Mit einer eindrucksvollen Feier im Jüdischen Gemeindezentrum am Jakobsplatz hat die Israelitische Kultusgemeinde München und Oberbayern (IKG) in der vergangenen Woche das neue Jahr begrüßt.
Neben Präsidentin Charlotte Knobloch und Vizepräsident Yehoshua Chmiel sprach auch Philipp Lenhard, Professor am Lehrstuhl für Jüdische Geschichte und Kultur der Ludwig-Maximilians-Universität München, Gemeinderabbiner Shmuel Aharon Brodman bildete den Abschluss. Der Abend rückte einen zuversichtlichen Blick auf das neue Jahr und die enge Verbindung der Kultusgemeinde mit Israel in den Mittelpunkt.
Charlotte Knobloch dankte in ihrer Begrüßung zunächst allen, die zur Wiedereröffnung der Synagoge in der Reichenbachstraße beigetragen hatten, wobei sie Rachel Salamander und die zahlreichen Spender besonders hervorhob.
»Wir alle haben dasselbe Ziel im Blick«
Zugleich unterstrich sie die tiefe Verbundenheit mit Israel. Sie spreche gewiss nicht nur für sich selbst, »wenn ich sage, dass ich mich Israel seit Langem nicht mehr so nah verbunden gefühlt habe wie zuletzt«. Die Israelis, so fügte sie hinzu, blickten bereits wieder nach vorn. Echte Zuversicht zu bewahren, selbst unter schwierigsten Umständen, könne man von Israel lernen. Knobloch zeigte sich dabei überzeugt von der Kraft der Gemeinschaft: »Wir alle haben dasselbe Ziel im Blick: ein gutes, sicheres, jüdisches Leben für uns und unsere Kinder.«
Der Abend rückte die enge Verbindung der IKG mit Israel in den Mittelpunkt.
Diese Gemeinschaftlichkeit, die auch im vergangenen Jahr erreicht worden sei, erlebte Knobloch »wie ein Wunder«. Sie werde die Kultusgemeinde auch durch das kommende Jahr tragen. Ihre abschließende Botschaft: »Wir werden weiter stehen – füreinander, für unsere jüdische Gemeinschaft und natürlich auch für Israel!«
IKG-Vizepräsident Yehoshua Chmiel griff diesen Gedanken auf und sprach über die wachsende Verantwortung der Diaspora gegenüber Israel. Der in Israel geborene und in Deutschland aufgewachsene Chmiel stellte die rhetorische Frage, ob es überhaupt einen Unterschied zwischen Juden in Israel und jenen in der Diaspora gebe: »Die anderen sehen uns ohnehin als ein und dasselbe. Alles, was jüdisch ist, ist der Feind. Aber Israel ist unser Schild.«
Der Antisemitismus, so Chmiel, sei nie verschwunden. Wer gesehen habe, wie Juden in Deutschland und jüdische Einrichtungen in den vergangenen Monaten angefeindet wurden, wisse: »Sie meinen uns als Juden – nicht den Staat Israel.«
»Geschichte wiederholt sich nicht, weil sich die Umstände geändert haben«
Diesen Anfeindungen stehe die jüdische Gemeinschaft aber nicht länger wehrlos gegenüber: »Geschichte wiederholt sich nicht, weil sich die Umstände geändert haben. Wir sind keine Opfer mehr.« Er würdigte insbesondere das Engagement von IKG-Präsidentin Knobloch, die als öffentliche Stimme der Gemeinde auch unbequeme Wahrheiten deutlich ausspreche und die Gemeinde im Inneren zusammenzuhalten verstehe.
Mit berechtigtem Stolz berichtete Chmiel außerdem von den Hilfsaktionen der Gemeinde nach dem Angriff vom 7. Oktober 2023. Binnen weniger Wochen waren damals 600.000 Euro an Spenden gesammelt worden, um Sicherheitskräfte in Israel mit Schutzwesten und Ausrüstung zu versorgen.
Für besonderen Applaus sorgte die Ankündigung, dass die Gemeinde den Wiederaufbau eines Operationssaals im Soroka-Krankenhaus von Beer Sheva, Münchens israelischer Partnerstadt, unterstützen wird. Das Krankenhaus, das mehr als 1,2 Millionen Menschen versorgt, war während des Krieges im Juni von einer iranischen Rakete getroffen worden, acht Operationssäle wurden zerstört.
Der Wiederaufbau eines einzigen Saals kostet rund eine Million Euro – die IKG wird zur Finanzierung auf eine frühere Schenkung zurückgreifen, auch um weitere Maßnahmen anzustoßen. Für jeden gespendeten OP-Saal übernimmt der Staat Israel die Kosten für einen weiteren. Dass eine Gemeinde eine solche Spende aufbringe, sei einzigartig, betonte Chmiel, und gab den Gemeindemitgliedern zum Schluss einen Aufruf mit: »Seien Sie stolz.«
Die Gemeinde unterstützt den Wiederaufbau eines Operationssaals im Soroka-Krankenhaus.
Philipp Lenhard spannte in seinem Vortrag einen Bogen von der Vergangenheit zur Gegenwart. Er erinnerte daran, dass Antisemitismus kein neues Phänomen, sondern schon im 19. Jahrhundert an Universitäten tief verwurzelt war. Lenhard zeigte sich besorgt über aktuelle Entwicklungen, die an diese Vergangenheit erinnerten: über stille Boykotte gegen israelische Wissenschaftler, über Hochschulen, an denen Seminare zu jüdischen Themen kaum mehr möglich seien. Dennoch gebe es auch Grund zur Hoffnung: Das Interesse vieler junger Menschen an jüdischer Geschichte und Kultur sei groß. Die ungebrochene Neugier seiner Studierenden für jüdische Geschichte und Kultur mache ihm Mut.
Zum Ausklang sprach Rabbiner Shmuel Aharon Brodman über die religiöse Bedeutung des Neujahrsmonats Tischri, im Buch der Könige auch als »Monat der Beständigkeit« bezeichnet. Die Feiertage dieses Monats, so der Gemeinderabbiner, seien »der Anker für den Glauben und das Leben des ganzen Jahres«.
Mit einem Blick auf Noach und Awraham rief er dazu auf, Verantwortung zu übernehmen – für Juden und Nichtjuden gleichermaßen, in fester Verbindung mit dem Glauben und den Bräuchen, im Sinne der Verbundenheit und Gemeinschaft.