Interview

»Eine unglaubliche Zeit«

Michael Fürst blick auf seine 40-jährige Amtszeit als Landeschef zurück. Foto: Andreas Burmann

Herr Fürst, Sie sind nun 40 Jahre als Vorsitzender des Landesverbandes der Jüdischen Gemeinden von Niedersachsen aktiv. Zugleich feiert der Zentralrat seinen 70. Geburtstag. Wie fühlt sich das an?
Mehr als die Hälfte der Lebenszeit des Zentralrats arbeite ich nun als Landesvorsitzender von Niedersachsen. Als ich mit meinen 33 Jahren anfing, konnte ich mir schwer vorstellen, dass es 40 Jahre werden. Jetzt bin ich seit einiger Zeit wohl der dienstälteste Verbandsvorsitzende.

Was war damals im Landesverband anders als heute?
1980 gab es in Niedersachsen rund 400 Gemeindemitglieder, und das jüdische Leben war geprägt von der Generation, die nach 1945, vor allem aus dem östlichen Europa stammend, hier alles aufbaute. Sie verstand eine Menge vom Judentum, was ungemein wichtig war. Aber niemand konnte damals erahnen, was nach 1989 auf uns zukam.

Können Sie das konkretisieren?
Rein prozentual war unser Landesverband derjenige, der die meisten Zuwanderer aus der ehemaligen Sowjetunion aufnahm. Heute gibt es über 8000 Gemeindemitglieder, wir haben uns glatt verzwanzigfacht. Es war eine unglaubliche Zeit.

Was war Ihre Rolle dabei?
Wir waren die Ersten, die das Kontingentflüchtlingsverfahren umsetzten. Als rund 5000 Juden aus der Sowjetunion in die DDR kamen, sahen sie, dass es dort kaum jüdisches Leben gab. Also zogen sie weiter Richtung Westen, nach Hannover, Berlin oder Nürnberg. Wir nahmen Kontakt mit der Landesregierung auf und organisierten Hilfsangebote.

An was erinnern Sie sich noch aus Ihrer Amtszeit?
Mit Bergen-Belsen befand sich einer der wichtigsten Erinnerungsorte an die NS-Zeit in Niedersachsen, den 1985 auch Helmut Kohl und US-Präsident Ronald Reagan besuchen wollten. Das aber wurde nach der Kranzniederlegung in Bitburg, wo auch SS-Männer liegen, zum Problem. Junge Juden riefen deshalb zum Protest vor Ort auf. Diese Situation galt es zu entschärfen.

Sie waren auch der erste jüdische Bundeswehrsoldat. Wie war die Reaktion?
Als ich 1966 Soldat wurde, führte das zu Irritationen. Eine deutsche Armee, das war für die meisten noch die Wehrmacht. Aber letztendlich brachte das mit sich, dass wir in Hannover die Ersten waren, die offiziell Kontakte zur Bundeswehr aufnahmen.

Was haben Sie sich noch vorgenommen?
Ich möchte jüngere Menschen für die Gemeindearbeit begeistern. Vor allem die Altersgruppe zwischen 20 und 45 zeigt wenig Bereitschaft zum ehrenamtlichen Engagement. Das würde ich gerne ändern.

Mit dem Vorsitzenden des Landesverbandes der Jüdischen Gemeinden von Niedersachsen sprach Ralf Balke.

Berlin

»Drastisch und unverhältnismäßig«

Die Jüdische Gemeinde erhöht die Gebühren ab September deutlich. Betroffene Eltern wehren sich mit einer Petition

von Christine Schmitt  12.06.2025

Hamburg

Kafka trifft auf die Realität in Tel Aviv

Ob Krimi, Drama oder Doku – die fünften Jüdischen Filmtage beleuchten hochaktuelle Themen

von Helmut Kuhn  12.06.2025

Weimar

Yiddish Summer blickt auf 25 Jahre Kulturvermittlung zurück

Zwischen dem 12. Juli und 17. August biete die internationale Sommerschule für jiddische Musik, Sprache und Kultur in Weimar diesmal insgesamt über 100 Programmbausteine an

von Matthias Thüsing  11.06.2025

Sachsen

Verdienstorden für Leipziger Küf Kaufmann

Seit vielen Jahren setze er sich für den interreligiösen Dialog und den interkulturellen Austausch von Menschen unterschiedlicher Herkunft ein

 11.06.2025

Oldenburg

Brandanschlag auf Synagoge: Beschuldigter bittet um Entschuldigung

Am 5. April 2024 war ein Brandsatz gegen die massive Tür des jüdischen Gebetshauses in der Leo-Trepp-Straße geworfen worden

 11.06.2025

Erinnerung

731 Schulen erinnern an Anne Frank

Der Aktionstag findet seit 2017 jährlich am 12. Juni, dem Geburtstag des Holocaust-Opfers Anne Frank (1929-1945), statt

 11.06.2025

Grand Schabbaton

Eine 260-köpfige Familie

In Potsdam brachte der»Bund traditioneller Juden« mehrere Generationen zusammen

von Mascha Malburg  11.06.2025

Meinung

Jewrovision: einfach jung und jüdisch sein

Junge Jüdinnen und Juden sind alltäglich Anfeindungen ausgesetzt. Für sie ist die Jewrovision ein Safe Space

von Katrin Richter  11.06.2025

Jewrovision

Party der Herzen

1300 Jugendliche kamen in Dortmund zum größten Gesangs- und Tanzwettbewerb für jüdische Kinder und Teenager zusammen. In angespannten Zeiten lebten sie das Motto »United in Hearts«

von Katrin Richter  11.06.2025