Nahost

Israel wägt nach Irans Angriff Optionen ab

Generalstabschef Herzi Halevi am Dienstagfrüh auf der Luftwaffenbasis Nevatim Foto: picture alliance / Xinhua News Agency

Israel will auf den Drohnen- und Raketenangriff des Iran reagieren, ohne internationalen Rückhalt zu verlieren. Man wäge die weiteren Schritte ab, sagte der israelische Generalstabschef Herzi Halevi am Montag. Auf einen Angriff mit so vielen Raketen auf Israel werde eine Reaktion folgen.

Zugleich fügte Halevi hinzu: »Der Angriff des Iran hat neue Möglichkeiten für die Zusammenarbeit im Nahen Osten geschaffen. Wir bewerten die Lage und halten uns auf höchstem Niveau bereit.«

Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu betonte einem Bericht des israelischen Rundfunksenders Kan zufolge bei einem Treffen mit Ministern seiner Likud-Partei, auf den Angriff des Irans müsse eine kluge Reaktion folgen. Der Iran solle nervös darauf warten müssen, so wie es Israel vor dem Angriff am späten Samstagabend ergangen sei.

Verschiedene Szenarien

Am Montag war erneut das israelische Kriegskabinett zusammengetreten. Eine offizielle Stellungnahme zu Ergebnissen des Treffens gab es zunächst nicht. Der Fernsehsender Channel 12 berichtete ohne Angabe von Quellen, es seien verschiedene Szenarien erörtert worden, wie auf den iranischen Großangriff reagiert werden könne. Israels Ziel ist es demnach, dem Iran zu schaden, ohne einen umfassenden Krieg auszulösen.

Die US-Regierung wollte sich nicht öffentlich zu einem möglichen Gegenschlag Israels äußern. »Wir werden den Israelis das Wort überlassen«, sagte der Kommunikationsdirektor des Nationalen Sicherheitsrates, John Kirby, am Montag. Die USA seien nicht an dem Entscheidungsprozess beteiligt.

Israels Militär hatte bei der erfolgreichen Abwehr des iranischen Angriffs Unterstützung der USA, Großbritanniens, Frankreichs und Jordaniens bekommen. Die USA bekräftigten nach dem Angriff auch ihr »eisernes Bekenntnis« zu Israels Sicherheit. Allerdings will sich Washington an einem möglichen Gegenangriff nicht beteiligen und dringt wie andere Verbündete auf eine Deeskalation.

Wichtiger Aspekt

Auf die Frage, ob die USA besorgt seien, dass ein israelischer Gegenangriff amerikanische Streitkräfte in der Region gefährden könne und die USA sich deshalb nicht beteiligen wollten, erklärte Pentagon-Sprecher Pat Ryder am Montag, es liege an Israel, zu entscheiden, ob es auf den Angriff reagieren werde oder nicht.

Der iranische Angriff habe gezeigt, wie wichtig Israels Beziehungen zu den USA wie auch zu anderen Partnern seien, schrieb das »Wall Street Journal« am Montag. Analysten zufolge werde dies wahrscheinlich ein wichtiger Aspekt sein, wenn Israel - das vorher wegen seines harten Vorgehens im Gaza-Krieg zunehmend isoliert war - seinen nächsten Schritt abwäge.

Mit den von ihm unterstützten Terrororganisationen Hamas, Hisbollah und den Huthi verbreitet das iranische Regime seit vielen Jahren Terror in der Region. Drohungen gegen Israel sind seit Jahren aus Teheran zu vernehmen.

Teil der Kalkulation

Auch die Kriegsziele im Kampf gegen die mit dem Iran verbündete Hamas im Gazastreifen dürften demnach Teil der Kalkulationen Israels sein, einschließlich der geplanten Offensive gegen die mit Flüchtlingen überfüllte Stadt Rafah im Süden des abgeriegelten Küstengebiets.

Israels Verteidigungsminister Joav Galant erörterte am Montagabend mit Vertretern seines Ministeriums und der für Kontakte mit den Palästinensern und humanitäre Hilfe zuständigen Cogat-Behörde das weitere Vorgehen in Rafah. Nach Angaben der Regierungspressestelle ging es bei dem Treffen vor allem um die Evakuierung von Zivilisten aus der Stadt und die Ausweitung von Lebensmittel- und Medikamentenlieferungen.

Vor dem iranischen Großangriff auf Israel hatte Regierungschef Netanjahu verkündet, es gebe schon einen Termin für eine Offensive. Galant widersprach dem jedoch kurz darauf.

Neuer Atom-Deal?

In der EU werden unterdessen mögliche neue Sanktionen gegen den Iran erwogen. Wie mehrere Diplomaten am Montagabend nach Gesprächen von Vertretern der Mitgliedstaaten in Brüssel sagten, dürfte das Thema an diesem Dienstag bei einer Videoschalte der Außenminister auf den Tisch kommen.

Neue Strafmaßnahmen könnten demnach über eine Sanktionsregelung verhängt werden, die nach dem Beginn der iranischen Unterstützung des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine durch Drohnenlieferungen eingerichtet wurde. Über sie wurde bislang unter anderem die Ausfuhr von Bauteilen in den Iran verboten, die für den Bau und die Produktion von Drohnen verwendet werden. Zudem sind auch Personen und Organisationen von Strafmaßnahmen betroffen.

Gegen neue scharfe Sanktionen könnte laut Diplomaten allerdings das Risiko einer Eskalation sprechen. So will der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell weiter versuchen, den Iran dazu bewegen, wieder ein Abkommen zur Einschränkung seines Nuklearprogramms einzuhalten. Es soll verhindern, dass der Iran eine Atombombe baut.

»Gesunder Menschenverstand«

Bei der wegen des iranischen Angriffs auf Israel einberufenen Videokonferenz am Dienstag soll grundsätzlich darüber gesprochen werden, wie die Europäische Union zu einer Deeskalation in der Region beitragen kann.

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan telefonierte nach Angaben seines Büros mit dem Emir von Katar und forderte angesichts des Gaza-Krieges eine verstärkte Zusammenarbeit islamischer Länder. Diese müssten ihre Bemühungen verstärken, um Israels »brutale Angriffe« im Gazastreifen zu stoppen und das Land für »Verbrechen gegen die Menschlichkeit« zur Rechenschaft zu ziehen, hieß es am Montag in einer Mitteilung des Präsidialamts.

Es sei entscheidend, zügelnd auf Israel einzuwirken und mit »gesundem Menschenverstand« zu handeln, um eine Ausbreitung der Spannungen in der Region zu verhindern. Der iranische Angriff auf Israel wurde nicht einmal erwähnt. dpa/ja

Washington D.C.

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