Feiertage

Tradition im Paket

Chag Sameach!» Kaum hat man die bunte Box mit dem Maskottchen des blauen Mischpacha-Vogels darauf geöffnet, raschelt rotes Seidenpapier. Sogleich fallen die Ausstechformen für die Plätzchen zu Rosch Haschana in die Hände: Apfel, Tora und Schofar, samt Rezept für «Sugar Cookies».

Zusammen mit einem kleinen Jutebeutel und orangefarbener Kochschürze mit einer Challa darauf bilden sie das Intro der neuen Mischpacha-Pakete für Kinder der Altersstufe von vier bis fünf Jahren, die der Zentralrat der Juden in Deutschland kostenfrei Gemeindemitgliedern und interessierten jüdischen Familien zur Verfügung stellt.

Viermal im Jahr frei Haus

Seit Chanukka 2018 werden die Feiertagspakete viermal im Jahr frei Haus verschickt. Jetzt sind die Päckchen des Monats Tischri mit den Feiertagen Rosch Haschana und Sukkot bereit für den Versand. «Zum einen gibt es einen Mangel an deutschsprachigen Materialien», sagt Michelle Piccirillo.

Zusammen mit Rachel Hefter, Judith Diamond und Susanna Schmuckmann vom Familienreferat des Zentralrats zeichnen sie für Inhalt und Vertrieb der Boxen verantwortlich: «Ein anderer Aspekt ist, dass die Familien jüdische Traditionen zu Hause leben können und darüber vielleicht auch den Weg in die Gemeinden finden. Das Angebot ist sehr niedrigschwellig und so gestaltet, dass es für Familien mit allen Hintergründen zugänglich ist, auch für jene, die bisher wenig mit dem Judentum zu tun hatten.»

Aber weiter mit dem Auspacken der Pakete. Ein abwaschbares Platzset zeigt symbolische Speisen: Granatapfel, Apfel mit Honig, die runde Challa, Fischkopf, Datteln, Rote Bete, Lauch, Grüne Bohnen, Karotte und Kürbis. Das Mal-, Rätsel- und Bastelheft «Kunterbunte Mischpacha-Welt» ist in diesem Jahr neu hinzugekommen. Es bietet ein Füllhorn an Spielen zu Rosch Haschana und Jom Kippur, Sukkot und Simchat Tora. Apfelpaare, Jonas und der Wal, ein Mandala, Monatsrad, Tischri-Symbole zum Ausschneiden, Dekorationen und die Uschpisin-Figuren Sara, Esther, David, Mosche. Ganz unten noch eine Sukka zum Zusammenbasteln.

Feiertagsbriefe: das «Herzstück» für die Eltern

In der noch größeren Box für ein- bis dreijährige Kinder finden sich ein herrliches Puzzle – «Was gehört zusammen?» –, Badeschwämmchen als Honigtopf oder Granatapfel und ein Schofar, das auch echte Töne von sich gibt. Dazu in allen Paketen jeweils das «Herzstück» für die Eltern, die Feiertagsbriefe: grundlegende Informationen, sehr ausführlich und schön gestaltet wie die gesamten Boxen von einem Grafikteam unter der Leitung der Referentin für visuelle Kommunikation und Branding, Dorit Bialer.

«In den Paketen ist alles, was die Familien zu den Feiertagen brauchen.»

Michelle Piccirillo

Es ist ganz einfach. Man muss sich nur auf der Website «mischpacha.de» registrieren und bestellen. Dort kann man sich ebenso für ein Probejahr anmelden. Wichtig ist, das Geburtsdatum der Kinder anzugeben, dann wird das Paket altersgerecht geschnürt. «In den Paketen ist alles, was sie zu den Feiertagen brauchen, und es wird direkt nach Hause geliefert», sagt Michelle Piccirillo. Dort lernt man beispielsweise, wie man sich zu den Feiertagen grüßt und was in der Synagoge passiert. «Wie man sich vorbereiten kann auf die Feiertage, was man basteln oder unternehmen könnte.»

