Gemeindetag 2019

»Mein Leben ist hier«

Heute beginnt in Berlin der Gemeindetag des Zentralrats der Juden. Zu dem viertägigen Treffen werden mehr als 1000 Teilnehmer erwartet. Das diesjährige Motto lautet »In Deutschland zu Hause«. Wir haben Besucher gefragt, wo sie sich zu Hause fühlen.

Eva Compan-Mimran und Rachel Mimran, Stuttgart
Meine Mutter und ich sind zum ersten Mal beim Gemeindetag dabei. Ich bin in Deutschland geboren, meine Mutter kommt aus Israel. Wir haben durch Zufall bei einem ZWST-Seminar vom Gemeindetag erfahren, eine Teilnehmerin hatte so davon geschwärmt! Und sie hat nicht übertrieben. Schon jetzt ist es wie Nachhausekommen – das gleiche Gefühl, das wir auch immer haben, wenn wir in Israel sind. In Deutschland haben wir weniger Heimatgefühl. Ich bin hier geboren und aufgewachsen, habe hier studiert, bin hier Lehrerin, organisiere mit meinen Schülern Israelaustausch. Ich fühle mich schon wohl. Aber es ist nicht das Gleiche. Hier, auf dem Gemeindetag, schon! Hier freuen wir uns einfach auf alles. Das Thema Militärrabbiner interessiert uns sehr, auch das Thema Israel in den Medien. Und wir wollen unbedingt Yael Adler erleben. Die sehe ich immer im Fernsehen.

Max Garbinski (64), Köln
Deutschland ist mein Geburtsland. In Deutschland bin ich zu Hause. Richtig wohl fühle ich mich aber nur in Israel. Oder jetzt hier beim Gemeindetag. Vier Tage nur unter Juden – das ist doch wunderbar. Ich freue mich sehr.

Milana Kilasonija (23), Hannover
Ich bin das erste Mal beim Gemeindetag dabei – und freue mich sehr. Gespannt bin ich auf die Atmosphäre. Bei uns in Hannover gibt es nicht ganz so viel jüdische Kulturangebote. Hier schon. Das werde ich nutzen, so viel wie möglich. In Deutschland bin ich zu Hause. Aber in letzter Zeit denke ich gelegentlich darüber nach, ob ein anderes Land vielleicht nicht doch eine Alternative wäre.

Jana Eva Kelerman (25), Mülheim
Ich wollte in diesem Jahr unbedingt mit dabei sein. Vor allem der Lesungen wegen. Ganz besonders freue ich mich auf die von Thomas Meyer, denn ich habe alle seine Bücher gelesen. Meine Gemeinde ist in Lörrach, aber ich komme aus Mülheim. Ich bin in Deutschland geboren, meine Eltern sind aus der ehemaligen Sowjetunion. Mein Leben ist hier in Deutschland, und ich möchte hier meinen Platz finden. Allerdings ist der Begriff Heimat für mich schwer zu definieren. Ich reise sehr gern, bin viel unterwegs, und ich muss noch herausfinden, wo meine Heimat ist oder sein wird.

Friedrich Thul (63) mit Tochter Victoria (17), Düsseldorf
Wir kommen aus Düsseldorf. Dieses Mal sind wir nur zu zweit hier, denn meine Frau und mein Sohn können aus Termingründen nicht teilnehmen. Das Programm hat mich sehr angesprochen. Meine Tochter war gerade zwei Jahre in Israel, wo sie viele Freunde gefunden hat. Mit dem Motto des Gemeindetages »In Deutschland zu Hause« hat sie deshalb ein wenig Probleme. Ihre Zweitfamilie in Israel ist ihr doch sehr nah. Daher unterschreibt sie das Motto nur so »halbe, halbe«. Für mich ist es keine Frage: Ja, ich bin natürlich in Deutschland zu Hause, wobei die vielen antisemitischen Vorkommnisse nicht gerade zum Wohlbefinden beitragen. Da macht man sich schon so seine Gedanken.

Inge Steindler, Mönchengladbach
Ich freue mich besonders auf die FDP-Generalsekretärin Linda Teuteberg. Ich bin selbst bei den Liberalen aktiv – und setze mich für Religionsfreiheit und die jüdische Gemeinschaft ein. Bin ich in Deutschland zu Hause? Und ist der Kampf gegen Antisemitismus wirklich noch zu gewinnen? Ich weiß es nicht. Leider. Hoffentlich müssen wir in Zukunft nicht nochmal die Koffer packen.

Kim Cecile Pitzer (57), Pohlheim, mit Nira Scherer (60), Wiesbaden
Wir möchten auf dem Gemeindetag viel über das Judentum erfahren, wollen das Angebot der Workshops nutzen, das Ambiente genießen und auch zu den Lesungen gehen. Schon auf dem vergangenen Gemeindetag haben wir viele spannende Politiker und Journalisten kennengelernt. Dass so viele Juden zusammenkommen, das hat man auch nicht oft. Besonders interessiert uns die Lesung von Christian Berkel und Sessions, die mit Israel zu tun haben. Niras Zuhause ist Israel, auch nach 30 Jahren. Und ich fühle mich in Deutschland zu Hause. Ich bin in den USA geboren und fühle mich hier sicher. Ich weiß um die Gefahren, aber Angst, die habe ich nicht.  ja

Feiertage

Tradition im Paket

Das Familienreferat des Zentralrats der Juden verschickt die neuen Mischpacha-Boxen mit allerhand Wissenswertem rund um Rosch Haschana und Sukkot

von Helmut Kuhn  12.09.2025

Interview

»Berlin ist zu meiner Realität geworden«

Die Filmemacherin Shoshana Simons über ihre Arbeit, das Schtetl und die Jüdische Kunstschule

von Pascal Beck  11.09.2025

München

Ein Fundament der Gemeinde

Die Restaurierung der Synagoge an der Reichenbachstraße ist abgeschlossen. In den Erinnerungen der Mitglieder hat das Haus einen besonderen Platz

von Luis Gruhler  11.09.2025

Berlin

Soziale Medien: »TikTok-Intifada« und andere Probleme

Denkfabrik Schalom Aleikum beschäftigt sich auf einer Fachtagung mit Hass im Netz: »Digitale Brücken, digitale Brüche: Dialog in Krisenzeiten«

 11.09.2025

Dialog

Brücken statt Brüche

Eine neue große Tagung der Denkfabrik Schalom Aleikum widmet sich der digitalen Kommunikation in Krisenzeiten

 11.09.2025

Dialog

Freunde wie Berge

Juden und Kurden verbindet eine jahrtausendealte Freundschaft. Um ein Zeichen der Gemeinsamkeit zu senden und sich des gegenseitigen Rückhalts zu versichern, kamen sie nun auf Einladung der WerteInitiative in Berlin zusammen

von Katrin Richter  10.09.2025

Literatur

»Es wird viel gelacht bei uns«

Der Historiker Philipp Lenhard und die Schriftstellerin Dana von Suffrin über den von ihnen gegründeten Jüdischen Buchklub, vergessene Klassiker und neue Impulse

von Luis Gruhler  09.09.2025

Ausstellung

Lesen, Schreiben, Sehen, Handeln, Überleben

Im Literaturhaus München wird das Leben der amerikanischen Denkerin und Publizistin Susan Sontag gezeigt

von Ellen Presser  09.09.2025

München

Spur der heiligen Steine

Es war ein Sensationsfund: Bei Baumaßnahmen am Isarwehr wurden Überreste der früheren Hauptsynagoge entdeckt. Der Schatz wird nun vom Jüdischen Museum erforscht

von Michael Schleicher  07.09.2025