blick des Rabbis standzuhalten, der stets Teil der Delegation aus New Jersey ist. Auch die Stängel müssen unversehrt sein.

ZITRUSPROFI Früher bezogen amerikanische Juden ihre Etrogim traditionell meist aus Israel, Marokko oder Italien. Die Idee, die Früchte in den Vereinigten Staaten anzubauen, ist inzwischen mehr als 35 Jahre alt. Damals telefonierten Rothbergs Schwiegervater und John Kirkpatrick miteinander, dessen Familie Zitrusfrüchte wie Mandarinen, Orangen, Zitronen und Limonen sowie Granatäpfel anbaute. »Er fragte mich, ob ich ihm dabei helfen könne, einen Zitrusprofi zu finden, der die speziellen Bäume anbauen wolle«, sagt Kirkpatrick.

»Ich antwortete: ›Mit dem sprechen Sie gerade.‹ Mir schien das eine großartige Herausforderung zu sein«, so Kirkpatrick. Seine »kleine Farm« sei geradezu prädes­tiniert, dem koscheren Anbau von Etrogim genau jene Aufmerksamkeit zukommen zu lassen, die nötig ist.

Damit sie als koscher gelten, muss die Abstammung der Bäume zertifiziert sein. Der Gebrauch von Rohrstöcken ist ebenso verboten wie Austrieb und Veredelung, und ein Rabbiner muss Pflanzung und Wachstum des Zitrushains überwachen. »Unsere ersten Bäume stammten aus rabbinisch zertifizierten Samen von israelischen Bäumen mit bekannter Abstammung«, betont Kirkpatrick.

Aus dem ursprünglich buchstäblichen Nebenzweig ihrer Produktion ist über die Jahrzehnte eine Haupteinnahmequelle für die Lindcove Ranch geworden.

Aus dem ursprünglich buchstäblichen Nebenzweig ihrer Produktion ist über die Jahrzehnte eine Haupteinnahmequelle für die Lindcove Ranch geworden. Mittlerweile werden pro Ernte rund 100.000 Etrogim gepflückt – etwa ein Fünftel schafft es zur Bewertung. Und nur etwa 10.000 Früchte gelangen in den Verkauf.

»Es ist einfacher, 700 Hektar Orangen anzubauen als einen Hektar Etrogim«, sagt Kirkpatrick. Ein paar makellose Früchte verkauft er für 60 bis 80 Dollar das Stück – etwas weniger perfekte, die etwa für Kinder geeignet sind, gehen im Kleingebinde für zehn bis 15 Dollar über den Tresen. Verkauft werden die kalifornischen Etrogim in Lakewood, New York, Chicago, Baltimore und an anderen, ausgewählten Orten in den Vereinigten Staaten.

MÄRKTE Die Ernte beginnt Anfang Juli und geht bis kurz vor Sukkot. Doch was passiert mit den 90 Prozent der Früchte, die sich nicht fürs Laubhüttenfest qualifizieren?

Auf der Lindcove Ranch geht nichts verloren. Für die »ungeeigneten« Etrogim haben John und Shirley Kirkpatrick sowie ihr Sohn Greg andere Märkte erschlossen. Die Früchte werden in regionalen Lebensmittelläden und auf Bauernmärkten verkauft – sowie an Destillerien, die Wodka mit Zitronenaroma und andere Spirituosen herstellen.

Ein Kunde, das Unternehmen Sukkah Hill Spirits aus dem noblen Beverly Hills, hat sich auf koschere, handwerklich hergestellte Edelliköre spezialisiert. Der Etrog-Likör aus Kirkpatricks Früchten erhält international regelmäßig Bestnoten – und wird mit dem besten italienischem Limoncello verglichen. Das renommierte »Wine Enthusiast Magazine« listete den Etrog-Likör sogar unter den 100 besten Spirituosen weltweit.

»Einfach einen Gin and Tonic mit etwas Etrog-Likör veredeln – das schmeckt wie der Garten Eden mit all den Aromen aus Zitrus und Ölen«, sagt Eigentümer Howard Witkin. Da bleibt uns nur noch eins zu sagen: L’Chaim!

Antisemitismus

Angriff auf Synagoge und Restaurant in Melbourne

Während etwa 20 Menschen Schabbat feierten, setzte ein Mann die Tür des Gebäudes in Brand. Kurz darauf wurde ein koscheres Restaurant gestürmt

 05.07.2025

Belgien

»Gaza gleich Auschwitz«-Karikatur gewinnt Wettbewerb

Der erste Preis des Press-Cartoon-Belgium-Wettbewerbs ging in diesem Jahr an eine Zeichnung einer Landkarte, in der die Umrisse des Eingangstores von Birkenau auf die des Gazastreifens gelegt sind

von Michael Thaidigsmann  04.07.2025

Kommentar

Zürich sollte Francesca Albanese keine Bühne bieten

Die antisemitische UN-Sonderberichterstatterin tritt am Freitag in der Zürcher Zentralwäscherei auf - subventioniert durch die Steuerzahler der Stadt

von Ronny Siev  03.07.2025

Großbritannien

Unterhaus: Palestine Action als Terrororganisation eingestuft

Mitglieder der radikalen Anti-Israel-Gruppe waren im Juni auf einen britischen Luftwaffenstützpunkt eingedrungen und hatten dort Flugzeuge beschädigt

 03.07.2025

Ukraine

Putins Krieg und Trumps Frieden

Während sich die Medienaufmerksamkeit auf Nahost konzentriert, bombardiert Russland weiterhin das Land. Nun schlägt sogar der US-Präsident neue Töne an

von Michael Gold  03.07.2025

Australien

Zwei Krankenpfleger, die damit drohten, jüdische Patienten zu töten, haben Arbeitsverbot

Im Februar sorgte ein TikTok-Video für Abscheu und Empörung, in dem zwei Krankenpfleger ihrem blanken Judenhass freien Lauf ließen. Nun stehen sie vor Gericht

 02.07.2025

Großbritannien

Warten auf »Bridgerton«

Die Sehnsucht nach der vierten Staffel des Netflix-Hits ist groß. Aber wie war eigentlich das reale jüdische Leben in der Regency?

von Nicole Dreyfus  29.06.2025

Glastonbury Festival

Kritik an antiisraelischen Parolen

Neben der Musik sorgt Hetze gegen Israel für Aufsehen – mit Folgen für die BBC, die alles live übertragen hat

 29.06.2025

Glastonbury

Bob Vylan ruft »Death, death to the IDF« – BBC überträgt es

Beim größten Open Air Festival Großbritanniens rufen Musiker antiisraelische Parolen

 28.06.2025