Pandemie

Zeit der Schnupfnasen - Vermehrt Infekte bei Kindern erwartet

Foto: imago images/Panthermedia

Mehrere Infekte pro Jahr - bei Kindern ist das nicht ungewöhnlich. Doch in der Pandemie mit Homeschooling und zeitweise geschlossenen Kitas, mit Masken, Kontaktbeschränkungen und Abständen wurde nicht nur das Coronavirus zurückgedrängt: Auch eine Reihe anderer Krankheiten trat seltener auf als üblich. Das Robert Koch-Institut (RKI) in Berlin verzeichnete etwa sehr niedrige Zahlen anderer akuter Atemwegsinfektionen. Eine Grippewelle baute sich vergangene Saison gar nicht erst auf.

Mit der geplanten Rückkehr zu mehr Normalität mit Präsenz an Schulen in diesem Herbst und Winter rechnen Fachleute jedoch damit, dass Kinder und Jugendliche Infekte nachholen. Zum befürchteten Corona-Anstieg gerade in diesen oft ungeimpften Gruppen dürften demnach einige Erkältungen und Grippe hinzukommen.

Nach dem Ende von Lockdowns in mehreren Staaten, darunter in Teilen der USA und in Israel, ist bereits über vermehrte Erkrankungen durch das Respiratorische Synzytial-Virus (RS-Virus) berichtet worden.

»Da man bei Husten und Fieber erst einmal an Corona denken muss, sich sicherheitshalber in Quarantäne begeben und das Testergebnis abwarten muss, dürfte das ein erheblicher Störfaktor für den Schulbetrieb werden«, erwartet der Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Immunologie, Carsten Watzl, wie er der Deutschen Presse-Agentur sagte.

Nach dem Ende von Lockdowns in mehreren Staaten, darunter in Teilen der USA und in Israel, ist bereits über vermehrte Erkrankungen durch das Respiratorische Synzytial-Virus (RS-Virus) berichtet worden. Der Erkältungserreger geht normalerweise hauptsächlich in den Wintermonaten um, breitete sich nun aber in der wärmeren Jahreszeit aus. »Kinder gehen wieder zur Schule, sehen Freunde und haben wieder ein normales Leben, und diese Viren rächen sich«, zitierte die Zeitung »Jerusalem Post« im Juni einen Mediziner.

Kinderärzte in Deutschland registrierten durch das RS-Virus ausgelöste Erkältungen bislang im Sommer »ein bisschen vermehrt«, sagte der Sprecher des Berufsverbands der Kinder- und Jugendärzte, Jakob Maske, der Deutschen Presse-Agentur. »Wir sehen das aber relativ gelassen.« Kinder holten die Infekte nach, die sie in der Corona-Zeit verpasst hätten.

»Das RS-Virus ist ein normaler Erkältungserreger, nach dem man normalerweise nicht suchen würde. Die Gefährdung dadurch ist nicht vergleichbar mit der durch Corona oder Grippe«, sagte er. Zu den bestimmten Gruppen, für die das Virus ein Risiko darstelle, gehörten extrem Frühgeborene und vorerkrankte Neugeborene, für die aber die Möglichkeit zur Vorbeugung mit einer Antikörper-Gabe bestehe.

Drohen Infekte bei Kindern nach der Corona-Zeit nun schwerer auszufallen, weil das Immunsystem weniger trainiert ist?

Das RKI schreibt in einer Herbst-Winter-Strategie, dass nun von einer zusätzlichen Zahl an Kindern und Jugendlichen auszugehen sei, die für akute Atemwegsinfekte empfänglich sind. Dies könne sowohl zu einer Verschiebung saisonaler Erkrankungswellen »als auch zu einer größeren Zahl und ggf. auch einer Zunahme schwerer Erkrankungen« führen. Präventions- und Versorgungsmöglichkeiten zu Influenza, RSV-Erkrankungen und Lungenentzündungen, insbesondere bei Kindern und in der älteren Bevölkerung, sollten vorbereitet werden, so das RKI.

Es sei normal und positiv zu sehen, dass Kinder Infekte durchmachen, sagte der Berliner Kinderarzt Maske. »Sicherlich werden wir leichte Formen davon in den nächsten Monaten vermehrt sehen. Die Hauptschwierigkeit wird sein, bei der Schnupfnase zu unterscheiden, ob es Corona oder eine banale Erkältung ist.« Für Eltern werde dies auch wieder einigen Ärger und Unsicherheit bedeuten. »Aber wir werden das wieder wuppen.«

Je nach Erreger gebe es unterschiedliche Ursachen, aus denen man sie sich einfängt, erklärt der Immunologe.

Drohen Infekte bei Kindern nach der Corona-Zeit nun schwerer auszufallen, weil das Immunsystem weniger trainiert ist? Immunologe Watzl geht von mehr Erkrankungen, aber nicht zwangsläufig von schwereren Verläufen aus. »Das Immunsystem darf man sich nicht als Muskel vorstellen, der sich in der Pandemie zurückgebildet hat.« Auch mit den Maßnahmen zum Schutz vor Corona habe es noch genug zu tun gehabt, zum Beispiel weil Keime nicht nur mit der eingeatmeten Luft, sondern etwa auch mit dem Essen aufgenommen würden.

