Berlin

Kampf gegen Vorurteile

Anmerkung der Redaktion (2. August 2023):

Als dieser Text von Fabian Wolff in der Jüdischen Allgemeinen erschien, glaubte die Redaktion Wolffs Auskunft, er sei Jude. Inzwischen hat sich Wolffs Behauptung als unwahr herausgestellt.

»Kreuzberger Gespräche« sind lang – und kontrovers. Seit 20 Jahren widmet sich die Veranstaltungsreihe des Vereins »Progressive Volkseinheit der Türkei in Berlin« (HDB) Problemen wie Rassismus und Diskriminierung. Zum Thema »Antisemitismus unter muslimischen Jugendlichen« diskutierte eine Expertenrunde über die Effektivität des Bildungssystems gegen Vorurteile und Stereotypen.

Seit dem Angriff auf ihn vor einem Jahr ist Rabbiner Daniel Alter verstärkt in diesem Bereich aktiv, als Beauftragter der Jüdischen Gemeinde gegen Antisemitismus und für interreligiösen Dialog. Moderatorin Alke Wierthe möchte von den Folgen des Angriffs wissen. Alter war vor allem über die »Unterstützung aus der ganzen Gesellschaft« froh, die er erlebt hat. Schwierig war in der Bewältigung vor allem, dass die Androhung von Gewalt in Gegenwart seiner siebenjährigen Tochter geschah.

boxring Vor dem Angriff war er bereit, den Antisemitismus, den gerade öffentlich erkennbare Juden täglich erfahren, resignierend hinzunehmen. Nach dem Angriff wollte er den Kampf dagegen aufnehmen, »nicht im Boxring, weil ich da ein zweites Mal verlieren würde, sondern im Dialog«.

Anetta Kahane, Vorsitzende und Mitgründerin der Amadeu Antonio Stiftung, machte den Unterschied zwischen Rassismus und Antisemitismus klar: Letzterer sei viel eher eine umfassende Weltanschauung, die sich aber wiederum seltener als eindeutige Diskriminierung wie gegenüber Migranten zeigt. Ein allgemeines Unwohlsein sei für Juden in Deutschland normal – eine Ausnahme bilden die Israelis, die zum Beispiel in Berlin leben: »Die haben oft kein Problem auch mit schroffem Umgang – das kennen sie schon.«

Sanem Kleff, Pädagogin und Leiterin des Projekts »Schule ohne Rassismus«, stellte fest, dass fernab von Religion der geografische Bezug ein wichtiges Element in der Vorurteilsbildung sei. Muslimische Jugendliche von Familien aus Indonesien oder Pakistan unterscheiden sich von Jugendlichen mit familiärer Verbindung in den Nahen Osten.

ideologien Sie sieht ein grundlegendes Problem in der Schule, die im Umgang mit menschenverachtenden Ideologien versagt – weil sie selbst Hierarchien schafft, belohnt und bestraft. Oft fehlt es gerade den Lehrern an Wissen oder Fähigkeiten.

In diese Lücke stößt die Kreuzberger Initiative gegen Antisemitismus. Vertreterin Anne Goldenbogen hält das Klischee, dass »Jugendliche vom Holocaust genug haben« für ein Klischee – oft seien es die Lehrer, die keine Lust mehr auf den Unterrichtsstoff haben. Darüber hinaus ist zu bedenken, dass man »jede Menge über die NS-Zeit und die Schoa wissen und trotzdem was gegen Juden haben kann«. Mit diversen Projekten an Schulen bekämpft die KIgA deswegen auch den abwehrenden sekundären und den »israelkritischen« Antisemitismus. »Eigentlich eine pädagogische Binse: Wir hören den Schülern zu und docken an ihre Lebensrealität an«, fasst Goldenbogen die Grundlage ihrer Arbeit, eine »Pädagogik der Anerkennung«, zusammen.

Sanem Kleff stellte traurig fest, dass diese Einsicht alles andere als eine »Binse« ist, sondern immer noch auf Umsetzung in den Schulen wartet. »Im Grunde machen wir mit unseren Projekten das, was in Paragraf 1 des Schulgesetzes steht: Wir erziehen die Schüler, demokratisch zu sein und die Menschenwürde zu achten.« Dieser Auftrag muss in der ganzen Gesellschaft verankert sein.

Justiz

Anklage wegen Hausverbots für Juden in Flensburg erhoben

Ein Ladeninhaber in Flensburg soll mit einem Aushang zum Hass gegen jüdische Menschen aufgestachelt haben. Ein Schild in seinem Schaufenster enthielt den Satz »Juden haben hier Hausverbot«

 12.11.2025

Interview

»Keiner hat Jason Stanley von der Bühne gejagt«

Benjamin Graumann, Vorsitzender der Jüdischen Gemeinde Frankfurt, weist die Vorwürfe des amerikanischen Philosophen zurück und beschuldigt ihn, Unwahrheiten über den Abend in der Synagoge zu verbreiten

von Michael Thaidigsmann  12.11.2025

Hessen

Margot Friedländer erhält posthum die Wilhelm-Leuschner-Medaille

Die Zeitzeugin Margot Friedländer erhält posthum die höchste Auszeichnung des Landes Hessen. Sie war eine der wichtigsten Stimme in der deutschen Erinnerungskultur

 12.11.2025

Berlin

Touro University vergibt erstmals »Seid Menschen«-Stipendium

Die Touro University Berlin erinnert mit einem neu geschaffenen Stipendium an die Schoa-Überlebende Margot Friedländer

 12.11.2025

Jubiläum

»Eine Zierde der Stadt«: Vor 30 Jahren wurde das Centrum Judaicum in Berlin eröffnet

Es ist einer der wichtigsten Orte jüdischen Lebens in Deutschland: Vor 30 Jahren wurde das Centrum Judaicum in der Neuen Synagoge in der Oranienburger Straße in Berlin eingeweiht. Am Dienstag würdigt dies ein Festakt

von Gregor Krumpholz, Nina Schmedding  11.11.2025

Vertrag

Jüdische Gemeinde Frankfurt erhält mehr Gelder

Die Zuwendungen durch die Mainmetropole sollen bis 2031 auf 8,2 Millionen Euro steigen

von Ralf Balke  11.11.2025

Berlin

Ein streitbarer Intellektueller

Der Erziehungswissenschaftler, Philosoph und Publizist Micha Brumlik ist im Alter von 78 Jahren gestorben. Ein persönlicher Nachruf

von Julius H. Schoeps  11.11.2025

Hannover

Ministerium erinnert an 1938 zerstörte Synagoge

Die 1938 zerstörte Neue Synagoge war einst mit 1.100 Plätzen das Zentrum des jüdischen Lebens in Hannover. Heute befindet sich an dem Ort das niedersächsische Wissenschaftsministerium, das nun mit Stelen an die Geschichte des Ortes erinnert

 10.11.2025

Chidon Hatanach

»Wie schreibt man noch mal ›Kikayon‹?«

Keren Lisowski hat die deutsche Runde des Bibelquiz gewonnen. Jetzt träumt sie vom Finale in Israel

von Mascha Malburg  10.11.2025