SchUM-Städte

Werbung für eine vergangene Zeit

Kulturdenkmal: Synagoge Worms Foto: imago

Rabbi Schlomo ben Jizchak, besser bekannt als »Raschi«, gilt als einer der bedeutendsten Gelehrten des Judentums im Mittelalter. Er zog zunächst nach Mainz, dann nach Worms, um hier bei den großen Gelehrten zu studieren. »Wer als Wissenschaftler vorne dabei sein wollte, der musste in die SchUM-Städte Schpira (Sch), Warmaisa (U) und Magenza (M) gehen«, erläutert Susanne Urban.

Seit November 2015 ist die 47-jährige promovierte Historikerin Geschäftsführerin des SchUM-Vereins. »Raschi ist ein Symbol der Weisheit und Gelehrsamkeit«, schwärmt Urban. Er sei nicht Vergangenheit, »sondern jüdische Gegenwart und bedeutsam für heutige Diskurse«.

Jetzt soll Raschi mit seiner Berühmtheit dazu beitragen, das jüdische Erbe der SchUM-Städte mit Blick auf die Bewerbung um den UNESCO-Welterbetitel in den Blickpunkt zu rücken. Urban ist zuversichtlich, dass dies gelingt. Sie zeigt auf den »Raschi-Stuhl« in der im 17. Jahrhundert errichteten Raschi-Jeschiwa, einem Anbau der Synagoge.

Unesco Raschi hat auch in gewisser Weise dazu beigetragen, dass der Wormser Oberbürgermeister Michael Kissel im Jahr 2004 auf Anregung der Jüdischen Gemeinde Mainz/ Worms und des Vereins Warmaisa vorgeschlagen hat, die Aufnahme der SchUM-Städte Speyer, Worms und Mainz in die UNESCO-Welterbeliste zu betreiben. 2005 gedachten die Stadt Worms und die Jüdische Gemeinde Raschi anlässlich seines 900. Todestages. Gemeindevorsitzende Stella Schindler-Siegreich gehörte damals als Zweite Vorsitzende von Warmaisa zum Kreis der von Raschi inspirierten Gruppe.

Noch im Raschi-Jahr 2005 nahm der damalige rheinland-pfälzische Ministerpräsident Kurt Beck das Konzept des Welterbes der SchUM-Städte in sein Regierungsprogramm auf. Seit Juni 2014 stehen die SchUM-Städte offiziell auf der Tentativliste der Kultusministerkonferenz auf Platz fünf.
Urban will jetzt diese Bewerbung mit Leben füllen. Die Generaldirektion Kulturelles Erbe (GDKE) des rheinland-pfälzischen Kultusministeriums, die drei Kommunen sowie Forscher verschiedener deutscher Universitäten unterstützen den SchUM-Verein bei seinen Aktivitäten.

»Wir wollen Begeisterung auslösen«, kündigt Urban an. Ein Slogan soll verdeutlichen, worum es geht: »SchUM-Städte am Rhein – Jüdisches Erbe für die Welt«. Die jüdischen Gemeinden von Speyer, Worms und Mainz bildeten ab 1220 offiziell einen Verbund, der die Kultur, Religion und Rechtsprechung der mittel- und osteuropäischen Diaspora zutiefst prägte.

Austausch Von Anfang an bestanden zwischen den Gelehrten und Führungsgruppen der drei Gemeinden enge persönliche und familiäre Beziehungen und ein reger Austausch insbesondere in Fragen des jüdischen Rechts. Die SchUM-Städte vertraten eine gemeinsame Linie bei der Auslegung der Religionsgesetze, die als Takkanot SchUM bekannt wurden.

