Nahost

8 Tote und Hunderte verletzte Israelis durch neue Angriffe aus Iran

In Bnai Brak bei Tel Aviv suchen Helfer unter Gebäudeteilen begrabene Bewohner. Foto: picture alliance / ASSOCIATED PRESS

Während Israel dem Machtapparat in Teheran einmal mehr schwere Schläge versetzt, feuert der Iran weitere Raketen auf den jüdischen Staat ab. Obwohl die Verteidigungssysteme in Israel aktiviert wurden, gab es nach Angaben des Rettungsdienstes Magen David Adom mehrere Einschläge im Zentrum des Landes. Mindestens acht Menschen starben, Hunderte wurden zum Teil schwer verletzt.

Damit wurden in diesem direkten Krieg mit dem Iran insgesamt 24 Menschen in Israel getötet und Hunderte weitere verletzt, wie israelische Medien bestätigen. In Haifa kam es nach den Attacken zu einem großen Brand. Häuser und Fahrzeuge standen in Flammen.

Die Bevölkerung in Israel könne die Schutzräume inzwischen wieder verlassen, teilte das Militär auf Telegram mit. Such- und Rettungskräfte waren nach Armeeangaben an mehreren Orten im ganzen Land im Einsatz. Zuvor hatte die israelische Luftwaffe nach eigenen Angaben erneut Abschussrampen für Boden-Boden-Raketen im Landesinneren des Iran angegriffen.

Militär: Ein Drittel der iranischen Abschussrampen zerstört

Das israelische Militär hat nach eigenen Angaben in der Nacht ein Drittel der Abschussrampen für Boden-Boden-Raketen im Iran zerstört. Der Sprecher Effie Defrin sagte, an dem Angriff seien mehr als 50 Kampfjets und Flugkörper beteiligt gewesen. Sie hätten mehr als 120 iranische Abschussrampen zerstört. Es seien auch Raketenlager und Einrichtungen zur Raketenherstellung getroffen worden. 

Defrin sagte zudem, in der Nacht seien 65 Raketen und Dutzende Drohnen vom Iran auf Israel abgefeuert worden. Dies sei aber nur die Hälfte dessen, was das iranische Militär abschießen wollte, die Angriffe seien aber vereitelt worden, sagte er. »Man kann jetzt sagen, dass wir volle Luftüberlegenheit im Himmel über Teheran erreicht haben«, sagte Defrin weiter. Man greife Einheiten an, die dabei seien, Raketen auf Israel und auf israelische Flugzeuge abzufeuern.

Bundesregierung berät über Evakuierung Deutscher aus Israel

Die Bundesregierung berät derweil über Optionen für eine mögliche Evakuierung deutscher Bürger aus Israel. Nachdem die EU-Staaten Polen und Tschechien bereits begonnen haben, ihre Landsleute in Sicherheit zu bringen, verwies ein Sprecher des Auswärtigen Amtes in Berlin darauf, dass einige europäische Partner sehr viel weniger Staatsangehörige vor Ort hätten als Deutschland. 

»Aber noch mal: Wir gucken uns auch alle Optionen an«, sagte der Sprecher. Wegen des gesperrten Luftraums entfalle dieser Ausreiseweg zunächst. Am Montag tagte erneut der Krisenstab der Bundesregierung.

Das Auswärtige Amt rief alle deutschen Staatsbürger in der Region auf, sich in die Krisenvorsorgeliste Elefand einzutragen, um direkt ansprechbar zu sein. »Für Israel kann ich berichten, dass die Elefand-Liste im Moment auf knapp 4000 Personen angeschwollen ist, also die Zahlen dort hochgehen«, sagte der Sprecher. Gleiches sei für Iran der Fall, wo es knapp 1000 Eintragungen gebe.

Chef der Revolutionsgarden tot

Im zentralisraelischen Bnai Brak bargen Rettungskräfte am Morgen die Leiche eines älteren Mannes. Zuvor hatten Magen David Adom-Helfer in Petah Tikva zwei ebenfalls ältere Frauen und einen Mann tot geborgen. Zwei der Opfer befanden sich in einem Schutzraum, der direkt getroffen wurde. Weiterhin wurden Bewohner unter Gebäudetrümmern in vermutet.

