Während Israel vor dem UN-Sicherheitsrat mehr internationalen Druck auf die islamistische Terrororganisation Hamas fordert, lösen Berichte über eine mögliche Einnahme des Gazastreifens durch Israel wie erwartet eine neue Welle der Kritik innerhalb der Weltorganisation aus. Ein solcher Schritt könne »katastrophale Folgen für Millionen Palästinenser« haben und das Leben der verbleibenden Geiseln in Gaza weiter gefährden, warnte der UN-Diplomat Miroslav Jenca in New York.
Israels Außenminister Gideon Sa’ar beschuldigte derweil Länder, die jüngst eine Anerkennung Palästinas als Staat angekündigt hatten, ein Waffenruhe-Abkommen zunichtegemacht zu haben. »Lassen Sie mich das klarstellen: Diese Länder haben den Krieg verlängert«, sagte Sa’ar bei einer von Israel beantragten Sitzung des UN-Sicherheitsrates.
Zuletzt hatten Frankreich und Kanada angekündigt, Palästina als Staat anzuerkennen. Großbritannien drohte Israel ebenfalls mit einem solchen Schritt, falls die israelische Regierung den Gaza-Krieg und das Leiden der palästinensischen Zivilbevölkerung nicht beenden sollte. Dabei wird die Situation der Menschen in dem Küstenstreifen durch ihre eigene Führung, die Hamas, verursacht. Sie begann den Krieg, missbraucht Bewohner als lebende Schutzschilde und stiehlt für sie bestimmte Hilfsgüter.
Bedingungslose Freilassung
Die Hamas trage mit ihrem Massaker vom 7. Oktober 2023 in Israel nicht nur die Verantwortung für den Beginn des Krieges, sondern auch für dessen Fortdauern, weil sie die Geiseln nicht freilasse und die Waffen nicht niederlege, sagte Sa’ar. »Der internationale Druck muss auf der Hamas liegen«, forderte der Außenminister im mächtigsten UN-Gremium. »Alles andere verlängert diesen Krieg nur.«
Die Terroristen setzten Folter und Hunger gezielt als Propagandamittel ein, sagte Sa’ar und bezog sich auf schockierende Hamas-Videos von abgemagerten Geiseln. Der zuständige UN-Vertreter Jenca verurteilte die Behandlung der Geiseln und bekräftigte die Forderung der Vereinten Nationen nach ihrer bedingungslosen Freilassung. Zugleich wies Jenca auf die katastrophale Situation hin, in der sich mehr als zwei Millionen Menschen im Gazastreifen wegen der Abschottung des Küstengebiets durch die israelischen Streitkräfte befänden. Nach UN-Angaben droht den Menschen in Gaza eine Hungersnot.
Die meisten Vertreter im UN-Sicherheitsrat erklärten in der Sitzung zwar ihr Mitgefühl mit den israelischen Geiseln, wiesen aber auch auf die Kriegsführung Israels mit angeblich Zehntausenden getöteten Zivilisten hin. Einige Diplomaten forderten von Israel ein Ende des Krieges und der Blockade Gazas, die allerdings auch von Ägypten aufrechterhalten wird.
Vollständige Einnahme
Der palästinensische UN-Botschafter Riad Mansur appellierte an Israel, in Verhandlungen einzutreten, obwohl sich die Hamas, die Gaza bisher regierte, weigert, ein Waffenstillstandsabkommen zu unterzeichnen. Sie will die verbleibenden 50 Geiseln, von denen 30 bereits tot sind, nicht freilassen.
Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu beriet sich unterdessen mit Armeechef Ejal Zamir über das weitere Vorgehen. Zamir habe dem Regierungschef mögliche Optionen für die Fortsetzung des seit 22 Monaten andauernden Krieges präsentiert, teilte Netanjahus Büro mit. Israelischen Medien zufolge war die vollständige Einnahme des abgeriegelten Gazastreifens nicht unter den vom Generalstabschef dargelegten Optionen.
Am Montag hatten mehrere israelische Medien übereinstimmend berichtet, Netanjahu dringe trotz Einwänden der Militärführung auf eine vollständige Einnahme des Gazastreifens. Das israelische Sicherheitskabinett müsste einen solchen Plan jedoch erst einmal billigen. Wie der TV-Sender N12 nun berichtete, soll das Gremium am Donnerstag zu Beratungen zusammenkommen. (mit ja)