Berlin

Bundesregierung stoppt Rüstungsexporte an Israel

Kanzler Friedrich Merz (CDU) Foto: picture alliance / ASSOCIATED PRESS

Die Bundesregierung hat vorerst sämtliche Genehmigungen für Rüstungsexporte an Israel ausgesetzt, sofern die gelieferten Güter im Gazastreifen eingesetzt werden könnten. Dies teilte das Bundeskanzleramt am Freitag mit, nachdem das israelische Sicherheitskabinett in der Nacht zuvor einem Plan zur umfassenden Kontrolle über Gaza-Stadt zugestimmt hatte.

Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) äußerte sich besorgt über das militärische Vorgehen Israels, das »immer weniger erkennen lässt, wie die erklärten Ziele erreicht werden sollen«. Er betonte, dass die Bundesregierung »zutiefst besorgt über das fortdauernde Leid der Zivilbevölkerung im Gaza-Streifen« bleibe. Vor dem Hintergrund der eskalierenden Gewalt fordert Merz zudem eine nachhaltige Verbesserung der humanitären Lage in der Region.

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»Israel muss nach den jüngsten Schritten die humanitäre Situation umfassend verbessern«, so Merz. Zudem warnte er davor, weitere Schritte hin zu einer Annexion des Westjordanlands zu unternehmen, was die ohnehin angespannte Lage zusätzlich verschärfen würde.

»Oberste Priorität«

Der israelische Plan sieht vor, dass die Armee die Kontrolle über die Stadt Gaza übernimmt, um die Terrororganisation Hamas zu besiegen. Gleichzeitig soll humanitäre Hilfe weiterhin an die Bevölkerung außerhalb der Kampfzonen geliefert werden.

Das israelische Sicherheitskabinett billigte den Plan, der von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu vorgelegt wurde, trotz interner Bedenken in Teilen des Militärs.

Merz hob hervor, dass Israel »das Recht hat, sich gegen den Terror der Hamas zu verteidigen«. Die Freilassung der Geiseln und zielgerichtete Verhandlungen für einen Waffenstillstand seien indes »oberste Priorität«. Für die Bundesregierung sei die Entwaffnung der Hamas unerlässlich. »Die Hamas darf in der Zukunft von Gaza keine Rolle mehr spielen«, so Merz.

Die Entscheidung der Bundesregierung, Rüstungsexporte vorerst auszusetzen, erfolgt in einer Phase, in der die internationale Kritik an der militärischen Offensive Israels gegen den Terror und für die Befreiung der Geiseln zunimmt. Verschiedene humanitäre Organisationen und Länder fordern eine stärkere Berücksichtigung der Situation der Zivilbevölkerung im Gazastreifen, die unter den anhaltenden Kämpfen massiv leidet. Dabei ist es die Hamas, die ihrer eigenen Bevölkerung Hilfsgüter stiehlt und sich weigert, ihren Krieg mit einer Freilassung der 50 verbleibenden Geiseln zu beenden.

International hochbrisant

Mit dem Exportstopp signalisiert Berlin aus seiner Sicht eine kritische Haltung gegenüber der Eskalation, ohne jedoch Israels Sicherheitsbedürfnisse grundsätzlich infrage zu stellen.

Vizekanzler Lars Klingbeil unterstützt die Entscheidung. »Dem Staat Israel gilt unsere volle Solidarität, aber Falsches muss benannt werden«, erklärte er. Das humanitäre Leid in Gaza sei unerträglich. Für diese Lage trage die israelische Regierung eine große Verantwortung.

»Deswegen muss jetzt humanitäre Hilfe schnellstmöglich und umfassend nach Gaza reingelassen werden«, betonte Klingbeil. Außerdem dürften keine Fakten geschaffen werden, die einer Zwei-Staaten-Lösung entgegenstünden, weder in Gaza, noch im Westjordanland. Gleichzeitig seien die Freilassung aller Geiseln und eine Waffenruhe von größter Dringlichkeit.

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»An die Spitze«

Eine andere Ansicht vertritt Johannes Winkel, der Bundesvorsitzende der Jungen Union. Auf der Plattform X erklärte er: »Israel macht ab heute die Drecksarbeit für uns, nur ohne deutsche Waffen.«

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Die Bundesregierung verschärft wegen des Vorgehens im Gazastreifen ihren Kurs gegenüber Israel. Die Grünen begrüßen das – fordern aber mehr.

Grünen-Chefin Franziska Brantner forderte die Bundesregierung nach dem Beschluss zu weitergehenden Schritten auf. »Kanzler Merz und sein Außenminister Wadephul müssen sich jetzt mit Nachdruck für einen politischen Prozess einsetzen. Es braucht jetzt ernsthaften Druck für ein Ende des Kriegs und der humanitären Katastrophe, die Freilassung der Geiseln sowie eine politische Perspektive. Deutschland darf nicht länger konsequentes europäisches Handeln in diesem Sinne verhindern, sondern muss sich an die Spitze stellen.«

»Allen Versprechen zuwider«

Am Nachmittag äußerte sich der Zentralrat der Juden in Deutschland. »Die Ankündigung der Bundesregierung, Waffenlieferungen an Israel auszusetzen, ist enttäuschend«, erklärte dessen Präsident Josef Schuster. »Dieser Kurswechsel läuft allen Solidaritätsbekundungen und Versprechen zuwider, die der Bundeskanzler seit seinem Amtsantritt vertreten hat.«

»Israel wird tagtäglich durch Feinde im Nahen Osten angegriffen und mit Raketen beschossen, nicht nur durch die terroristische Hamas im Gaza-Streifen. Israel nun die Möglichkeit zu nehmen, sich gegen solche Bedrohungen zu verteidigen, gefährdet dessen Existenz«, fügte Schuster hinzu.

»Es liegt an der Hamas den Krieg zu beenden, indem sie die Geiseln freilässt und die Waffen niederlegt. Die Bundesrepublik Deutschland muss statt auf Israel ihren Druck auf die Terrororganisation Hamas erhöhen. Die Bundesregierung sollte ihren eingeschlagenen Weg schnellstmöglich korrigieren.«

»Beispielloser Schritt«

Kritisch äußerte sich auch das AJC Berlin. Direktor Remko Leemhuis erklärte: »Wir lehnen das partielle Waffenembargo der Bundesregierung grundsätzlich ab. Statt Israel notwendiges Material vorzuenthalten, sollte die Bundesregierung endlich alle zur Verfügung stehenden ökonomischen und politischen Mittel einsetzen, um den Druck auf die Hamas und ihre wichtigsten Unterstützer – wie den Iran – zu erhöhen.«

»Das Ziel sollte auch für die Bundesregierung die Kapitulation der Hamas und die bedingungslose Freilassung aller Geiseln sein, von denen mindestens zwölf deutsche Bürger sind«, so Leemhuis.

»Es passt nicht zusammen: Einerseits Israels Recht auf Selbstverteidigung zu betonen und dieses Recht gleichzeitig in einem beispiellosen Schritt zu schwächen«, schrieb Remko Leemhuis. ja

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