Woche der Brüderlichkeit

Seit 66 Jahren

Die Schleife der Verständigung: An diesem Logo sind die meisten der bundesweit mehr als 80 Gesellschaften für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit zu erkennen. Foto: PR

Woche der Brüderlichkeit

Seit 66 Jahren

In diesem Jahr ist das Ruhrgebiet Mittelpunkt der Aktivitäten. Im Fokus steht das Flüchtlingsthema

von Heide Sobotka  05.03.2018 20:24 Uhr

»Angst überwinden – Brücken bauen« lautet in diesem Jahr das Motto der »Woche der Brüderlichkeit«. Und es ist – nach Aussage des Koordinierungsrates der Gesellschaften für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit – dezidiert aufgrund der Flüchtlingserfahrung der vergangenen Jahre entstanden und ausgewählt worden.

Brücken bauen – so hatten die Gründerväter und -mütter dieser Vereinigung es sich nach der NS-Herrschaft erhofft. Sie suchten nach der Schoa den Dialog im Wissen über die »historische Schuld (...) und der bleibenden Verantwortung angesichts der in Deutschland und Europa von Deutschen und in deutschem Namen betriebenen Vernichtung jüdischen Lebens«, so ihr Selbstverständnis. »Begründet in der biblischen Tradition folgen sie der Überzeugung, dass im politischen und religiösen Leben eine Orientierung nötig ist, die Ernst macht mit der Verwirklichung der Rechte aller Menschen auf Leben und Freiheit ohne Unterschied des Glaubens, der Herkunft oder des Geschlechts.«

Festspielhaus
Am 11. März wird die Woche der Brüderlichkeit feierlich im Ruhrfestspielhaus Recklinghausen eröffnet. Seit Jahresbeginn und in den nächsten Wochen und Monaten wird der Versuch unternommen, Brücken auf die unterschiedlichste Art und zu den verschiedensten Zielen hin zu bauen. Viele Schulen beteiligen sich mit Projekten, sodass man davon ausgehen darf, dass viele Schüler den Rattenfängern von Rassismus und Antisemitismus entkommen werden.

Eingebunden sind auch die jüdischen Gemeinden von Recklinghausen und Gelsenkirchen, aber auch viele andere jüdische Gemeinden von Flensburg bis Straubing beteiligen sich.
Es ist ihnen eine Ehre, wie der Vorsitzende der Jüdischen Kultusgemeinde Recklinghausen, Mark Gutkin, und seine Kollegin aus Gelsenkirchen, Judith Neuwald-Tasbach, betonen. Ihrer beiden Gemeinden stehen bei der Woche der Brüderlichkeit in diesem Jahr im Mittelpunkt. Er wolle eine offene Gemeinde präsentieren, sagt Gutkin und erwartet schon vor der offiziellen Eröffnung am 9. März zu Gottesdienst und anschließendem reichhaltigen Kiddusch Gäste.

Am Samstag laden die Veranstalter zu einem Stadtspaziergang auf den Spuren jüdischen Lebens in Recklinghausen mit anschließender Vorstellung des Online-Gedenkbuchs ein. Treffpunkt für die Führung ab 10.30 Uhr ist die Katholische Propstei St. Peter, Kirchplatz 4.

Ebenfalls am Samstag wird ein Rundgang zur jüdischen Geschichte durch das Stadtarchiv angeboten. Treffpunkt ist das Institut für Stadtgeschichte und Vestisches Archiv, Hohenzollernstraße 12. Des Weiteren kann das Jüdische Museum Westfalen in Dorsten (10.30 Uhr ab Buswarteplatz Wickingplatz, Nähe Hauptbahnhof) oder die Dokumentations- und Forschungsstelle Justiz und Nationalsozialismus mit Führung durch die Dauerausstellung und weiteren Informationen (ebenfalls 10.30 Uhr ab Wickingplatz) besichtigt werden.

Kooperation Mark Gutkin freut sich vor allem auch auf die Vertreter der christlichen Kirchen, mit denen er am 12. März zusammentreffen wird. In einem Beitrag für das Heft zum Rahmenprogramm betont Gutkin die gute Kooperation zwischen der Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit und der Kultusgemeinde von Beginn an. Ihr erster Vorsitzender Werner Schneider habe sehr schnell Kontakt zu den wenigen Überlebenden der Schoa gesucht, die nach Recklinghausen zurückgekommen waren. Es sei mehr als verdient, dass die Ortsgesellschaft in Recklinghausen für ihre Verdienste mit der Austragung der zentralen Feier geehrt werde, so Gutkin.

Nicht Wochen, sondern Monate dauert das Programm der Woche der Brüderlichkeit allein im Ruhrgebiet, und alle Gesellschaftsbereiche werden einbezogen. Für Anfang April ist eine einwöchige Studienfahrt für Lehrer zu den Gedenkorten von Warschau, Lublin, Włodawa, Zamosž und Izbica vorgesehen. Am 22. April beteiligt sich die Recklinghauser Gemeinde an einem Konzert aus Anlass des 70. Jahrestages der Staatsgründung Israels. »Juden und Demokratie« heißt ein Vortrag am 15. Mai, den die Volkshochschule Recklinghausen im Willy-Brandt-Haus anbietet.

Die Wege im Ruhrgebiet von einer Stadt zur nächsten sind kurz. Daher lädt die Jüdische Gemeinde Gelsenkirchen vom 16. Mai bis 6. Juni zum Besuch ihrer Ausstellung Lust an der Lehre ins Gemeindezentrum in der Georgstraße ein. »Krieg und Frieden« betitelt die Volkshochschule Recklinghausen ihren Themenspaziergang über den Nordfriedhof am 17. Mai.