«In den Briefen befinden sich auch die wichtigsten Gebete, Lieder und Segenssprüche, sowohl in Hebräisch als auch in Lautschrift und Übersetzungen», sagt Rachel Hefter. Einhergehend mit den entsprechenden Überlieferungen, Jona und der Wal, die Chanukka-Geschichte. Und natürlich die wichtigsten Rezepte wie Tzimmes, Ofenfisch, Runde Challa, Rote-Bete-Salat, Honigkuchen oder «Oma Margots Chaloppsches» – das Rezept stammt tatsächlich von Judith Diamonds Großmutter. Wer die Melodien nicht kennt, kann sich die Lieder auch per QR-Code oder USB-Stick anhören.

Erstmals sind in diesem Jahr auch Texte und Geschenke für Fünfjährige enthalten

«Die Briefe werden immer ausführlicher, je älter die Kinder werden, damit die Eltern viel erklären können», so Hefter. Weil im Monat Tischri etliche Feiertage zusammenkommen, werden sie jeweils in einer Box zusammengefasst. Erstmals sind in diesem Jahr auch Texte und Geschenke für Fünfjährige enthalten, «und wir arbeiten derzeit am sechsten Lebensjahr».

«Unsere Anmeldedaten zeigen: Von säkular über modern-orthodox bis orthodox sind alle dabei, und es ist uns ein großes Anliegen, dass sich alle wiederfinden. Zurzeit haben wir über 800 Kinder im Programm», so Piccirillo. 16.237 Pakete, inklusive der aktuellen Tischri-Boxen, haben die Familienreferentinnen bereits verschickt. Alle Materialien werden auch jüdischen Gemeinden und Kitas zur Verfügung gestellt.

In ihrem Büro stapeln sich die «Produkte» bis unter die Decke: Wimmelbücher über Israel und CDs, Puzzlespiele, Malbücher oder Bastelanleitungen. 262 verschiedene Artikel, «und es werden täglich mehr, alle von uns produziert und generiert, in Zusammenarbeit mit Pädagogen und der Community», sagt Piccirillo. Gemeinsam versuchen die Referentinnen zudem, ein Bindeglied zu den Gemeinden zu sein und Kontakte herzustellen, falls gewünscht.

Logistische Herausforderung

Das Ganze stellt eine immense logistische Herausforderung dar. Jeweils im Monat Tischri, zu Chanukka und Tu Bischwat, zu Purim und zu Pessach und Schawuot werden die Mischpacha-Boxen verschickt. Dazu kommen, einmalig für Neuzugänge, die Schabbat-Pakete mit Challa-Decke, Kiddusch-Becher, Hawdala-Kerze und Gewürzmischung sowie die Babyboxen mit Rabbiner-Quietschentchen, Kippa, Lätzchen, Mesusa und einem zart-weichen Symbole-Buch aus Stoff zum Knuddeln.

«Man bekommt eigentlich ständig alles, was man braucht», lacht Michelle Piccirillo. Zu jedem Geburtstag trudeln Geschenke und Spiele frei Haus ein und in jedem Quartal die Elternbriefe, in denen es sowohl um die Kindesentwicklung bis hin zum Termin zur Vorsorgeuntersuchung als auch um jüdische Tradition und Werte geht.

In ihrem Büro stapeln sich Wimmelbücher über Israel, CDs, Puzzlespiele bis unter die Decke.

Judith Diamond gehörte einmal selbst zu denjenigen, die die Pakete bekommen, und sie habe dann «die Seiten gewechselt»: «Es ist eine Arbeit, die sehr nah an unserem Leben ist, weil wir alle Familien haben, eine Arbeit, die sehr erfüllend ist und Spaß macht», bringt sie es auf den Punkt.

Aufgrund der aktuellen Situation wird auf den Paketen auf den Absender und jüdische Symbolik verzichtet. «Jüdisch aufzuwachsen in Deutschland, das ist gespickt mit Herausforderungen», stellt Michelle Piccirillo fest. «Ich finde es bedeutend, unseren Beitrag zu leisten, für die Familien eine Normalität im Umgang mit dem Judentum herzustellen und jüdische Identität zu stärken. Das ist uns eine Herzensangelegenheit.» Seit dem 7. Oktober 2023 sei es noch viel wichtiger, «genau diese Normalität nach Hause zu bringen», so Hefter.

Das merken die Referentinnen auch am Feedback. «Nur positiv», resümieren sie. Und freuen sich über konstruktive Kritik. «Warum kommen bei den Uschpisin nur die Stammesväter und nicht die Stammesmütter vor?», schrieb der Vater eines Mädchens neulich. «Also haben wir das geändert», schmunzelt Piccirillo.

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