Stuttgart

Talentschmiede für den Klassiknachwuchs

Auch junge Klaviervirtuosen müssen in die Schule: Samuel Gampel beim Vorspielen Foto: Edgar Layher

Keine Interviews vor dem Auftritt! Lampenfieber beherrscht die meisten jungen Künstler, die sich am vergangenen Sonntag im Gemeindezentrum der Israelitischen Religionsgemeinschaft Württemberg (IRGW) am Klavier auf ihren Vortrag beim sechsten Karl-Adler-Musikwettbewerb Baden-Württemberg vorbereiteten. Auch Samuel Gampel spielt sich ein, übt ein paar Takte aus Joseph Haydns Sonate Nr. 14, lässt den Spanischen Tanz von Enrique Granados anklingen.

Rekordanmeldung Leise schließt die Tür zum Übungszimmer. 64 Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene haben sich in diesem Jahr bei der künstlerischen Initiatorin und Organisatorin Margarita Volkova-Mendzelevskaya angemeldet, so viele, dass der Wettbewerb erstmalig an zwei Sonntagen stattfindet.

»Der Karl-Adler-Jugendmusikwettbewerb Baden-Württemberg hat sich seit seiner Einrichtung im Gedenken an Karl Adler sel. A. im Jahr 2007 sehr gut entwickelt«, sagt Vorstandssprecherin Barbara Traub. »Wir begrüßen es sehr, dass dem Ruf zur Teilnahme mittlerweile junge Nachwuchstalente aus ganz Deutschland und über die Grenzen der Bundesrepublik hinaus gefolgt sind.«

Die zwölfjährige Klavierschülerin Galina Umanskaja war aus Moskau angereist, die 19-jährige Geigerin Daniela Yampolsky kam aus Wien. Auch Studenten von der heimischen Musikhochschulen nahmen in einer eigenen Kategorie erstmals am Wettbewerb teil.

Auftritt »Samuel Gampel«, ruft Margarita Volkova-Mendzelevskaya in den Vortragssaal. Der Zwölfjährige – im weißen Hemd, schwarzer Hose und blank geputzten schwarzen Schuhen – verbeugt sich vor der Jury, setzt sich auf den Klavierhocker, konzentriert sich, beginnt seinen Vortrag auf dem Kawai-Flügel. Jessica, seine Schwester und die Großmutter sitzen in der ersten Reihe, im Hintergrund filmt die Mutter. Samuel spielt konzentriert, »stolpert« nur einmal kurz beim Spiel.

»So gut klingt Zukunft« – das Motto des Wettbewerbs wird auch bei Samuels Spiel hörbar. Einmal wöchentlich fährt der Zwölfjährige zum Klavierunterricht ins Konservatorium »Georg Friedrich Händel« nach Halle. Begonnen hat er mit fünf Jahren. Samuel beendet sein anspruchsvolles Spiel. »Nani«, Mina Gampel, die Großmutter, lobt ihren Enkel. Später wird Samuel erfahren, dass er – wie schon im vergangenen Jahr – zu den Preisträgern gehört. Und natürlich hat er wie viele Teilnehmer beim Karl-Adler-Jugendmusikwettbewerb auch schon mehrfach Preise beim bundesdeutschen Wettbewerb »Jugend musiziert« gewonnen.

Hineinschnuppern Vor der Gemeindesaaltür sitzt Michael Sharaga. Er will die Stuttgarter Jury zum ersten Mal von seinem Talent überzeugen und auch sonst »mal gucken, wie es hier ist«. Der Klavierschüler aus Viernheim in Südhessen, der in wenigen Tagen 15 Jahre alt wird, kam mit seiner Familie vor zwölf Jahren aus Usbekistan nach Deutschland. Vor zwei Wochen bekam Michael die deutsche Staatsbürgerschaft. »Voll langweilig«, fanden seine Mitschüler, dass er sich für Klavierunterricht entschieden hatte.

Inzwischen aber bewundern sie ihn, und in der Schule steht »der Name Sharaga für das Musikalische«, erzählt Michael. Denn auch sein drei Jahre jüngerer Cousin Maximilian ist ein hoffnungsvolles Klaviertalent. Michael aus Viernheim gehört zu den Preisträgern.

