Berlin

»Unsere gemeinsame Zukunft ist jetzt«

Als erster deutscher Bundespräsident hat Joachim Gauck am Sonntag den Gemeindetag des Zentralrats der Juden in Berlin besucht. Gauck wurde von der Ratsversammlung des Zentralrats und zahlreichen Gemeindetagsbesuchern mit stehenden Ovationen begrüßt.

In seiner Rede sagte er mit Bezug auf die Beschneidungsdebatte vom vergangenen Jahr, jüdische Gemeinden, jüdischer Glaube und jüdische Lebenspraxis seien »Teil unserer Kultur«. Jedem vernünftigen Menschen erscheine dies zwar als selbstverständlich: »Aber da wir nicht nur unter Vernünftigen leben, muss ein solcher Satz vom Staatsoberhaupt immer mal wieder gesagt werden«, betonte Gauck unter großem Beifall.

Er hoffe, dass der Gemeindetag allen jüdischen Gemeinden in Deutschland neuen Schwung und Mut geben werde. »Unsere gemeinsame Zukunft ist jetzt!«, sagte er in Abwandlung des Gemeindetagsmottos »Unsere jüdische Zukunft ist JETZT!« zum Schluss seiner Rede.

wunder
Zentralratspräsident Dieter Graumann, der Gauck und seine Lebensgefährtin Daniela Schadt herzlich willkommen hieß, sagte zur Begrüßung: »Dass Sie heute hier bei uns sind, ist kein Wunder, aber wunderschön.« Schon während des gemeinsamen Israel-Besuchs zusammen mit dem Bundespräsidenten habe er während eines Gesprächs mit Schoa-Überlebenden gespürt, dass mit Gauck kein routinierter Politiker am Werk sei, sondern »ein Mensch mit einer ganz empfindsamen Seele«.

Gauck, der sich insgesamt fast zwei Stunden Zeit für seinen Gemeindetagsbesuch nahm, stellte sich in einem Publikumsgespräch mit Graumann den Fragen des Zentralratspräsidenten. Vielen sei heute nicht mehr klar, dass das Gemeinwesen etwas davon habe, »wenn es viele Menschen gibt, die Werte verinnerlicht haben«, betonte Gauck in dem Gespräch.

wertevermittler Zu den bedeutendsten Wertevermittlern gehörten »nun einmal die Religionen«. Eine bewusst religiöse Erziehung von Kindern gelte heute in manchen Kreisen schon als fundamentalistisch, kritisierte Gauck. Er betonte aber auch, säkulare Bewegungen seien historisch notwendig gewesen, um »Engstirnigkeit und Borniertheit« zu überwinden, zu denen Glaubensgemeinschaften beigetragen hätten.

Kritisch fragte Graumann nach, warum sich Gauck bei seinem Israel-Besuch nicht wie Bundeskanzlerin Angela Merkel geäußert hatte, die das Eintreten für Israels Existenzrecht als Teil der deutschen Staatsräson bezeichnet. »Ich bin sicher, dass die von mir benutzte Begrifflichkeit nicht schlechter ist als eine andere«, antwortete Gauck. Deutschland habe die immerwährende Verpflichtung, an der Seite Israels zu stehen und sich unbedingt zum Existenzrecht des jüdischen Staates zu bekennen.

Zum Abschluss seines Besuchs beim Gemeindetag traf sich Gauck mit jungen Gemeindemitgliedern aus verschiedenen Städten, um mit ihnen über ihr Lebensgefühl und ihre jüdische Identität in Deutschland zu sprechen.

Justiz

Anklage wegen Hausverbots für Juden in Flensburg erhoben

Ein Ladeninhaber in Flensburg soll mit einem Aushang zum Hass gegen jüdische Menschen aufgestachelt haben. Ein Schild in seinem Schaufenster enthielt den Satz »Juden haben hier Hausverbot«

 12.11.2025

Interview

»Niemand hat Jason Stanley von der Bühne gejagt«

Benjamin Graumann, Vorsitzender der Jüdischen Gemeinde Frankfurt, weist die Vorwürfe des amerikanischen Philosophen zurück und beschuldigt ihn, Unwahrheiten über den Abend in der Synagoge zu verbreiten

von Michael Thaidigsmann  12.11.2025

Hessen

Margot Friedländer erhält posthum die Wilhelm-Leuschner-Medaille

Die Zeitzeugin Margot Friedländer erhält posthum die höchste Auszeichnung des Landes Hessen. Sie war eine der wichtigsten Stimme in der deutschen Erinnerungskultur

 12.11.2025

Berlin

Touro University vergibt erstmals »Seid Menschen«-Stipendium

Die Touro University Berlin erinnert mit einem neu geschaffenen Stipendium an die Schoa-Überlebende Margot Friedländer

 12.11.2025

Jubiläum

»Eine Zierde der Stadt«: Vor 30 Jahren wurde das Centrum Judaicum in Berlin eröffnet

Es ist einer der wichtigsten Orte jüdischen Lebens in Deutschland: Vor 30 Jahren wurde das Centrum Judaicum in der Neuen Synagoge in der Oranienburger Straße in Berlin eingeweiht. Am Dienstag würdigt dies ein Festakt

von Gregor Krumpholz, Nina Schmedding  11.11.2025

Vertrag

Jüdische Gemeinde Frankfurt erhält mehr Gelder

Die Zuwendungen durch die Mainmetropole sollen bis 2031 auf 8,2 Millionen Euro steigen

von Ralf Balke  11.11.2025

Berlin

Ein streitbarer Intellektueller

Der Erziehungswissenschaftler, Philosoph und Publizist Micha Brumlik ist im Alter von 78 Jahren gestorben. Ein persönlicher Nachruf

von Julius H. Schoeps  11.11.2025

Hannover

Ministerium erinnert an 1938 zerstörte Synagoge

Die 1938 zerstörte Neue Synagoge war einst mit 1.100 Plätzen das Zentrum des jüdischen Lebens in Hannover. Heute befindet sich an dem Ort das niedersächsische Wissenschaftsministerium, das nun mit Stelen an die Geschichte des Ortes erinnert

 10.11.2025

Chidon Hatanach

»Wie schreibt man noch mal ›Kikayon‹?«

Keren Lisowski hat die deutsche Runde des Bibelquiz gewonnen. Jetzt träumt sie vom Finale in Israel

von Mascha Malburg  10.11.2025