Die iranische Nachrichtenagentur Tasnim bestätigte den Tod des Chefs des Geheimdienstes der mächtigen Revolutionsgarden - Irans Elitestreitkräfte - und seines Stellvertreters. Mohammed Kasem und Hassan Mohaghegh seien bei den Angriffen auf die Hauptstadt Teheran umgekommen. Schon zuvor waren führende Militärs und Atomwissenschaftler gezielt von Israel getötet worden.

Medienberichten zufolge wurden in Teheran auch das Ölministerium, die Polizeidirektion sowie andere staatliche Einrichtungen angegriffen. Zuvor war bereits von Angriffen auf das Verteidigungsministerium, auf eine staatliche Atom-Forschungsorganisation und auf ein Öllager in der Millionenmetropole berichtet worden.

Will Israel Sturz der iranischen Führung?

Auf die Frage, ob letztlich auch die iranische Führung gestürzt werden solle, entgegnete der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu im Gespräch mit dem US-Sender Fox News: »Es könnte sicherlich das Ergebnis sein. Das iranische Regime ist sehr schwach.« Eine Mehrheit der Iraner würde die islamistische Staatsführung gerne loswerden, sagte er.

Einen Bericht der Nachrichtenagentur Reuters, wonach US-Präsident Donald Trump in den vergangenen Tagen Einspruch gegen israelische Pläne für die Tötung des iranischen Staatsoberhaupts Ajatollah Ali Chamenei eingelegt haben soll, wollte Netanjahu auf Nachfrage nicht näher kommentieren. Es gebe »viele falsche Berichte über Gespräche, die nie stattgefunden haben«, sagte er bloß.

Die als Sprachrohr der iranischen Revolutionsgarden geltende Nachrichtenagentur Tasnim verbreitete unterdessen Bilder von Häusern in Trümmern. Auf den Straßen, die aus Teheran hinausführten, bildeten sich Staus. Viele Menschen verlassen die Stadt aus Angst vor den israelischen Angriffen.

Lesen Sie auch

Expertin: Irans Atomprogramm nicht entscheidend beschädigt

Israel will mit den Angriffen verhindern, dass der Iran eine Atombombe bauen kann. Die Führung in Teheran betont dagegen, dass das Atomprogramm zivilen Zwecken diene.

Bei den Angriffen wurde nach israelischen Angaben unter anderem die Uran-Anreicherungsanlage Natans getroffen. Ein israelischer Beamter sagte dem »Wall Street Journal«, es gebe Anzeichen dafür, dass der unterirdische Teil der Atomanlage »implodiert« sein könnte. Er wies aber darauf hin, dass weitere Untersuchungen erforderlich seien.

Israel habe auch wichtige Teile der Lieferkette für die Herstellung einer Atombombe angegriffen, berichtete die Zeitung unter Berufung auf Beamte in Israel sowie Mitarbeiter der UN-Atomenergiebehörde. So seien in der Atomanlage in der Stadt Isfahan vier Gebäude zerstört worden, von denen zwei für die Herstellung einer Atomwaffe unverzichtbar seien. Nach Einschätzung der israelischen Iran-Expertin Sima Shine, die einst für den Auslandsgeheimdienst Mossad arbeitete, sind dem iranischen Atomprogramm bisher aber keine entscheidenden Schäden zugefügt worden.

Irans Raketenprogramm ebenfalls Ziel

Die größte Herausforderung für Israel bleibe die Zerstörung der tief in einem Berg gelegenen und damit am besten gesicherten iranischen Atomanlage in Fordo, wo Uran angereichert wurde, schrieb das »Wall Street Journal«. Viele Experten glaubten, dass die Atomanlage Fordo nur mit einer sogenannten Bunkerbrecher-Bombe zerstört werden könne. Anders als der Verbündete USA verfügt Israel übereinstimmenden Medienberichten zufolge jedoch weder über diese schweren Bomben noch über die zum Abwurf notwendigen großen Militärflugzeuge.

Der weitere Kriegsverlauf werde darüber entscheiden, ob Israel das angestrebte Ziel erreichen wird, das iranische Atomprogramm zu zerstören oder um Jahre zurückzuwerfen, schrieb die US-Zeitung. Ein Scheitern könne den Iran dazu veranlassen, seine - von Teheran immer wieder bestrittenen - Bemühungen zum Bau einer Atombombe zu beschleunigen.