»Besonders bei den Neuzuwanderern aus der ehemaligen Sowjetunion spielt eine klassische, musikalische Erziehung eine sehr große Rolle«, sagt Barbara Traub. Aus der Sicht der Gemeinde sei das sehr positiv. »Es wäre äußerst schade, wenn diese Wertschätzung im Zuge der Integration verloren ginge. Mit dem Karl-Adler-Jugendmusikwettbewerb versuchen wir gegenzusteuern«, so die Vorstandssprecherin.

Preisgeld Über 10.000 Euro beträgt in diesem Jahr der Preisträgerfonds, den der Mitinitiator des Wettbewerbs und IRGW-Mitglied, Martin Widerker, gemeinsam mit der IRGW und dem Rotary Club Stuttgart gespendet hat. Das Stuttgarter Lehrhaus sowie andere Talentförderer stiften den Fonds für Sonder- und Förderpreise.

Familie Gampel packt am Sonntagnachmittag ihre Sachen. Fünf Stunden Autofahrt liegen vor ihnen. Am nächsten Morgen klingelt der Wecker um 5.30 Uhr, ein Mathetest steht an. Auch Klaviertalente müssen in die Schule gehen. Am 24. Juni stellen sich ab 10 Uhr die Geiger, Celisten, Gitarristen und Klavier-Duos der Jury. Am 1. Juli findet das Konzert der Preisträger statt.

Ehrung

Göttinger Friedenspreis für Leon Weintraub und Schulnetzwerk

Zwei Auszeichnungen, ein Ziel: Der Göttinger Friedenspreis geht 2026 an Leon Weintraub und ein Schulprojekt. Beide setzen sich gegen Rassismus und für Verständigung ein

von Michael Althaus  13.11.2025

Israel

Voigt will den Jugendaustausch mit Israel stärken

Es gebe großes Interesse, junge Menschen zusammenzubringen und Freundschaften zu schließen, sagt der thüringische Regierungschef zum Abschluss einer Israel-Reise

von Willi Wild  13.11.2025

Karneval

»Ov krüzz oder quer«

Wie in der NRW-Landesvertretung in Berlin die närrische Jahreszeit eingeleitet wurde

von Sören Kittel  13.11.2025

Jüdische Kulturtage Berlin

Broadway am Prenzlauer Berg

Vom Eröffnungskonzert bis zum Dancefloor werden Besucherrekorde erwartet

von Helmut Kuhn  13.11.2025

Justiz

Anklage wegen Hausverbots für Juden in Flensburg erhoben

Ein Ladeninhaber in Flensburg soll mit einem Aushang zum Hass gegen jüdische Menschen aufgestachelt haben. Ein Schild in seinem Schaufenster enthielt den Satz »Juden haben hier Hausverbot«

 12.11.2025

Interview

»Niemand hat Jason Stanley von der Bühne gejagt«

Benjamin Graumann, Vorsitzender der Jüdischen Gemeinde Frankfurt, weist die Vorwürfe des amerikanischen Philosophen zurück und beschuldigt ihn, Unwahrheiten über den Abend in der Synagoge zu verbreiten

von Michael Thaidigsmann  12.11.2025

Hessen

Margot Friedländer erhält posthum die Wilhelm-Leuschner-Medaille

Die Zeitzeugin Margot Friedländer erhält posthum die höchste Auszeichnung des Landes Hessen. Sie war eine der wichtigsten Stimme in der deutschen Erinnerungskultur

 12.11.2025

Berlin

Touro University vergibt erstmals »Seid Menschen«-Stipendium

Die Touro University Berlin erinnert mit einem neu geschaffenen Stipendium an die Schoa-Überlebende Margot Friedländer

 12.11.2025

Jubiläum

»Eine Zierde der Stadt«: Vor 30 Jahren wurde das Centrum Judaicum in Berlin eröffnet

Es ist einer der wichtigsten Orte jüdischen Lebens in Deutschland: Vor 30 Jahren wurde das Centrum Judaicum in der Neuen Synagoge in der Oranienburger Straße in Berlin eingeweiht. Am Dienstag würdigt dies ein Festakt

von Gregor Krumpholz, Nina Schmedding  11.11.2025