Diplomatie

Der Wüstengipfel

Hand in Hand: Yair Lapid und Antony Blinken (3. und 4. v.l.) mit den arabischen Außenministerkollegen Foto: picture alliance / ASSOCIATED PRESS

Vor weniger als zwei Jahren noch bezeichnete man sie als »Feinde«. Jetzt schüttelten sie Hände, lachten und schlugen sich kameradschaftlich auf die Schultern. Sechs Außenminister sind am Wochenbeginn zu einem zweitägigen Gipfel in der israelischen Negev-Wüste zusammengekommen.

Neben dem israelischen Yair Lapid und Antony Blinken aus den USA waren vier Außenminister aus arabischen Staaten dabei: die Golfnationen Bahrain und Vereinigte Arabische Emirate (VAE) sowie die Nordafrikaner Marokko und Ägypten. Alle wollten sich besser kennenlernen und dabei Bedeutendes besprechen.

abraham-abkommen Noch nie hatte es ein derartiges Treffen gegeben – schon gar nicht in Israel. Doch die Zeiten ändern sich, und der Nahe Osten formiert sich neu. Spätestens seit dem Abschluss der »Abraham-Abkommen« im September 2020 zwischen Jerusalem und den Golfnationen Bahrain sowie VAE gilt eine neue nahöstliche Realität. Die der Normalisierung zwischen Israel und gemäßigten arabischen Staaten.

Nach der Pressekonferenz sagte Lapid, dass der Gipfel ein »regelmäßiges Forum« werden wird, und machte klar, dass die neue Koalition der Länder des Nahen Ostens den Iran und seine Stellvertreter »abschrecken« werde. »Was wir hier tun, ist, Geschichte zu schreiben, eine neue regionale Architektur aufzubauen, die auf Fortschritt, Technologie, religiöser Toleranz, Sicherheit und nachrichtendienstlicher Zusammenarbeit basiert«.

Besonders Israel warnt immer wieder, dass die imperialistischen Bestrebungen des Regimes in Teheran eine Bedrohung für die Existenz des Landes seien.

Die Minister hätten eine »regionale Sicherheitsarchitektur« besprochen, die darauf abziele, Abschreckungsmaßnahmen gegen iranische Bedrohungen aus der Luft und dem Meer zu schaffen.

Besonders Israel warnt immer wieder, dass die imperialistischen Bestrebungen des Regimes in Teheran eine Bedrohung für die Existenz des Landes seien. »Die Konferenz ist eine Botschaft an den Iran, dass die Reaktion derjenigen, auf die sie abzielt, nur einheitlicher werden wird, während sie weiterhin Chaos in der gesamten Region verbreiten«, wird in diesem Zusammenhang ein hochrangiger israelischer Beamter in der Internetzeitung »Times of Israel« zitiert.

Frieden »Wir werden uns dabei auch von Terroranschlägen nicht einschüchtern lassen. Stattdessen werden wir unseren Weg fortsetzen, den Weg des Friedens«, untermauerte Lapid seine Worte. Marokkos Außenminister Nasser Bourita bestätigte, dass »unsere heutige Anwesenheit die beste Antwort auf Terroranschläge« sei. Sein bahrainischer Amtskollege Abdullatif bin Rashid Al-Zayani verurteilte ebenfalls den Terror und betonte das Engagement seines Landes für Frieden und Koexistenz. »Dies ist ein wichtiges und zeitgemäßes Treffen«, sagte er.

US-Außenminister Blinken war am späten Sonntagabend in Sde Boker eingetroffen, dem Heimatkibbuz von Staatsgründer David Ben Gurion, nachdem er bereits am Samstag in Israel gelandet war. Den ganzen Tag über hatte er sich zuvor in Jerusalem mit israelischen Politikern besprochen: Lapid, Premierminister Naftali Bennett, Präsident Isaac Herzog, Verteidigungsminister Benny Gantz und anderen hochrangigen Vertretern der Regierung.

Noch nie hat es ein derartiges Treffen gegeben – schon gar nicht in Israel.