Als weiteren Grund für die Angriffe im Iran hatte Israels Regierungschef Netanjahu das Raketenprogramm der Islamischen Republik genannt. Die israelische Luftwaffe begann nach eigenen Angaben eine Serie von Angriffen auf Dutzende Ziele im Westen des Irans, wo Boden-Boden-Raketen stationiert sein sollen.

Luftüberlegenheit bis nach Teheran

Nach israelischen Medienberichten verfügt der Iran schätzungsweise noch über rund 2000 solcher Raketen. Inzwischen hat Israels Militär aber nach Angaben eines Sprechers die Luftüberlegenheit vom Westen des Irans bis nach Teheran erlangt. Das könnte es dem Iran immer schwieriger machen, Israel anzugreifen.

US-Präsident Trump hat sich derweil offen gezeigt für die Idee, dass Kremlchef Wladimir Putin in dem Krieg als Vermittler agieren könnte. »Ich wäre offen dafür«, sagte Trump dem Fernsehsender ABC dazu. Putin habe ihn deswegen angerufen. Russlands Präsident, der vor dreieinhalb Jahren den Überfall auf die Ukraine befohlen hatte, bot sich nach Angaben des Kremls in einem Telefonat mit Trump am Samstag selbst als Vermittler im Konflikt zwischen Israel und dem Iran an. Russland hat enge Beziehungen zum Iran und von dort unter anderem massenhaft Drohnen für seinen Angriffskrieg gegen die Ukraine bezogen.

Unterdessen berichteten israelische und amerikanische Medien, die US-Luftwaffe sei dabei, viele Tankflugzeuge der Typen KC-135 und KC-46 von Amerika aus über den Atlantischen Ozean zu fliegen. Dies könnte mit dem Krieg gegen den Iran zu tun haben. dpa/ja

Nahost

Israels Armee: Wir müssen uns auf längeren Einsatz einstellen

Israel hat sich nach Angaben des israelischen Generalstabschefs seit Jahren auf den Krieg mit dem Iran vorbereitet. Ejal Zamir sprach vom komplexesten Einsatz in Israels Geschichte

 20.06.2025

Krieg

Luftwaffe fliegt Deutsche aus Israel aus. Die Maschinen sind auf dem Rückweg in die Bundesrepublik

Die Hintergründe

von Anna Ringle  20.06.2025

Interview

Warum gehen die Grünen auf Distanz zu Israel, Frau Brantner?

Die grüne Bundesvorsitzende erläutert, warum sie deutsche Rüstungsexporte einschränken und israelische Minister sanktionieren, aber trotzdem solidarisch mit Israel sein will

von Michael Thaidigsmann  20.06.2025

Israel

Verletzte in Haifa nach erneutem Raketenangriff aus dem Iran

Aus dem Iran werden wieder ballistische Raketen Richtung Israel gefeuert. Ein Geschoss soll in der Stadt Haifa mindestens drei Menschen verletzt haben

 20.06.2025

Israel

Im permanenten Ausnahmezustand

Wie gehen Israelis nach den Angriffen gegen Ziele im Iran mit den Gegenangriffen um? Unsere Autorin hat unter ihren Freunden und Bekannten ein Stimmungsbild eingeholt

von Sarah Maria Sander  20.06.2025

Nahost

Herzog unterstützt Krieg gegen Iran »uneingeschränkt«

»Wir mussten diese Bedrohung beseitigen«, sagt der Präsident

 20.06.2025

Nahost

Katz: Armee soll Angriffe auf staatliche Ziele im Iran verstärken

Israels Verteidigungsminister bestätigt, das Regime in Teheran destabilisieren zu wollen

 20.06.2025

Interview

»Irans Ziel scheint es zu sein, diesen Krieg so lange wie möglich zu führen«

Sarit Zehavi, Gründerin des Think Tanks Alma, über Irans Raketenarsenal, die Reaktion des Mullah-Regimes auf die israelischen Angriffe und seine Möglichkeit, einen Abnutzungskrieg zu führen

von Nils Kottmann  20.06.2025

Krieg

Fast kein Weg raus

Israelis werden aus dem Ausland zurückgeholt, doch es gibt kaum eine Möglichkeit auszureisen. Bürgerrechtsgruppen wollen den Obersten Gerichtshof anrufen

von Sabine Brandes  20.06.2025