Diplomatie

Wenig effektiv

Boycott, Divestment and Sanctions: Die BDS-Bewegung fordert Boykotte israelischer Produkte und Dienstleistungen. Foto: Amr Nabil/AP

Man sollte meinen, BDS und Antisemitismus stehen auf der Dringlichkeitsliste in Jerusalem ganz oben. Die weltweite BDS-Bewegung fordert Boykotte von israelischen Produkten und Dienstleistungen, hetzt immer wieder zu Aktionen gegen Institutionen und den jüdischen Staat auf. Doch der staatliche Kontrolleur veröffentlichte jetzt einen Bericht, aus dem hervorgeht, dass die Regierung wenig effektiv ist bei der Bekämpfung der feindlich gesinnten Phänomene.

Zunächst beschreibt der Bericht die Bewegung: »Es handelt sich um Aktionen verschiedener internationaler, antiisraelischer Organisationen, die darauf abzielen, Israel zu delegitimieren, sowohl auf der ethischen als auch auf der politischen Ebene, in verschiedenen Ländern der ganzen Welt. Israel wird als einziger Apartheid-Staat gezeichnet, und dies fügt dem Staat durch akademische, kulturelle, finanzielle und Handelsboykotte tatsächlichen Schaden zu.«

Auf der Website der Bewegung wird neben dem Konterfei von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu verkündet, dass die israelische Regierung »die BDS-Bewegung attackiert«, indem sie »Meinungsfreiheit angreift, Menschenrechtsaktivisten bedroht und Aktivisten ausspioniert«. Dem Kontrolleur Joseph Shapira zufolge geschieht allerdings tatsächlich recht wenig in Sachen staatlicher Boykott-Konter. Unverblümt schildert der jüngste Bericht des staatlichen Überwachungsbeauftragten, wie wenig erfolgreich die Regierung in dieser Angelegenheit ist.

Verwirrung Natürlich seien den Verantwortlichen die Entwicklungen nicht entgangen, so Shapira. Und dennoch habe es noch bis zum Ende des vergangenen Jahres Verwirrung darüber gegeben, welche Ministerien oder Behörden zuständig sein sollen. Im Endeffekt entschied das Sicherheitskabinett im Oktober 2015, dass die Experten für Strategie diese Aufgabe übernehmen und einen Teil an das Diaspora- sowie das Außenministerium delegieren sollen.

Doch das, ist Shapira überzeugt, sei eine Fehlentscheidung. Denn den beiden anderen Ministerien fehle es im Vergleich zu den Kollegen im Außenamt an mehr als 100 Delegierten, die sich an häufig strategisch günstigen Orten im Ausland befinden und sich in ihrer Region auskennen. Zudem ist es wahrscheinlich, dass diese bereits Anti-BDS-Allianzen mit Israel freundlich gesinnten Organisationen und Gruppierungen geschmiedet haben.

Die Abteilung im Außenministerium aber besteht lediglich aus zwei Personen, und die hätten bis heute keine klaren Maßnahmen formuliert. »Statt zusammen an einem gemeinsamen Ziel zu arbeiten«, resümiert Shapira, »streiten die Ministerien über Zuständigkeiten. Und das ist bis heute nur schlimmer geworden.« Bis dato ist zudem der Stuhl des Außenministers unbesetzt. De facto hat Premier Benjamin Netanjahu das Amt inne, doch Experten sind sich einig: Dafür hat dieser überhaupt keine Zeit.

effektivität Wie effektiv die Aktionen der BDS-Bewegung indes mittlerweile sind, weiß Yossi Shain, Professor für Politikwissenschaft und Leiter des Abba-Eban-Zentrums für Diplomatie an der Tel Aviver Universität. »Der Boykott ist extrem effektiv, in dem Sinne, dass er die Herzen und Köpfe der Menschen durchdringt, auf der ganzen Welt Stimmung gegen Israel macht und immer bekannter wird.

Die Idee, israelische Produkte und Dienstleistungen zu schmähen, steht dabei über allem.« Auch sei sie wirksam an den Universitäten und Hochschulen der Welt, indoktriniere und ändere die Meinung vieler junger Menschen. »Dies macht BDS zu einer effektiven Bewegung und stellt damit ein großes Problem für Israel dar, weil es unserem Staat das Existenzrecht abspricht.«

Amnesty International stellte derweil zwei israelische Politiker an den Pranger, die sich gegen die Aktivisten von BDS ausgesprochen hatten. Transportminister Israel Katz sagte, dass man die Anführer der Bewegung gezielt »zivil eliminieren« solle, Gilad Erdan, zuständig für Strategische Angelegenheiten, fügte hinzu, dass diese Personen »den Preis für ihre Aktionen zahlen müssen«. Allerdings, so Erdan weiter, wolle er keine »physischen Schädigungen«.

Shain wisse von diesen Äußerungen nichts, und der Leiter der diplomatischen Mission der Europäischen Union in Tel Aviv, Lars Faaborg-Andersen, weigerte sich auf einer Konferenz gegen den Boykott, die Äußerungen der Minister »zu interpretieren oder zu verdammen«.

Effekt So wirkungsvoll die Aktionen der Boykottorganisatoren auch seien, Shain glaubt nicht, dass sie bislang große Effekte erzielt haben, die sich in Zahlen ausdrücken lassen. »Aber der Geist der Boykottbewegung und die Tatsache, wie sehr er sich im öffentlichen Leben, zum Beispiel in den USA, einschleicht, ist äußerst gefährlich.«

Und tatsächlich, meint Shain, tue Israel nicht genug, um dem Boykott entgegenzuwirken. »Der Bericht des staatlichen Kontrolleurs ist richtig, die gesamte bürokratische Antwort äußerst mangelhaft.« Hauptsächlich, so der Experte, liege das am zersplitterten Außenministerium und der ebenso fragmentierten Außenpolitik der Regierung sowie der unklaren Botschaft diesbezüglich. Zudem seien die Zuständigkeiten im Ministerium für Strategische Angelegenheiten noch nicht eingesetzt.

Knesset Ein Treffen des Knesset-Komitees für Außenangelegenheiten und öffentliche Diplomatie im Mai legte Zahlen vor, die zeigen, dass lediglich acht Prozent vom jährlichen Budget des Außenministeriums für diplomatische Aktivitäten ausgegeben werden. Viel zu wenig, meinen viele.

Schon Avigdor Lieberman hatte in seiner Zeit als Außenminister häufig beklagt, dass der Haushalt für öffentliche Meinungsbildung in seinem Ressort weniger als eine Million Euro pro Jahr beträgt. »Von welchen Maßnahmen gegen BDS wollen wir da reden.«

All das sei Grund dafür, dass Israel nicht ausreichend auf die Herausforderung der BDS-Bewegung reagiert hat, ist Shain überzeugt. Doch das sollte die Regierung besser tun. »Denn diese Herausforderung ist genauso groß und real wie die Bedrohung unserer Sicherheit.«

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