Anschließend reiste er nach Ramallah, um sich mit dem Präsidenten der Palästinensischen Autonomiebehörde, Mahmud Abbas, zu treffen. Abbas habe sich beschwert, nicht zu dem Gipfel eingeladen worden zu sein. Gleichwohl habe Blinken zufolge die Lösung des Nahostkonfliktes zwischen Israelis und Palästinensern auf der Tagesordnung gestanden.

»Noch vor wenigen Jahren wäre diese Zusammenkunft undenkbar gewesen«, so der US-Außenminister. Die Bedeutung für die Normalisierung mit den arabischen Ländern sei eine positive und sehr wichtige Kraft für das Leben der Menschen in der Region in den kommenden Jahren. Allerdings seien die Abraham-Abkommen kein Ersatz für die palästinensische Frage, machte er deutlich. Sameh Shoukry, Ägyptens Außenminister, pflichtete Blinken bei, dass man die Zweistaatenlösung und Jerusalem erörtern müsse.

Stabilität Abdullah bin Zayed, Außenminister der VAE, nannte den Gipfel einen historischen Moment. Er beklagte, dass die vergangenen Jahre hätten genutzt werden können, um »einander kennenzulernen und die Erzählung zu ändern«. Jetzt sollten Bemühungen um Sicherheit und Stabilität unterstützt werden. Frieden sei der Grundstein für eine umfassende und nachhaltige Entwicklung der Gesellschaften.

Für die arabischen Gäste aus der Region ging es bei dem Gipfel nicht nur um die Bedrohung aus dem Iran. So sagte der diplomatische Berater des emiratischen Präsidenten, Anwar Gargash: »Unsere Teilnahme am Negev-Gipfel kommt durch unsere Überzeugung, dass wir die wirtschaftliche Zusammenarbeit in der Region vertiefen und einen Diskurs der Toleranz und Kommunikation beginnen wollen.«

Vor den Golfnationen VAE und Bahrain hatten lediglich die arabischen Staaten Ägypten und Jordanien Friedensverträge mit Israel unterzeichnet.

Vor den Golfnationen VAE und Bahrain hatten lediglich die arabischen Staaten Ägypten und Jordanien Friedensverträge mit Israel unterzeichnet. Allerdings verlief dieser Frieden jahrzehntelang »kalt«, eine Aussöhnung gab es nicht, ein Austausch zwischen den Völkern fand kaum statt. Doch auch das ändert sich langsam, aber sicher. Israel und Ägypten nähern sich zusehends an, vor allem, da Jerusalem immer mehr als stabilisierender Faktor in der Region angesehen wird.

»Wenige Tage vor dem Wüstengipfel hatte der israelische Ministerpräsident Bennett den Nachbarn in Scharm El-Scheich besucht und mit Präsident Abdel-Fattah al-Sissi über aktuelle Probleme gesprochen. Auch der Kronprinz von Abu Dhabi, Mohammed bin Zayed al-Nahyan, war bei dem Treffen anwesend.

Die israelische Regierung ist momentan durch die Krise in der Ukraine besonders daran interessiert, die Vereinigten Arabischen Emirate und Saudi-Arabien davon zu überzeugen, ihre Ölproduktion zu steigern, um die Abhängigkeit der Welt von russischem Öl zu verringern. Auf wirtschaftlicher Seite wolle Israel Ägypten bei der Suche nach alternativen Weizenquellen unterstützen, um die Brotversorgung in dem arabischen Land sicherzustellen.

ukraine Ein ägyptischer Teilnehmer in der Negev-Wüste bestätigte, dass Kairo dieser Tage besonders besorgt über die Auswirkungen der russischen Invasion in der Ukraine auf die Lebensmittelversorgung sei. Ägypten importiert fast seinen kompletten Weizen aus den beiden osteuropäischen Ländern.

Auch wenn eine bedeutende Nation in Nahost bei diesem Gipfel nicht offiziell auftauchte, heißt es nicht, dass sie nicht dabei war. Nach israelischen Medienberichten sei Saudi-Arabien hinter den Kulissen bei dem Treffen in der Negev «stark involviert» gewesen. Israel unterhält bereits seit einer Weile geheime Verbindungen zu dem Golfstaat. Immer wieder wird gemunkelt, dass auch Jerusalem und Riad in naher Zukunft offiziell Frieden schließen könnten.

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