B’nai B’rith

»Wie eine große Familie«

Will die Tradition von B’nai B’rith fortführen: Richard Stern Foto: privat

B’nai B’rith

»Wie eine große Familie«

Delegierte aus 20 Ländern kamen zusammen, um sich eine neue Organisationsstruktur zu geben

von Ralf Balke  03.11.2025 16:48 Uhr

Herr Stern, am 26. und 27. Oktober fand in Berlin die erste Convention der B’nai B’rith Alliance (BBA) statt. Was genau war der Anlass?
Die BBA wird die B’nai B’rith Europe (BBE) in ihrer bisherigen Zusammensetzung ablösen. Die Logen aus Frankreich (B’nai B’rith France) und aus England (B’nai B’rith UK) sollen nun eigenständig agieren. Alle übrigen europäischen Logen werden zukünftig unter dem Dach der BBA vereint sein. Die dafür notwendigen organisatorischen Voraussetzungen wurden von uns auf der Tagung beschlossen.

Warum diese Aufteilung?
In Europa leben derzeit etwa 1,3 Millionen Juden, davon über die Hälfte in Frankreich und England. Dementsprechend gibt es dort deutlich mehr B’nai B’rith Logen als in den übrigen Ländern Europas. Dies hatte bisher erhebliche Auswirkungen auf Strukturen und die politische Einflussnahme bei BBE – beide Länder waren deutlich überrepräsentiert. Um diese Schieflage zu beseitigen, wurde die neue BBA gegründet. So werden in Zukunft die einzelnen Länder ihre regionalen Besonderheiten und Interessen besser einbringen können. Strukturiert wird das Ganze in fünf Distrikte, nämlich Skandinavien, Zentraleuropa, Mittelmeerländer, Balkan und die deutschsprachigen Logen. Jede Region vertritt jeweils vier bis acht Logen. So kommen wir auf einen Zusammenschluss von über 30 B’nai B’rith Logen europaweit.

Wurde Berlin als Ort der Zusammenkunft gewählt, weil die Stadt geografisch etwa in der Mitte von Europa liegt?
Auch, aber nicht nur. Hier wurde am 20. März 1882 die erste B’nai B’rith Loge in ganz Europa gegründet. Vor dem Holocaust gab es allein in Berlin neun Logen mit über 2500 Mitgliedern. Ebenfalls hier vor Ort wirkte ab 1924 Leo Baeck als Großpräsident des gesamtdeutschen Distrikts, damals der größte in ganz Europa mit seinen über 100 Einzellogen. Berlin wurde ebenfalls deshalb als Veranstaltungsort ausgewählt, weil hier die Raoul Wallenberg Loge zu Hause ist – und weil wir eine mehr als 140 Jahre alte Tradition fortführen. In diesem Sinne war es uns eine besondere Ehre und Herausforderung zugleich, die allererste Convention der BBA organisieren und ausrichten zu dürfen.

Wie viele Teilnehmer kamen, und was durften sie hier erfahren?
Es kamen wohl mehr als 90 Teilnehmer aus 20 verschiedenen Ländern, darunter aus den Vereinigten Staaten und Israel. Die Präsidenten und Vizepräsidenten von 30 europäischen Logen waren anwesend. Für die Eröffnung im Rahmen eines Gala-Dinners haben wir zudem den früheren Vizekanzler und Außenminister Joschka Fischer gewinnen können, der eine Keynote über die Rolle von Tikkun Olam aus der Perspektive eines Elder Statesman hielt.

Gab es noch weiteren Input?
Ja, unter anderem die persönliche Begrüßung der Gäste durch Rob Spitzer, Präsident von B’nai B’rith International aus Washington, sowie Impulsvorträge von Daniel Botmann, Geschäftsführer des Zentralrats der Juden in Deutschland, und Daniel Mariaschin, CEO von B’nai B’rith International, USA.