Mehr als 300 Seiten umfasste der Bericht des Unabhängigen Expertenkreises Antisemitismus, den dieser vor einem Jahr zum Judenhass in Deutschland vorlegte. »Antisemitismus entschlossen bekämpfen, jüdisches Leben in Deutschland weiterhin nachhaltig fördern« lautet das Referat von Andreas Nachama am 28. Mai in Gladbeck. Der Rabbiner, Historiker und Direktor der Berliner Stiftung Topographie des Terrors gehörte dem Expertenkreis an und wird von seinen Erfahrungen berichten.

Schalke Am 4. Juni stellt sich der Fußballklub Schalke 04 seiner NS-Vergangenheit. Im Schalke-Museum am Treppenhaus 12 in der Veltins-Arena erzählen Christine Walther und Sven Graner »Jüdische Geschichte(n) auf Schalke«. Am 7. Juni zeigt die Jüdische Gemeinde Gelsenkirchen Interessierten ihre Synagoge. Fast schon Tradition ist das gemeinsame Kochen der Jüdischen Gemeinde Gelsenkirchen im Courtyard Marriott. Interessierte sollten sich möglichst vorher anmelden, da der Teilnehmerkreis begrenzt ist. Am 9. Juli erwartet die Gäste ein Vier-Gänge-Menü. Gemeindevorsitzende Judith Neuwald-Tasbach und Norbert Labatzki alias Dr. Stolzenfels begleiten den kulinarischen Abend mit Lesungen und Musikbeiträgen.

Wer Antisemitismus begegnen möchte, muss bei der Jugend beginnen, mögen sich die Veranstalter gedacht haben und initiierten in diesem Jahr einen Schülerwettbewerb für Klassen aller Schulformen im Kreis Recklinghausen und Bottrop. Aufgabe ist es, einen Videoclip mit einer Mindestlänge von fünf Minuten zum Thema »Woche der Geschwisterlichkeit – Brücken bauen« zu drehen. In dem Wettbewerb sollen sich die Schüler über die Situation der Flüchtlinge, die nach Deutschland kommen, Gedanken machen, indem sie sie aktiv an der Erstellung der Videoclips beteiligen. So sollen sie Ängste überwinden.

Auch wenn sie manchmal etwas steif und staatstragend daherkommt, die Woche der Brüderlichkeit motiviert Menschen, aufeinander zuzugehen. Außerdem: Wohl kaum war ein Motto zur Woche der Brüderlichkeit so aktuell und alltagsnah wie in diesem Jahr.

www.deutscher-koordinierungsrat.de

Ehrung

Göttinger Friedenspreis für Leon Weintraub und Schulnetzwerk

Zwei Auszeichnungen, ein Ziel: Der Göttinger Friedenspreis geht 2026 an Leon Weintraub und ein Schulprojekt. Beide setzen sich gegen Rassismus und für Verständigung ein

von Michael Althaus  13.11.2025

Israel

Voigt will den Jugendaustausch mit Israel stärken

Es gebe großes Interesse, junge Menschen zusammenzubringen und Freundschaften zu schließen, sagt der thüringische Regierungschef zum Abschluss einer Israel-Reise

von Willi Wild  13.11.2025

Karneval

»Ov krüzz oder quer«

Wie in der NRW-Landesvertretung in Berlin die närrische Jahreszeit eingeleitet wurde

von Sören Kittel  13.11.2025

Jüdische Kulturtage Berlin

Broadway am Prenzlauer Berg

Vom Eröffnungskonzert bis zum Dancefloor werden Besucherrekorde erwartet

von Helmut Kuhn  13.11.2025

Justiz

Anklage wegen Hausverbots für Juden in Flensburg erhoben

Ein Ladeninhaber in Flensburg soll mit einem Aushang zum Hass gegen jüdische Menschen aufgestachelt haben. Ein Schild in seinem Schaufenster enthielt den Satz »Juden haben hier Hausverbot«

 12.11.2025

Interview

»Niemand hat Jason Stanley von der Bühne gejagt«

Benjamin Graumann, Vorsitzender der Jüdischen Gemeinde Frankfurt, weist die Vorwürfe des amerikanischen Philosophen zurück und beschuldigt ihn, Unwahrheiten über den Abend in der Synagoge zu verbreiten

von Michael Thaidigsmann  12.11.2025

Hessen

Margot Friedländer erhält posthum die Wilhelm-Leuschner-Medaille

Die Zeitzeugin Margot Friedländer erhält posthum die höchste Auszeichnung des Landes Hessen. Sie war eine der wichtigsten Stimme in der deutschen Erinnerungskultur

 12.11.2025

Berlin

Touro University vergibt erstmals »Seid Menschen«-Stipendium

Die Touro University Berlin erinnert mit einem neu geschaffenen Stipendium an die Schoa-Überlebende Margot Friedländer

 12.11.2025

Jubiläum

»Eine Zierde der Stadt«: Vor 30 Jahren wurde das Centrum Judaicum in Berlin eröffnet

Es ist einer der wichtigsten Orte jüdischen Lebens in Deutschland: Vor 30 Jahren wurde das Centrum Judaicum in der Neuen Synagoge in der Oranienburger Straße in Berlin eingeweiht. Am Dienstag würdigt dies ein Festakt

von Gregor Krumpholz, Nina Schmedding  11.11.2025