Wenige Tage vor Beginn hat die Europäische Rabbinerkonferenz (CER) ihre geplante Tagung in Aserbaidschan absagen müssen. Das Treffen, das vom 3. bis 6. November in der Hauptstadt Baku stattfinden sollte, musste »aufgrund von Umständen, die außerhalb unserer Macht stehen« verschoben werden, gab die Organisation an. Zu den konkreten Gründen machte die CER keine Angaben.
Allerdings hatte es im Vorfeld Drohungen des Irans gegen die Konferenz gegeben. Im Staatsfernsehen wurde das Treffen als »zionistische Verschwörung« dargestellt. Einer der obersten Berater des iranischen Führers Ali Khameini bezeichnete die Konferenz als »bedauerlich« und warf Aserbaidschan vor, »religiöse Grenzen zu überschreiten« und »die Würde des Schiitentum zu verletzen«.
Beobachter glauben, Teheran fürchte eine weitere Annäherung Aserbaidschans an Israel und die Ausweitung der Abraham-Abkommen. Im Hintergrund hieß es, in den letzten Tagen seien die Drohungen konkreter geworden.
Großes Ereignis
Die Zusammenkunft war als eines der größten jüdischen Ereignisse des Jahres geplant. Rund 600 Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus Europa, Israel, den USA und weiteren Ländern wollten nach Baku reisen – darunter führende Rabbiner, Gemeindevorstände, Vertreter der Politik sowie Gäste aus unterschiedlichen Glaubensrichtungen. Viel Geld war in die Vorbereitung geflossen.
Zu den angekündigten Gästen zählten Israels Oberrabbiner David Yosef und Kalman Ber sowie die Minister Amichai Chikli und Amichai Eliyahu. Das Treffen wäre das erste dieser Art in einem mehrheitlich muslimischen Land gewesen.
Rabbiner Pinchas Goldschmidt, Vorsitzender der Europäischen Rabbinerkonferenz, zeigte sich erschüttert. »Auch ich habe erst jetzt davon erfahren, dass die Konferenz unter der Abwägung der politischen und Sicherheitslage nicht stattfinden kann.«, sagte er der Jüdischen Allgemeinen.
»Gegenseitiger Respekt«
»Es tut mir sehr leid. Wir hatten viel Arbeit in die Vorbereitungen gesteckt und uns sehr gefreut, in diesen schweren Zeiten mit der ersten Rabbinerkonferenz in einem muslimischen Land ein positives Signal zu setzen«, so Goldschmidt. Aber: »Dass die Konferenz jetzt nicht stattfinden kann, ist auch ein Zeichen der Zeit. Die Sicherheitslage für Juden auf der ganzen Welt hat sich in den letzten zwei Jahren dramatisch verschlechtert.«
In einer früheren Mitteilung hatte die Organisation erklärt, man wolle mit der Konferenz zeigen, »dass selbst in Zeiten von Konflikten, Krisen und Desinformation Zusammenarbeit, gegenseitiger Respekt und gemeinsame Werte über religiöse und kulturelle Grenzen hinweg möglich sind.« Das Treffen sollte auf Einladung der aserbaidschanischen Regierung stattfinden und sich unter anderem mit den Herausforderungen jüdischen Lebens in Europa und den Perspektiven interreligiöser Kooperation beschäftigen.
Aserbaidschan pflegt außerordentliche gute Beziehungen zum jüdischen Staat und zur jüdischen Gemeinschaft weltweit. Auch Rabbiner Goldschmidt betont, dass die aserbaidschanischen Regierung die Konferenz bis zum Ende sehr unterstützte. Ob und wann die Konferenz nachgeholt werden soll, ist offen. »Wir arbeiten derzeit daran, einen alternativen Ort zu finden, damit die Konferenz doch noch stattfinden kann. Europa oder Israel kommen in Frage. Wobei es in Israel letztlich wohl am sichersten ist.«, so Goldschmidt.
Baku und Sarajevo
Es ist nicht das erste Mal, dass die CER umdisponieren muss. Bereits nach dem 7. Oktober 2023 sollte die Konferenz in Baku stattfinden. Diese musste schon damals aus Sicherheitsgründen abgesagt werden.
Im Juni diesen Jahres war zudem eine Konferenz der Organisation in Sarajevo abgesagt worden, nachdem ein bosnischer Minister erklärt hatte, die Hauptstadt seines Landes dürfe nicht zu einem Ort werden, »der Völkermord rechtfertigt«. Auch ein Hotel in Sarajevo hatte die Reservierungen der Rabbinerkonferenz gestrichen. Die CER-Konferenz im Juni fand daraufhin in München statt. Imanuel Marcus und Mascha Malburg