Rückkehr

Rettungsanker Kunst

Dass es mit der Galerie Be’eri weitergeht, grenzt für deren Leiterin Sofie Berzon MacKie an ein Wunder. Nur wenige Monate, nachdem Hamas-Terroristen den Kibbuz Be’eri im Negev zu einem Symbol für Tod und Zerstörung gemacht haben, wird die Galerie in ihrem neuen, temporären Zuhause in Tel Aviv in wenigen Wochen wiedereröffnen. Drei Jahre lang soll sie dort bleiben, im Herzen von Süd-Tel Aviv, im Kulturzentrum Beit Romano, das auch Heimat des bekannten Teder.FM Clubs ist.

Parallel dazu wird mit dem Wiederaufbau des Kibbuz auch eine neue Galerie Be’eri geplant. Unter anderem will die deutsche Bundesregierung dem bedeutenden Ort für Kunst im Negev finanziell helfen. Das hatte Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier im vergangenen November bei seinem Besuch im zerstörten Kibbuz angekündigt. Insgesamt sieben Millionen Euro sollen es für Be’eri sein.

Auf dem Programm für dieses Jahr stehen die bereits geplanten Ausstellungen. Arbeiten, die speziell für den Raum in Be’eri konzipiert wurden, müssten natürlich an die neuen Räumlichkeiten angepasst werden, sagt Berzon MacKie. »Manche Werke müssen auch inhaltlich neu konzipiert werden, weil sie nach dem 7. Oktober nicht mehr relevant sind.«

Die Gründerin ist unter den Ermordeten

Gegründet wurde die Galerie 1986 von Orit Svirsky, die zu den Ermordeten des 7. Oktober gehört. Anfangs war es ein kleiner Ausstellungsort für die Kibbuzgemeinschaft. 1994 übernahm Ziva Yalin die Leitung, die auch heute noch eng mit Berzon MacKie zusammenarbeitet, und machte die Be’eri-Galerie zu einer Institution mit Rang und Namen in der israelischen Kunstszene, zu einem wichtigen kulturellen Ort in der sogenannten Peripherie, abseits des urbanen Zentrums des Landes, und zu einem Magneten für israelische Shootingstars wie die Fotografin Angelika Sher und die Malerin Miriam Cabessa.

Im Laufe der Jahre kamen immer wieder angesehene Künstler nach Be’eri, um ein bisschen im Kibbuz zu verweilen und von dem Ort inspirierte Werke zu schaffen. Sie kamen, um für kurze Zeit Teil der besonderen, kollektiv organisierten Gemeinschaft zu werden, die den Gründungsmythos Israels symbolisiert. Rund 400 Ausstellungen hat es in der fast 40-jährigen Geschichte der Galerie Be’eri gegeben. Dann kam der 7. Oktober.

Als Berzon MacKie mit ihrer Familie aus dem von Terroristen überrannten Kibbuz floh, habe sie zunächst gar nicht verstanden, dass sie alle heimatlos geworden waren: »Wir haben sehr schnell mitbekommen, dass die Galerie abgebrannt war, aber es dauerte eine Weile, bis wir begriffen, dass es keinen Ort mehr gibt, an den wir zurückkehren können. Wir hatten Sachen für zwei, drei Tage dabei. Niemand informierte uns, keiner verstand die Situation. Als wir das Ausmaß der Zerstörung verstanden, war das ein enormer Bruch. Ich dachte: Was jetzt? Und dann: Ich will weiterleben!«

»Es dauerte, bis wir begriffen, dass es keinen Ort mehr gibt, an den wir zurückkehren können.«

Sofie Berzon MacKie

In den kommenden Wochen und Monaten ging sie auf viele Beerdigungen. Und der Plan der Wiederbelebung der Galerie war für Berzon MacKie inmitten von Trauer und Trauma ein Rettungsanker. Auf ihren Facebook-Post, dass sie ein temporäres Zuhause für die Galerie suche, bekam sie zahlreiche Antworten mit großzügigen Angeboten. Darunter auch von Revital Ben Asher Peretz, der Kulturbeauftragten der Stadt Tel Aviv.

Die organisierte innerhalb kürzester Zeit eine Auswahl möglicher Orte und besichtigte sie mit Sofie Berzon MacKie und Ziva Yalin. »Das war am 6. November. Ich habe mir genau überlegt, was ihnen guttun würde. Alle waren ja völlig traumatisiert. Die beiden entschieden sich sofort für das Beit Romano«, erzählt Ben Asher Peretz. »Dort ist es sehr grün, die Atmosphäre hat sie wahrscheinlich an den Kibbuz erinnert. Natürlich wollten sie eigentlich nicht hier sein. Sie wollten zu Hause sein.«

Ben Asher Peretz tat alles, um die Galerie Be’eri am Leben zu erhalten, denn es musste auch deshalb mehr oder weniger nahtlos weitergehen, damit die staatlichen Subventionen nicht unterbrochen würden. Für die rund 125.000 Euro Renovierungskosten fand sie Spender. Auch die Ortsmiete wird erlassen, und die Stadt Tel Aviv verzichtet auf die hohe monatliche Gemeindesteuer.

Ein Ort für die Gemeinschaft

Der Wiederaufbau von Be’eri wird Jahre dauern, und niemand weiß wirklich genau, wie es weitergehen wird. Zurzeit ist Berzon MacKie mit ihrer Familie und der Mehrheit der überlebenden Be’eri-Bewohner in einem Hotel am Toten Meer untergebracht. Wer Kinder hat, wolle nicht zurückkehren, bis nicht ein Gefühl der Sicherheit wiederhergestellt sei. Aber eines sei ihr klar: »Die künftige Galerie soll weiterhin nicht nur ein bedeutender Ort für israelische Kunst sein, sondern vor allem auch der Gemeinschaft dienen«, sagt Berzon MacKie.

»Wichtig ist, dass Kinder und Jugendliche mit Kunst und Kultur aufwachsen.«

Ziva Yalin

Die ehemalige Leiterin Ziva Yalin verbringt inzwischen wieder einige Tage pro Woche im Kibbuz. Auch sie betont die Bedeutung der Gemeinschaft: »Ich glaube, nicht allen Kibbuzbewohnern war klar, wie professionell und landesweit relevant unsere Galerie ist. Mir war es immer wichtig, dass die Menschen im Kibbuz unsere Ausstellungen besuchen. Ich habe sogar unsere Events mit den Uhrzeiten der gemeinsamen Mahlzeiten im Speisesaal abgestimmt.«

Nicht jeder müsse kunstaffin sein, so Yalin weiter. »Aber Kunst sollte ein ständiger Begleiter im Alltag sein. Es ist wichtig, dass Kinder und Jugendliche damit aufwachsen, dass Kunst und Kultur für sie ein selbstverständlicher Teil des Lebens sind.« Genau das ist ihr und Sofie Berzon MacKies Ziel für die Zukunft, für ein neues Leben in ihrem alten Zuhause.

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