Am Dienstagabend traf die von Israel des Landes verwiesene Greta Thunberg in Stockholm ein, wo sie von politischen Sympathisanten mit »Free Palestine«- und »Greta, Greta«-Rufen in Empfang genommen wurde.
»Das Kapern eines Bootes in internationalen Gewässern und die gegen unseren Willen erfolgte Verbringung nach Israel ist technisch gesehen eine Entführung. Es ist klar, dass wir diesbezüglich nicht gut behandelt wurden. Wie ich bereits sagte, ist dies jedoch nichts im Vergleich zu dem, was die Palästinenser täglich erdulden müssen«, sagte Thunberg nach der Ankunft am Flughafen. »Wir brauchen mehr Wut, wenn die Welt so schrecklich ist. Wir brauchen Wut, die Menschen zum Handeln bewegt.«
Doch in der schwedischen Mitte-Rechts-Regierung sind die Sympathien für Aktivistin und ihr Anliegen begrenzt. Außenministerin Maria Malmer Stenergard distanzierte sich von der Aktion ihrer Landsfrau. Und sie warf der sozialdemokratischen Opposition indirekt vor, den Nahostkonflikt für innenpolitische Zwecke auszuschlachten und so Judenhass nach Schweden zu importieren.
»Genau das, was die Hamas will«
»Ich muss sagen, dass ich zutiefst besorgt bin, dass wir mit Magdalena Andersson eine Oppositionsführerin haben, die in den Medien absichtlich lügt«, erklärte Stenergard an die Adresse der Vorsitzenden der Sozialdemokratischen Partei. Andersson hatte behauptet, Schweden sei das einzige EU-Land, welches das UN-Hilfswerk UNRWA nicht mehr unterstütze. »Die Wahrheit ist: Fünf weitere EU-Länder unterstützen das UNRWA nicht... Magdalena Andersson weiß das. Aber für sie bedeutet die Wahrheit nichts«, schimpte Stenergard. Solche Aussagen, fügte sie hinzu, heizten »einen Konflikt an, der seine Wurzeln im Nahen Osten hat, viele Jahrzehnte zurückreicht und der niemals auf schwedische Straßen und Plätze hätte getragen werden dürfen.«
Weiter sagte die konservative Politikerin: »Die Polarisierung, der Hass, die Drohungen, die Desinformation, der Antisemitismus, den wir sehen, das ist genau das, was die Hamas will.« An Andersson gerichtet fügte sie hinzu: »Wenn Sie dazu beitragen, wird die Geschichte Sie dafür zur Rechenschaft ziehen.«
Dabei ist die Stimmung im Land Israel gegenüber sehr kritisch eingestellt. Im Mai brachte »Aftonbladet«, das schwedische Pendant zur deutschen »Bild«-Zeitung, eine schwarz ummantelte Sonderausgabe heraus mit der Schlagzeile »Nicht wegschauen« und zahlreichen Fotos von verletzten palästinensischen Kindern. Einer neuen Umfrage des amerikanischen Instituts »Pew Research« in 24 westlichen Ländern zufolge liegt Schweden gemeinsam mit Spanien auf dem zweiten Platz, was die Ablehnung Israels anbelangt. Nur in den Niederlanden ist die Abneigung noch größer.
Ministerpräsident kritisiert Opposition: »Sie schweigen über den Antisemitismus«
Wohl auch deswegen hat die Regierung von Ministerpräsident Ulf Kristersson Maßnahmen gegen Israel angekündigt, sollte es seine Kriegsführung in Gaza nicht ändern. Vorgesehen, so Kristersson und seine Außenministerin Stenergard in einem Gastbeitrag für die Zeitung »Svenska Dagbladet« Ende Mai, seien Sanktionen gegen extremistische israelische Minister einsetzen, die sich aktiv gegen eine Zweistaatenlösung stellen. Außerdem befürwortet Stockholm die Überprüfung des Assoziierungsabkommens zwischen der EU und Israel.
Kristersson wehrte sich bei einer Debatte im Reichstag am Mittwoch allerdings auch gegen weitergehende Forderungen der Opposition: »Die schwedische Linke hätte mehr Glaubwürdigkeit, wenn sie sich irgendwann auch dazu entschließen würde, Kritik an der Hamas zu üben. An denen, die Geiseln nehmen. An denen, die die Konflikte aus dem Nahen Osten auf schwedische Straßen und Plätze tragen. Aber dazu schweigen Sie gänzlich.«
Weiter sagte der Regierungschef: »Sie schweigen über den sich ausbreitenden Antisemitismus. Sie schweigen über die sich ausbreitende Terrorromantik. Sie schweigen über all die Gesichter, die auf den verschiedenen Demonstrationen von Hamas-Führern zu sehen sind.« Die Opposition weiche vor jenen zurück, die anderen Schaden zufügen wollten.
Der Fraktionsvorsitzende der Grünen, Daniel Helldén, ging hingegen hart mit der Linie der Regierung ins Gericht. Diese habe »kein einziges Kriegsverbrechen Israels in Gaza verurteilt«, sagte er. Der im Dezember beschlossene Ausstieg aus der Finanzierung der UNRWA sei »absolut schrecklich«, so Helldén. Kristersson erwiderte, dass der Krieg in Gaza »absolut schrecklich« sei. Schweden leiste aber über andere Hilfsorganisationen Unterstützung für die Menschen dort.
Angriff auf jüdischen Gemeindevorsitzenden
Vergangene Woche hatte bereits Entwicklungshilfeminister Benjamin Dousa erklärt, man habe die schwedischen Zuschüsse für andere Hilfsorganisationen wie UNICEF oder das Welternährungsprogramm verdoppelt. Das Land leiste auch deswegen keine Unterstützung für die UNRWA mehr, weil Israel die Tätigkeit der Organisation auf seinem Gebiet verboten habe. »Das macht es praktisch unmöglich, die Hilfe des UNRWA nach Gaza zu bringen. Und wir wollen, dass unsere Hilfe wirklich dort ankommt«, so Dousa.
Dem wachsenden Antisemitismus in Schweden will die Regierung ebenfalls nicht tatenlos zusehen. Im Mai verabschiedete sie erstmals eine nationale Strategie im Kampf gegen Judenhass. Wie sehr das Thema aber mit dem Nahostkonflikt zusammenhängt, zeigt ein Vorfall vor einigen Wochen.
Bei einer Demonstration propalästinensischer Gruppen griff ein Redner den Vorsitzenden des schwedischen jüdischen Gemeindebundes, Aron Verständig, mit den Worten an: »Er hat so viel Macht, dass er einen Ministerpräsidenten zum Schweigen bringen, einen Polizisten entlassen und in unserem Land tun kann, was er will.« Er fügte an: »Merkt euch seinen Namen.«