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Armeereform

Dienst an Gott und an der Waffe

In drei Jahren sollen bereits 70 Prozent der Ultraorthodoxen zum Wehrdienst einberufen werden. Foto: Flash 90

Yair Lapid versucht, den aufziehenden Sturm mit warmen Worten abzuwenden. Nach dem Durchbruch, das israelische Armeegesetz zu reformieren, will er seine »charedischen Brüder« beruhigen. »Ich spreche zu Ascher aus Jerusalem und zu Chaim aus Bnei Brak«, sagte er auf einer Pressekonferenz unmittelbar nach dem Beschluss des Komitees. »Wir brauchen euch – mit der Waffe in der Hand an unserer Seite.« Bereits vor der Knessetwahl hatte sich der jetzige Finanzminister (Jesch Atid) vehement für eine einheitliche Wehrpflicht ausgesprochen.

Dass das mit der Reform beauftragte Peri-Komitee, benannt nach Minister (und früherem Inlands-Geheimdienstchef) Yaakov Peri von Jesch Atid, eine Neuregelung erarbeitete, die nach langer Zeit des Stillstands eine Mehrheit der Minister fand, bezeichnete Lapid als »historischen Moment«. Das Papier wird jetzt an die Knesset weitergeleitet, um alle Phasen zu durchlaufen, damit es als Gesetz bestätigt wird.

Der Vorschlag des Peri-Komitees sieht vor, dass 18-jährige Studenten, die vollzeitig an einer Jeschiwa lernen, eine Ausnahmeregelung bis zum 21. Lebensjahr erhalten. Danach müssen sie sich entscheiden, ob sie den Militär- oder einen Sozialdienst ableisten.

Jeschiwa-schüler Bislang waren Jeschiwaschüler generell von der Wehrpflicht ausgenommen. Was zu Zehntausenden Ausnahmen führte, die – wie sogar Quellen aus charedischen Kreisen immer wieder bestätigten – zu einem großflächigen Missbrauch des Systems führten. Für einige wird es aber dennoch eine Möglichkeit geben, sich ganz dem Torastudium zu widmen: Sie müssen gut sein. Denn die besten 1800 religiösen Schüler können eine Befreiung beantragen. Momentan sind jährlich bis zu 8000 18-Jährige ausgenommen.

Von 400 Befreiungen wegen des Torastudiums im Jahr 1948 ist die Zahl bis heute explodiert, erläuterte Lapid. »Doch diese Leute können nicht an der Seite stehen und sagen, der Staat ginge sie nichts an.« Er schlug vor, dass die Charedim sich ausmalen sollten, wie sich andere Israelis fühlten. »Stellt euch vor, ein Krieg bricht aus und kein Mensch innerhalb den Jeschiwas macht Anstalten, sich zu bewegen. Wir können euch nicht länger auf unseren Rücken tragen, die Dinge werden sich ändern.«

Knackpunkt, der fast den Bruch der Koalition heraufbeschworen hätte, war die Bestrafung jener gewesen, die sich auch nach ihrer Einberufung weigern, die olivgrüne Uniform anzuziehen. Der Vorschlag wollte harte Strafen für die Verweigerer. Verteidigungsminister Mosche Yaalon (Likud) weigerte sich, die »Charedim zu Tausenden zu kriminalisieren«. Erst nach dem Eingreifen seines Chefs, Premier Benjamin Netanjahu, willigten er und drei weitere Minister ein.

Durchbruch Im Anschluss dann lobte Yaalon den Durchbruch mit den Worten: »Die Tatsache, dass manche Sektoren der Gesellschaft ihrem Land nicht dienen, ist eine offene, blutende Wunde. Es ist ein inakzeptables Phänomen, das wir ändern müssen. Aber nach 65 Jahren Realität ist es unmöglich, das über Nacht zu tun. Stattdessen müssen wir uns auf einen graduellen, geduldigen Prozess einlassen, der frei ist von Hass gegen den ultraorthodoxen und arabischen Anteil in unserer Bevölkerung.«

»Ich will zu meinem charedischen Brüdern sprechen, nicht zu ihren Politikern«, sagte Lapid auf der Pressekonferenz. »Dies ist kein Angriff auf die Tora. Niemand von uns will euch den Säkularismus aufzwingen. Doch wenn eine dritte Intifada ausbrechen sollte, machen Terroristen keinen Unterschied zwischen verschiedenen Leuten innerhalb der israelischen Gesellschaft. Wir sitzen alle im selben Boot.«

Es könne nicht sein, dass ein derart großer Anteil der Gesellschaft sich von Armee und Arbeitswelt ausschließt. Nach Lapids Meinung werde die größte Änderung sein, dass die Armee sich aussucht, wer dienen muss und wer nicht. Ab sofort könnten Rekruten nicht mehr vom Wehrdienst ausgeschlossen werden, nur, weil sie einer bestimmten Gruppe angehörten. »In drei Jahren werden 70 Prozent der Ultraorthodoxen eingezogen sein«, gab er sich prophetisch. »Und das ist eine ehrenvolle Auszeichnung.«

Kritik Der einstige Verteidigungs- und jetzige Umweltminister, Amir Peretz, Mitglied von Zipi Livnis Hatnua, glaubt nicht an diese Zahlen. Er enthielt sich bei der Abstimmung. »Das Gesetz wird ohnehin nicht durchkommen«, machte er im Armeeradio Galei Zahal deutlich. Trotz der nicht erfolgten Beteiligung ultraorthodoxer Parteien an dieser Regierung meint er, dass zu viele Einsprüche eingehen würden, die nicht alle abgewendet werden könnten.

Er gehört nicht zu den einzigen Kritikern. Ähnlich sieht es die Knesset-Abgeordnete von der Arbeitspartei, Merav Michaeli. Sie erklärte die Reform zu einer Liste von populistischen, gewaltsamen und uneinheitlichen Schritten. »Es wird nicht dazu führen, dass die Charedim eingezogen werden, sondern stattdessen zu einem zerstörerischen sozialen und kulturellen Krieg in Israel.«

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