Potsdam

Zu klein, zu hoch, zu unjüdisch

Der Aufbau der Gemeinde in Potsdam bleibt eine schwierige Sache. Weniger im bautechnischen Sinne, denn hier zeichnet sich die Eröffnung der ersten Brandenburgischen Synagoge seit 1945 ab. Unruhe ist vielmehr entstanden, seitdem eine neu gegründete, sich als orthodox bezeichnende Betergemeinschaft »Minjan Potsdam« wesentliche Teile des fertigen Synagogenkonzepts attackiert. Fast zeitgleich hat der bisherige Potsdamer Rabbiner, der dem Minjan nahesteht, die Gemeinde kurz vor Pessach spontan verlassen. Eine Entscheidung, die die Beter in der Schlossstraße 1 wie ein Blitz aus heiterem Himmel traf.

Was war tatsächlich geschehen? Im Frühjahr 2009 hatte das Berliner Architektenbüro Haberland & Haberland den internationalen Architektenwettbewerb für den längst fälligen Bau der Potsdamer Synagoge gewonnen. Erstmals schien die Gemeinde, die vorwiegend aus Zuwanderern aus den Ländern der ehemaligen Sowjetunion besteht, dem Ziel eines eigenen Gotteshauses greifbar nahe. Koordiniert wird das Projekt vom Bauverein »Neue Synagoge Potsdam e.V.«. Wichtige Unterstützung kommt von der Stadt Potsdam und von der Landesregierung.

kritik Noch an Sukkot 2009 feierten alle Akteure und Beteiligten die Fortschritte mit einem Straßenfest in der Potsdamer Altstadt. Womit weder die Architekten noch die Gemeinde und der Bauverein gerechnet hatten, war eine nachträgliche Fundamentalkritik am Bau. Die liefert nun seit Januar 2010 der »Minjan Potsdam«. Der Kreis um den in Potsdam-West lebenden, prominenten israelischen Musiker und Komponisten Ud Joffe bemängelt unter anderem, dass das geplante Gebäude nicht wirklich als Synagoge erkennbar und die Mikwe zu klein sei, der Synagogenraum im Bauentwurf zu hoch liege und ein räumliches Missverhältnis zwischen Gemeindezentrum, Funktionsräumen und Gebetsraum bestehe. Der Hauptvorwurf gipfelt jedoch darin, dass einiges am bisherigen Entwurf unvereinbar mit der Halacha sei. Dabei hatte das Büro Haberland & Haberland schon im ersten Entwurf strittige Baufragen mit dem orthodoxen Berliner Rabbiner Yitzhak Ehrenberg beraten und auch gelöst.

Im Frühjahr kristallisierte sich heraus, dass es zum offenen Konflikt kommen würde. »Minjan Potsdam« präsentierte sich nun als authentischer Interessenvertreter der Gemeinde, und dies vor allem auch in religiösen Fragen. Die jüdischen Zuwanderer reagierten verwundert. Nikolaj Epchteine, ein aus Moskau stammender Biologe, der die Gemeinde selbst über Jahre hinweg geleitet und später das beliebte Kultur- und Bildungszentrum »Kibuz« aufgebaut hatte, sieht die Gefahr religiöser Intoleranz: »Dass eine Gemeinde verschiedene Strömungen in sich vereinen und dabei auch säkulare Mitglieder willkommen heißen kann, das sollte auch der Minjan Potsdam verstehen.« Gleichwohl holten Gemeinde und Bauverein zur nachträglichen Architekturkritik von Ud Joffe und Freunden nochmals ein rabbinisches Gutachten ein und wurden dabei in der halachischen Unbedenklichkeit des bisherigen Entwurfes bestätigt.

Beistand Als einziger Rabbiner der gesamten Region schloss sich dagegen Nachum Presman von Chabad Lubawitsch den Fundamentalkritikern an – und verließ zugleich die Gemeinde. Presmans Abgang verwundert umso mehr, da er sich seit Ende der 90er-Jahre in Potsdam, Frankfurt/Oder, Cottbus und Brandenburg an der Havel einen Ruf als umsichtiger und verantwortungsbewusster Rabbiner erworben hatte. »Glücklicherweise kam sofort Hilfe vom Zentralrat der Juden in Deutschland und der Zentralwohlfahrtsstelle«, berichtet die Potsdamer Gemeindesprecherin Renée Röske. »Und so waren die Pessach-Sederim für alle Interessierten gerettet. Wir bemühen uns nun, so schnell wie möglich einen neuen Rabbiner zu bekommen.«

Über die Sommer-Monate hinweg helfen Studenten des Hildesheimerschen Rabbinerseminars Berlin aus, wie beispielsweise Jakov Pertsovsky aus München. Die Studenten leiten die Schabbat-Gottesdienste, lesen die Tora, bieten bei Bedarf auch religiösen Unterricht an. Alle beherrschen perfekt die russische Sprache.

