Laudatio

»Voller Bewunderung«

Henryk M. Broder Foto: Jochen Linz

»Mit Ahmad und Hamed ehren Sie zwei unabhängige Geister, die sich aus eigener Kraft von den Fesseln ihrer Erziehung befreit haben, ganz im Sinne von Immanuel Kant: ›Habe den Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen!‹ (…)

Ich erinnere mich, worüber wir uns (bei unserem ersten Treffen, Anm. der Redaktion) unterhalten haben – unsere Jugendsünden. Ich bin als junger Mann bei Anti-USA-Demos mitgelaufen und habe «USA- SA-SS» gerufen, du hast – viel später, aber im selben Alter – an Umzügen der Muslimbrüder teilgenommen und sowohl den USA wie Israel den baldigen Tod gewünscht. (…)

In dem Moment, als du mir von deiner fundamentalistischen Phase erzählt hast, wurde mir klar, was den Unterschied zwischen einer staatlich anerkannten moralischen Instanz und einem vom Schicksal gebeutelten jungen Moslem ausmacht: die Haltung zu der eigenen Geschichte, das Wissen um die Fehlbarkeit und Verführbarkeit, aber auch das Gefühl für die unfreiwillige Komik des eigenen Tuns. (…)

Gesellschaft Mit der Erfahrung deiner Kindheit und Jugend, lieber Hamed, hättest du auch ein Terrorist werden können. Und jeder Sozialarbeiter hätte dir bestätigt, dass du gar nicht anders konntest, weil die Gesellschaft dir keine Chance gegeben hatte. (...)

Dass du dich für einen anderen Weg entschieden hast, war – anders als unser Zusammentreffen – kein Gottesbeweis, sondern ein Beleg dafür, dass man dem Schicksal widersprechen kann. Es ist nicht leicht, es kostet Kraft, es macht oft keinen Spaß, aber: Es ist möglich. (...)

Und zwar ohne den bescheuerten Begriff Querdenker zu benutzen. Große Denker denken nicht quer, sie denken geradeaus. Du tust es auch. Und dabei gelingen dir Sätze, die mich erstarren lassen. Vor Bewunderung und auch ein wenig vor Neid, weil sie mir nicht eingefallen sind. Zum Beispiel: ›Ich bin vom Glauben zum Wissen konvertiert‹ und ›Ich habe meinen Migrationshintergrund in den Vordergrund gerückt‹. Das sind nicht Sätze, das sind Sprengsätze der Erkenntnis, die vom Publikum verstanden werden.

Es gibt nur eines, das meine Freude an deinem Erfolg ein wenig trübt. Es ist der Gedanke, wie viele Talente deiner Art ungenutzt verkümmern. Wie viele junge Ägypter, Syrer, Iraker, Araber und Muslime es nicht schaffen, vom Glauben zum Wissen zu konvertieren und in die Welt hinaus zu gehen. Wörtlich und sprichwörtlich. Wie würde die arabische Welt, der ganze Nahe und Mittlere Osten aussehen, wenn es mehr, viel mehr Hamed Abdel-Samads gäbe?

Hamed, in einem Gedicht von Wolf Biermann habe ich eine Strophe gefunden, die für dich maßgeschneidert wurde:
›Du, lass dich nicht verbrauchen,
gebrauche deine Zeit.
Du kannst nicht untertauchen,
du brauchst uns und wir brauchen
grad deine Heiterkeit.‹«

Ehrung

»Gräben aufgerissen«

Der Preis Augsburger Friedensfest ehrt Personen, die sich um ein friedvolles Miteinander der Religionen bemühen. Jetzt ging er an Josef Schuster vom Zentralrat der Juden. Er äußert sich bei der Verleihung kritisch

von Christopher Beschnitt  18.11.2025

Leipzig

Henriette Goldschmidt: Feministin der ersten Stunde

Sie wollte Frauen durch Bildung und Erwerbstätigkeit mehr Unabhängigkeit ermöglichen: Henriette Goldschmidt eröffnete in Leipzig die erste »Hochschule für Frauen«. Vor 200 Jahren wurde sie geboren

von Katharina Rögner  17.11.2025

Judenhass

Charlotte Knobloch warnt: Zukunft jüdischen Lebens ungewiss

Die Hintergründe

 16.11.2025

Porträt der Woche

Bühne und Heimweh

Emiliia Kivelevich inszeniert Theater zwischen Kunst, Glaube und Migration

von Christine Schmitt  16.11.2025

Ehrung

Göttinger Friedenspreis für Leon Weintraub und Schulnetzwerk

Zwei Auszeichnungen, ein Ziel: Der Göttinger Friedenspreis geht 2026 an Leon Weintraub und ein Schulprojekt. Beide setzen sich gegen Rassismus und für Verständigung ein

von Michael Althaus  13.11.2025

Israel

Voigt will den Jugendaustausch mit Israel stärken

Es gebe großes Interesse, junge Menschen zusammenzubringen und Freundschaften zu schließen, sagt der thüringische Regierungschef zum Abschluss einer Israel-Reise

von Willi Wild  13.11.2025

Karneval

»Ov krüzz oder quer«

Wie in der NRW-Landesvertretung in Berlin die närrische Jahreszeit eingeleitet wurde

von Sören Kittel  13.11.2025

Jüdische Kulturtage Berlin

Broadway am Prenzlauer Berg

Vom Eröffnungskonzert bis zum Dancefloor werden Besucherrekorde erwartet

von Helmut Kuhn  13.11.2025

Justiz

Anklage wegen Hausverbots für Juden in Flensburg erhoben

Ein Ladeninhaber in Flensburg soll mit einem Aushang zum Hass gegen jüdische Menschen aufgestachelt haben. Ein Schild in seinem Schaufenster enthielt den Satz »Juden haben hier Hausverbot«

 12.11.2025