Welche Botschaft sollte von der Zusammenkunft in Berlin ausgehen?
Von Anfang an lauten die Ideale von B’nai B’rith Wohltätigkeit, Brüderlichkeit und Eintracht. Gerade in schwierigen Zeiten wie den jetzigen sind diese wichtiger denn je geworden, vor allem in unserem gemeinsamen Engagement gegen Antisemitismus und für Solidarität mit Israel. Deswegen ist die Zusammenkunft in Berlin nicht einfach nur ein administrativer Akt, um die Gründung der B’nai B’rith Alliance einzuleiten. Sie ist ebenfalls der Neubeginn einer intensiveren Kommunikation und Vernetzung im Rahmen der neuen Strukturen, die wir uns gegeben haben.

Was ist Ihre persönliche Hoffnung dabei?
B’nai B’rith funktioniert in vielerlei Hinsicht wie eine große Familie. Durch die Zusammenkunft und die daraus entstehenden Initiativen hoffe ich, dass unsere Stimme in der Zivilgesellschaft noch stärker zu hören sein wird als bereits ohnehin.

Mit Richard Stern, dem amtierenden Präsidenten von B’nai B’rith Berlin – Raoul Wallenberg Loge, sprach Ralf Balke.

Gedenken

Neues Denkmal für jüdische Häftlinge in Gedenkstätte Ravensbrück

Etwa 20.000 Jüdinnen und Juden sind im ehemaligen Konzentrationslager Ravensbrück in Brandenburg inhaftiert gewesen. Die heutige Gedenkstätte hat nun ein neues Denkmal enthüllt - im Beisein von Überlebenden

von Daniel Zander  06.11.2025

Ehrung

»Wir Nichtjuden sind in der Pflicht«

Am Mittwochabend wurde Karoline Preisler mit dem Paul-Spiegel-Preis des Zentralrats der Juden in Deutschland ausgezeichnet. Wir dokumentieren ihre Dankesrede

 06.11.2025 Aktualisiert

Reaktionen

Zohran Mamdanis Sieg spaltet die jüdische Gemeinschaft

Während ein Drittel der New Yorker Juden den neuen Bürgermeister gewählt hat, haben andere Angst, dass dessen Antizionismus ihre Sicherheit gefährdet

 06.11.2025

Hamburg

Viel mehr als Klezmer

In der Hansestadt haben die zweiten Jüdischen Kulturtage begonnen. Bis Mitte Dezember erwartet die Besucher ein breit gefächertes Programm – inklusive einer jiddisch-hebräischen Oper

von Heike Linde-Lembke  06.11.2025

Düsseldorf

»Eine Stimme, wo andere schwiegen«

Die Gemeinde zeichnet Wolfgang Rolshoven mit der Josef-Neuberger-Medaille aus

von Stefan Laurin  06.11.2025

Berlin

Andacht für Margot Friedländer: »Du lebst weiter«

Sie war Holocaustüberlebende, Berliner Ehrenbürgerin und eine eindrucksvolle Persönlichkeit. Gestern wäre Margot Friedländer 104 Jahre alt geworden. An ihrem Grab erinnern Freunde und Bekannte an sie

von Andreas Heimann  06.11.2025

Laudatio

»Wie hält man so etwas aus?«

Bundestagspräsidentin Julia Klöckner hielt die Laudatio auf Karoline Preisler anlässlich der Verleihung des Paul-Spiegel-Preises in Berlin. Eine Dokumentation

von Julia Klöckner  05.11.2025

Potsdam

Abraham-Geiger-Kolleg ordiniert zwei Rabbinerinnen

In Deutschlands größter Synagoge Rykestraße in Berlin-Prenzlauer Berg werden an diesem Donnerstag zwei Rabbinerinnen ordiniert. Zu der Feier wird auch Polit-Prominenz erwartet

 05.11.2025

Berlin

Davidstern-Gemälde an East Side Gallery beschmiert

Der Tatverdächtige konnte gefasst werden. Bei der Begehung seines Wohnhauses fand die Polizei mehrere Hakenkreuze

 05.11.2025