Gemeindeleben Während sich das Gemeindeleben auf diese Weise noch vor der Sommerpause stabilisieren konnte, sorgte der Minjan Potsdam auch weiterhin für medienwirksame Auftritte. Ende Mai protestierten Ud Joffe, der bisher weder in der jüdischen Gemeinde noch im Bauverein Mitglied ist, und Rabbiner Nachum Presman gegen die angebliche Verschleppung von Aufnahmeanträgen im Synagogen-Bauverein.

Die Potsdamer Öffentlichkeit, die dem geplanten Synagogenbau viel Sympathie entgegenbringt, ist irritiert, was auch Rico Bigelmann, der Sprecher des Bauvereins, bedauert. »Die jüngsten Auseinandersetzungen haben einfach ein falsches Bild vom Synagogen-Projekt vermittelt«, betont Bigelmann. »Dabei kooperieren Gemeinde und Bauverein eng und kreativ, und daran hat sich auch in den vergangenen Monaten nichts geändert.«

Gemeindesprecherin Röske schaut derweil optimistisch nach vorn: »Die Baumaßnahme für die Synagoge ist im Landeshaushalt eingestellt, der Liegenschaftsbetrieb ist voll bei den Planungsarbeiten, und wir freuen uns jetzt auf den Baubeginn.«

Ehrung

»Wir Nichtjuden sind in der Pflicht«

Am Mittwochabend wurde Karoline Preisler mit dem Paul-Spiegel-Preis des Zentralrats der Juden in Deutschland ausgezeichnet. Wir dokumentieren ihre Dankesrede

 05.11.2025

Laudatio

»Wie hält man so etwas aus?«

Bundestagspräsidentin Julia Klöckner hielt die Laudatio auf Karoline Preisler anlässlich der Verleihung des Paul-Spiegel-Preises in Berlin. Eine Dokumentation

von Julia Klöckner  05.11.2025

Potsdam

Abraham-Geiger-Kolleg ordiniert zwei Rabbinerinnen

In Deutschlands größter Synagoge Rykestraße in Berlin-Prenzlauer Berg werden an diesem Donnerstag zwei Rabbinerinnen ordiniert. Zu der Feier wird auch Polit-Prominenz erwartet

 05.11.2025

Berlin

Davidstern-Gemälde an East Side Gallery beschmiert

Ein Gemälde an der bekannten East Side Gallery ist Ziel einer antisemitischen Schmiererei geworden. Der Tatverdächtige konnte gefasst werden. Bei der Begehung seines Wohnhauses fand die Polizei mehrere Hakenkreuze

 05.11.2025

Programm

Termine und TV-Tipps

Termine und Tipps für den Zeitraum vom 6. November bis zum 13. November

 05.11.2025

Auswärtiges Amt

Deutschland entschärft Reisehinweise für Israel

Nach Beginn des Gaza-Krieges hatte das Auswärtige Amt vor Reisen in Teile Israels gewarnt. Dies gilt so nicht mehr. Der Außenminister begründet das mit gewachsenem Vertrauen in den Friedensprozess

 04.11.2025

Würdigung

Margot Friedländer wird mit Sonderbriefmarke geehrt

Wie das Finanzministerium mitteilte, war die Sonderbriefmarke für Friedländer ein »besonderes Anliegen« von Bundesfinanzminister Lars Klingbeil

 04.11.2025

B’nai B’rith

»Wie eine große Familie«

Delegierte aus 20 Ländern kamen zusammen, um sich eine neue Organisationsstruktur zu geben

von Ralf Balke  03.11.2025

Berlin

Jüdische Gemeinde erinnert an November-Pogrome

Zum 87. Jahrestag der NS-November-Pogrome von 1938 werden am Sonntag ganztägig die Namen der im Holocaust ermordeten Berliner Jüdinnen und Juden vorgelesen. Bei einem Gedenken am Abend wird Berlins Regierender Bürgermeister sprechen

 03.11.2025