»Allein die Wormser Gemeinde bestand nahezu 1000 Jahre ohne Unterbrechung«, betont Urban. Bis zum Holocaust lebten Juden kontinuierlich in Worms, das dadurch zum generellen Erinnerungsort des mittelalterlichen Judentums wurde. Die inhaltliche Bedeutung geht einher mit den sichtbaren Zeugnissen, die erhalten sind: in Speyer der Judenhof mit Synagoge und Mikwe, in Worms der »Heilige Sand«, der älteste jüdische Friedhof Europas, die 1938 zerstörte und bis 1961 wiederaufgebaute Synagoge sowie die Mikwe, in Mainz schließlich der »Denkmalfriedhof« an der Mombacher Straße.

Während in Worms und Speyer das Bewusstsein für die SchUM-Tradition stets präsent war, hinkte Mainz etwas hinterher, sagt Schindler-Siegreich. Die rheinland-pfälzische Landeshauptstadt habe nicht so viele sichtbare Zeugnisse jüdischer Vergangenheit wie ihre beiden SchUM-Partner.

Durch den 2010 erfolgten Neubau der Synagoge erfuhr Mainz einen deutlichen Schub. »Architekt Manuel Herz schlug eine Brücke von der Vergangenheit zur modernen Architektur«, erklärt Stella Schindler-Siegreich. Die Synagoge trägt den Namen »Licht der Diaspora«, in Erinnerung an den jüdischen Talmudgelehrten Gershom ben Jehuda (um 960–1040). Dessen Lehren und Rechtsentscheidungen hatten Auswirkungen auf das gesamte Judentum.

Teilnehmer des Mitzvah Day 2016 in Berlin

Tikkun Olam

»Ein Licht für die Welt«

Der Mitzvah Day 2025 brachte bundesweit Gemeinden, Gruppen und Freiwillige zu mehr als 150 Projekten zusammen

 23.11.2025

München

Nicht zu überhören

Klare Botschaften und eindrucksvolle Musik: Die 39. Jüdischen Kulturtage sind eröffnet

von Esther Martel  23.11.2025

Berlin

Gegen den Strom

Wie der Ruderklub »Welle-Poseidon« in der NS-Zeit Widerstand leistete und bis heute Verbindung zu Nachfahren seiner jüdischen Mitglieder pflegt

von Alicia Rust  23.11.2025

Porträt

Glücklich über die Befreiung

Yael Front ist Dirigentin, Sängerin, Komponistin und engagierte sich für die Geiseln

von Alicia Rust  22.11.2025

Berufung

Schau mal, wer da hämmert

Sie reparieren, organisieren, helfen – und hören zu: Hausmeister von Gemeinden erzählen, warum ihre Arbeit als »gute Seelen« weit mehr ist als ein Job

von Christine Schmitt  21.11.2025

Mitzvah Day

Im Handumdrehen

Schon vor dem eigentlichen Tag der guten Taten halfen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Zentralrats bei der Berliner Tafel, Lebensmittel zu prüfen

von Sören Kittel  20.11.2025

Interview

»Selbst vielen Juden ist unsere Kultur unbekannt«

Ihre Familien kommen aus Marokko, Libyen, Irak und Aserbaidschan. Was beschäftigt Misrachim in Deutschland? Ein Gespräch über vergessene Vertreibungsgeschichten, sefardische Synagogen und orientalische Gewürze

von Joshua Schultheis, Mascha Malburg  20.11.2025

Sachsen-Anhalt

Judenfeindliche Skulptur in Calbe künstlerisch eingefriedet

Die Kunstinstallation überdeckt die Schmähfigur nicht komplett. Damit soll die Einfriedung auch symbolisch dafür stehen, die Geschichte und den immer wieder aufbrechenden Antisemitismus nicht zu leugnen

 19.11.2025

Berlin

450 Einsatzkräfte schützen jüdische Einrichtungen

Zudem seien im laufenden Jahr zwei Millionen Euro in bauliche Sicherheitsleistungen für jüdische Einrichtungen investiert worden sowie 1,5 Millionen Euro in mobile Sicherheitsleistungen für jüdische Gemeindeeinrichtungen

 19.11.2025