München

Lebendige Kooperation

Für die Israelitische Kultusgemeinde München und Oberbayern war es ein ganz besonderer Tag. Das war nicht nur zu erkennen an der Anwesenheit von Bundesbildungsministerin Anja Karliczek und anderen hochrangigen Gästen, sondern vor allem auch an den vielen strahlenden Gesichtern. Ein eigenes Schulgebäude für das jüdische »Helene Habermann Gymnasium« – dieser Traum wurde mit Beginn des Schuljahres zur Wirklichkeit.

Die offizielle Inbetriebnahme der neuen Räumlichkeiten auf dem Campus der Europäischen Schule im Fasangarten fand in einem feierlichen Rahmen statt. An dem Programm waren nicht nur die Schüler des Gymnasiums, sondern auch die »neuen Nachbarn« beteiligt. Ein Chor der Europäischen Schule stimmte den »Welcome Song« an.

IKG-Präsidentin Charlotte Knobloch sprach in ihrer Begrüßungsrede von einem »neuen Kapitel« in der Geschichte des Gymnasiums und einem »historischen Tag für die jüdische Gemeinde«. Befreit von allen räumlichen Fesseln, von Planungsnot und Einschränkungen könne die Schule endlich ihr volles Potenzial entfalten, betonte sie mit Blick auf den immer schwieriger gewordenen Unterrichtsbetrieb im Gemeindezentrum. »Von heute an sind der Entwicklung der Schule keine Grenzen mehr gesetzt.«

dank Ein wesentlicher Teil der Rede von Charlotte Knobloch bestand aus einer Dankesbotschaft an zahlreiche Adressaten: »Nur mit einer starken und beeindruckenden Gemeinschaftsleistung war die Verwirklichung dieses Projektes überhaupt möglich.« Zu den Helfern und Unterstützern, die sie aufzählte, gehörte auch Anja Karliczek, Bundesministerin für Bildung und Forschung. Sie hatte es sich nicht nehmen lassen, persönlich an der Eröffnung des Helene Habermann Gymnasiums im neuen Gebäude teilzunehmen.

In ihrer kurzen Ansprache ließ sie keinen Zweifel daran, dass jüdisches Leben in die Mitte der Gesellschaft gehöre, damit es Juden möglich sei, ihren Glauben und ihre Kultur gemeinsam zu leben. Das gelte nach Überzeugung der Ministerin ganz besonders für Kinder. Denn gerade der jungen Generation müsse man zeigen, dass Jüdinnen und Juden selbstverständlicher Teil einer Gesellschaft seien, in der Antisemitismus keinen Platz habe. »Nur so«, sagte Karliczek, »werden wir erreichen, dass auch die junge jüdische Generation Deutschland als ihre Heimat begreifen kann.«

Der zentrale Gedanke von Gemeinsamkeit wird nach Überzeugung der Bildungsministerin gerade durch dieses Schulprojekt deutlich. Bei der Kooperation mit der Europäischen Schule sprach sie von einem wichtigen Signal, das sprichwörtlich Schule machen sollte: »Diese beiden Schulen unter einem Dach sind eine echte Chance für eine lebendige Kooperation, für ein neues Denken, für ein Plus an Bildung, das eher außerhalb des Unterrichts entsteht.«

namensgeberin Zu den Rednern und Teilnehmern der Festveranstaltung gehörte auch Harry Habermann, dessen Mutter Helene Habermann (1928–2019) aufgrund ihres langen Engagements Namensgeberin für das Gymnasium wurde. Ihr Sohn tritt heute mit dem Ziel, möglichst vielen Kindern eine gute schulische Ausbildung zu ermöglichen, in ihre Fußstapfen.

Bildungsministerin Karliczek sprach von einem wichtigen Signal der Gemeinsamkeit.

Dass mit der Eröffnung des Gymnasiums ihr Vermächtnis umgesetzt werden kann, erfüllt Harry Habermann mit Genug­tuung. Seiner Mutter sei es jenseits schulischer Bildung von jeher wichtig gewesen, sich jeder Form von ideologischer Hetze zu widersetzen. »Wohin derartige Hetze führt«, machte er in diesem Zusammenhang deutlich, »hat sie in ihrer Kindheit erfahren. Mit 18 Jahren, nach der Ermordung ihrer Eltern, stand sie allein auf sich gestellt im Leben.«

engagement Das große Engagement der Israelitischen Kultusgemeinde in Hinblick auf ein eigenes Jüdisches Gymnasium wurde von allen Festrednern ausgiebig gewürdigt. Auch Kultusminister Michael Piazolo, der nicht persönlich an dem Festakt teilnehmen konnte, ging in seiner Videobotschaft darauf ein.

Ans Mikrofon trat auch Ludwig Spaenle. IKG-Geschäftsführer Steven Guttmann, der die Veranstaltung moderierte, wies eingangs darauf hin, dass Spaenle nicht Antisemitismusbeauftragter sei, wie es oft hieß, sondern »Beauftragter der Bayerischen Staatsregierung für jüdisches Leben und gegen Antisemitismus, für Erinnerungsarbeit und geschichtliches Erbe«. Damit, so Guttmann, setze er sich für die Bewahrung der Kultur ein.

Ludwig Spaenle selbst blickte vor allem nach vorne: »Wer eine Schule baut, investiert in die Zukunft.« Er sei angetan von der Partnerschaft zwischen der Europäischen Schule und dem Helene Habermann Gymnasium. »Das ist mehr als nur eine Nachbarschaft«, hielt er fest.

Von einer erfolgreichen Zukunft des Schulprojekts sprachen auch Anton Hrovath, Direktor der Europäischen Schule München, und Florian Kraus, Stadtschulrat der Landeshauptstadt. Schülerinnen und Schüler des Helene Habermann Gymnasiums übermittelten Videogrüße, die Kantoren Chaim Stern und Shlomo Pivko, begleitet am Klavier von Luisa Pertsovska, waren mit »Klängen aus der Synagoge« zu hören.

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