Alija

»Ich bin kein Utopist«

Mit frischen Erdbeeren: Dan Elbaze in seinem »Yogurt Kitchen« am Rothschild-Boulevard Foto: Sabine Brandes

Er steht hinter der Theke im »Yogurt Kitchen« und füllt frische Erdbeeren in den Becher. Voller Vergnügen preist er die Vorzüge der gesunden Milchspeise. Dan Elbaze hat seinen Traumjob gefunden. Vor wenigen Jahren saß er noch mit Krawatte und Lackschuhen am Schreibtisch der größten Bank von Frankreich. Damals Paris – heute Tel Aviv. Zweieinhalb Jahre ist es her, dass Elbaze mit seiner Frau Avigaelle und dem gemeinsamen Baby Arié Alija machte. Allein im Jahr 2015 immigrierten fast 8000 Franzosen nach Israel, zehn Prozent mehr als im Jahr zuvor.

Und die Tendenz ist steigend, wie die Jewish Agency angibt, die Quasi-Regierungsorganisation, die sich um die Einwanderung von Juden aus der ganzen Welt kümmert. Die Rekordzahlen der französischen Olim Chadaschim folgten den Anschlägen von Toulouse, auf Charlie Hebdo, den jüdischen Supermarkt Hyper Cacher und den blutigen Terrorattacken vom 13. November 2015. Die Agency erwartet in diesem Jahr mindestens 10.000 Franzosen.

Krise Frankreich hat mit etwa 550.000 Juden die größte Gemeinde Europas. »Jeder hat seine Gründe, herzukommen«, meint der Sprecher der Organisation, Yigal Palmor, »die wirtschaftliche Krise, persönliche Sicherheit, Angst vor Terroranschlägen oder antijüdischer Stimmung.« Die israelische Regierung ruft die Juden in Frankreich auf, in den jüdischen Staat zu ziehen, die französische drängt sie zum Bleiben.

Ein Konflikt. Auch für Elbaze war es keine leichte Entscheidung, die Heimat hinter sich zu lassen. Doch er ist keiner, der den Weg des geringsten Widerstandes nimmt. Fünf Jahre lang studierte er in New York Finanzwesen und Unternehmensführung. Danach kam die Anstellung bei der Bank in Paris. Für seine Eltern war es ein Traum, dass ihr Sohn im schneidigen Anzug ins Büro ging und gutes Geld verdiente. Doch der Job machte ihm keinen Spaß. Stattdessen wollte er arbeiten wie in New York während seines Studiums: im Restaurant. »Also musste ich ihnen erklären: ›Maman, Papa, ich weiß, ihr habt viel in meine Ausbildung investiert. Aber ich möchte wirklich Sandwiches belegen‹«. Elbaze schmunzelt bei der Erinnerung. Heute seien die Eltern allerdings zufrieden mit der Entscheidung ihres Sohnes.

»Ich hatte ein gutes Leben in Paris, aber ich war einfach nicht wirklich glücklich.« Allerdings seien Ängste vor Antisemitismus oder Anschlägen kein Grund für die Auswanderung gewesen. »Mag sein, dass es für mein Gesamtbefinden eine Rolle spielte, Motivator war es allerdings nie. Für mich war es die Herausforderung, das Neue und Verrückte, das mich reizte. Außerdem hatte ich es satt, in einem kalten, nassen Land zu leben. Ich will Sonne und Strand.«

komplex So simpel? »Nicht ganz.« Die Sache mit der Immigration sei eigentlich sehr komplex, gibt der 28-Jährige zu bedenken. Nach den grauenvollen Anschlägen in der Konzerthalle Bataclan und den Restaurants sei klar, dass nicht nur Juden in Frankreich in Gefahr sind. »Es kann jeden jederzeit treffen.«

Das macht es schwierig für Elbaze. »Viele meiner besten Freunde in Frankreich sind keine Juden, sondern Christen und wie Brüder und Schwestern. Es lässt mich nicht kalt, wenn sie sagen: ›Du hast Israel, wo du immer hinziehen kannst, aber wir haben kein anderes Land.‹ Und da«, sagt er und zuckt mit den Schultern, »ist ja wirklich etwas dran.«

Elbazes Hebräisch ist so, als hätte er es in die Wiege gelegt bekommen. Und das nach nur zweieinhalb Jahren im Land? »Nicht ganz«, gibt er zu. »Ich war auf einer jüdischen Schule in Paris, hatte in New York israelische Mitbewohner und habe schon immer viel Iwrit gesprochen.« Das ist übrigens für ihn persönlich das A und O einer jeden Alija. Die meisten Franzosen würden das seiner Ansicht nach falsch machen.

»Oft wollen die Olim nur eines – weg aus Frankreich. Sie kommen her, wissen kaum etwas über das Land, können die Sprache nicht, ziehen in die französischen Hochburgen Netanja oder Raanana und bleiben unter sich. Dann ist es kein Wunder, wenn die Alija scheitert.«

Kinder Elbaze machte es bewusst anders. Über ein Jahr lang plante er seine Einwanderung generalstabsmäßig. Als das anvisierte Jobangebot scheiterte, kümmerte er sich rasch um Arbeit und war sich nicht zu fein, als Kellner in einem Restaurant am Flohmarkt von Jaffa zu arbeiten. »Ich mochte das Lokal, warum also nicht?« Später fand seine Frau einen guten Job, und er selbst blieb mit dem Söhnchen zu Hause.

»Meine Frau und ich waren uns einig, dass unser Nachwuchs in Israel aufwachsen soll. Es dreht sich hier fast alles um Kinder, das finde ich schön. Aber ich bin kein Utopist. Israel ist nicht das Heilige Land, in dem dir die Dinge in den Mund fliegen, nur weil du Jude bist. Es ist ein moderner, hochentwickelter Staat, in dem man hart arbeiten muss, um es zu etwas zu bringen. Du musst dich anpassen und alles von Grund auf neu lernen. Für meine Frau und mich war das immer klar, wir sind harte Arbeiter und wollen uns etwas aufbauen.«

Es sieht aus, als ob der Plan der jungen Familie aufging. Heute, zweieinhalb Jahre später, ist Dan Elbaze Teilhaber des Restaurants »Yogurt Kitchen« am beliebten Rothschild-Boulevard mitten in Tel Aviv und könnte kaum glücklicher sein, wie er selbst sagt. »Es ist wunderbar. Wir fühlen uns rundum wohl. Am schönsten ist es, den gedeckten Schabbattisch zu sehen, mit meiner Familie zu Hause zu chillen und niemandem erklären zu müssen, warum wir am Samstag nicht zu erreichen sind.«

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