Je nach Erreger gebe es unterschiedliche Ursachen, aus denen man sie sich einfängt, erklärt der Immunologe: »Rhinoviren etwa bekommt man, weil sich das Virus ständig verändert und dem Immunsystem somit neu erscheint. Es liegt nicht an mangelnder Erfahrung.« Bei den normalen Erkältungscoronaviren und dem RS-Virus sei man nach einer gewissen Zeit einfach wieder fällig. Bei solchen Infektionen »sind jetzt mehr Menschen wieder »dran«, da viele sich ihre Immunität nicht letzte Saison abgeholt haben«, erläutert Watzl. »Bei diesen Infektionen kann man daher eine höhere Zahl als normal erwarten. Bei den Rhinoviren zum Beispiel gehe ich nicht von einer höheren Anzahl aus.«

Für Kinderarzt Maske ist es daher keine Frage: Kitas und Schulen sollten auch bei steigenden Inzidenzen unbedingt geöffnet bleiben.

Auch trotz der befürchteten Corona-Verbreitung unter Kindern und Jugendlichen hält Kinderarzt Maske die Rückkehr zum Präsenzunterricht mit Hygienemaßnahmen und Testen für alternativlos. »Kinder sind eine relativ sichere Gruppe. Sie erkranken meistens nicht, wenn sie sich mit Corona infizieren. Das gilt auch für die neuen Virusvarianten«, sagte Maske. Über das Ausmaß von Langzeitfolgen, Long Covid genannt, wisse man zwar noch nicht genug. »Wir sehen jedoch bisher bei Kindern und Jugendlichen weitaus mehr negative Folgen von Isolation und Pandemiemaßnahmen als von Corona und Long Covid.« Mehrere Studien zeigten vor allem psychische Belastungen.

Für Kinderarzt Maske ist es daher keine Frage: Kitas und Schulen sollten auch bei steigenden Inzidenzen unbedingt geöffnet bleiben, appelliert er. Nach den harten Einschnitten für diese Gruppen in den vergangenen Monaten sei Solidarität mit ihnen gefragt. »Erwachsene müssen sich zum Schutz der Kinder gegen Covid-19 impfen lassen, nicht umgekehrt«, betonte Maske. Der Ständigen Impfkommission (Stiko), die die Corona-Impfung bislang nur vorerkrankten Kindern ab 12 Jahren empfiehlt, stärkte er den Rücken: »Es ist unglaublich, dass manche Politiker jetzt Kinder-Impfungen empfehlen.«

Nachruf

Sie trug ein strassbesetztes Krönchen

Tovia Ringer überlebte die Konzentrationslager Groß-Rosen und Schömberg, bevor sie 1948 nach Israel emigrierte. Nun ist die »Miss Holocaust Survivor 2018« im Alter von 102 Jahren gestorben

von Sara Klatt  18.09.2025

Kurznachrichten

Hotel, Datteln, Pilger

Meldungen aus Israel

von Sabine Brandes  18.09.2025

Tel Aviv

Israel: Entwicklung von Laser-Abwehrwaffe abgeschlossen

Das Hochleistungs-Lasersystem »Iron Beam« markiert einen Wendepunkt: Präzise, schnell und überraschend günstig. Wie verändert dies Israels Schutz vor Bedrohungen aus feindlichen Ländern der Region?

 18.09.2025

Meinung

Die Tränen des Kanzlers

Bei seiner Rede in München gab Friedrich Merz ein hochemotionales Bekenntnis zur Sicherheit jüdischen Lebens ab. Doch zum »Nie wieder dürfen Juden Opfer werden!« gehört auch, den jüdischen Staat nicht im Stich zu lassen

von Philipp Peyman Engel  18.09.2025 Aktualisiert

Gaza

»Gebt mir mein Mädchen zurück!«

Ifat Hayman fleht, dass ihre Tochter Inbar, die letzte weibliche Geisel der Hamas, zur Bestattung zurückgebracht wird

von Ifat Hayman  17.09.2025

Europäische Union

Wie die EU-Kommission Israel sanktionieren will

Ursula von der Leyens Kommission will Israel alle Handelsvergünstigungen streichen. Doch eine Mehrheit der Mitgliedsstaaten ist (noch) nicht in Sicht. Die Hintergründe

von Michael Thaidigsmann  17.09.2025

Israel

»The Sea« erhält wichtigsten israelischen Filmpreis

In Reaktion auf die Prämierung des Spielfilms über einen palästinensischen Jungen strich das Kulturministerium das Budget für künftige »Ophir«-Verleihungen

von Ayala Goldmann  17.09.2025

Politik

»Geradeaus« mit Gadi Eizenkot

Zu den Gründungsmitgliedern der neuen Partei des früheren Stabschefs gehört auch die Tochter einstiger Hamas-Geiseln

von Sabine Brandes  17.09.2025

Jerusalem

Netanjahu kündigt Treffen mit Trump an, warnt Hamas und kritisiert Katar

Vor seinem Besuch im Weißen Haus will der Ministerpräsident vor den Vereinten Nationen sprechen

 17.09.2025