Berlin

Jüdischer Junge verlässt Schule

Die Friedenauer Gemeinschaftsschule ist seit 2016 Teil des Netzwerks »Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage«. Foto: imago

Nach einem antisemitischen Vorfall an der Friedenauer Gemeinschaftsschule in Berlin-Schöneberg hat die Senatsbildungsverwaltung am Montag Aufklärung angekündigt. Die Polizei ermittelt, nachdem der Schulleiter Strafanzeige erstattet hatte. Das Opfer, ein jüdischer Schüler aus Großbritannien, hat die Schule bereits verlassen.

Der 14-Jährige soll zunächst beleidigt und später auch physisch angegriffen worden sein, berichtete die Mutter der britisch-jüdischen Zeitung »The Jewish Chronicle«. Die Schule wird vor allem von Kindern mit Migrationshintergrund besucht, darunter viele türkisch- und arabischstämmige Schüler.

Schulverwaltung »Wenn die Berichte stimmen, ist das ein erschütternder Vorgang«, sagte Zentralratspräsident Josef Schuster dem Berliner »Tagesspiegel« (Montagsausgabe). »Hier geht es um Antisemitismus übelster Art.« Schuster forderte die Berliner Schulverwaltung dazu auf, das Verhalten der Friedenauer Schulleitung genau zu untersuchen und Versäumnisse klar zu benennen.

»Wir setzen alles daran, den Vorfall aufzuklären«, sagte Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD) dem Evangelischen Pressedienst (epd) am Montag. Dazu sei die Antidiskriminierungsstelle des Senates eingeschaltet worden, die jetzt Gespräche mit allen Beteiligten führen soll.

Bushaltestelle Zwei Schüler hatten den 14-Jährigen nach Angaben seiner Mutter vor zwei Wochen an einer Bushaltestelle vor der Schule gewürgt. Außerdem wurde demnach mit einer Spielzeugpistole auf ihn geschossen, während andere Schüler angeblich dabeistanden und lachten. Einer der mutmaßlichen Täter war kurz zuvor von einer andere Schule verwiesen worden.

Bereits vor mehreren Monaten soll der Junge von Mitschülern beleidigt worden sein, nachdem er gesagt hatte, dass er Jude ist. Laut »Jewish Chronicle« soll einer seine Mitschüler geäußert haben: »Du bist eigentlich ein cooler Typ, aber ich kann mit dir nicht befreundet sein.« Außerdem sei die Aussage gefallen: »Alle Juden sind Mörder.«

Die Schulleitung hatte sich bereits am Wochenende auf der Website der Friedenauer Gemeinschaftsschule geäußert. »Zunächst einmal möchten wir unser Bedauern und Entsetzen kundtun, dass ein Schüler in seinem Schulalltag an unserer Schule Antisemitismus erfahren musste. Wir verlieren hier einen besonders engagierten und leistungsorientierten Schüler, der sich mit Freude für unsere Schule entschieden hat und diese als Chance für sich selbst und seine Entwicklung sah«, heißt es in dem Brief der Schulleitung.

Schulkonferenz Der aktuelle Fall sei der erste, bei dem das Kollegium der Friedenauer Gemeinschaftsschule das Problem des Antisemitismus wahrgenommen habe: »Was die derzeitigen Ereignisse betrifft, wurde gegen die an dem Vorfall beteiligten Schüler von der Schule Strafanzeige erstattet. Weiterhin werden an der Schule die Möglichkeiten für Ordnungsmaßnahmen nach dem Schulgesetz ausgeschöpft. Die Schulkonferenz wird den Antrag an die Schulaufsicht stellen, dass die betreffenden Schüler die Schule verlassen müssen. Der im o.g. Artikel zitierte Schüler besucht unsere Schule schon seit mehreren Wochen nicht mehr«, heißt es weiter in dem Schreiben.

Im Gespräch mit dem Berliner »Tagesspiegel« wies Schulleiter Uwe Runkel Kritik der Eltern, die Schule habe zu spät reagiert, zurück. Schon beim ersten Diskriminierungsvorfall, der zur Kenntnis gelangte, haben man die Großeltern des Schülers, Zeitzeugen des Holocaust, in die Klasse eingeladen, um dort das Thema mit den Klassenkameraden des betroffenen Schülers aufzuarbeiten, schrieb die Schulleitung auf ihrer Website.

Die Friedenauer Gemeinschaftsschule ist seit 2016 Teil des Netzwerks »Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage«. Sie ist keine reguläre Einzugsgrundschule. Schulpflichtige Kinder aus dem Umkreis des S-Bahnhofs Friedenau besuchen in der Regel entfernter gelegene Schulen in Schöneberg.

Rabbiner Ebenfalls in Berlin-Friedenau, mehrere Hundert Meter von der Schule entfernt, war 2012 Rabbiner Daniel Alter von mehreren mutmaßlich arabischstämmigen Jugendlichen vor den Augen seiner Tochter zusammengeschlagen worden. Die Ermittlungen der Polizei blieben ohne Ergebnis.

Zentralratspräsident Schuster appellierte an die muslimische Gemeinschaft, »den antisemitischen Tendenzen in ihren Reihen mit aller Entschiedenheit entgegenzutreten«. Es könne nicht angehen, »dass in einem Teil der Moscheen in Deutschland Judenfeindlichkeit und Israelfeindlichkeit aktiv Vorschub geleistet wird«.

www.gemeinschaftsschule-schoeneberg.de

Debatte

Neue Leitlinie zum Umgang mit NS-Raubgut für Museen und Bibliotheken

In Ausstellungshäusern, Archiven und Bibliotheken, aber auch in deutschen Haushalten finden sich unzählige im Nationalsozialismus entzogene Kulturgüter. Eine neue Handreichung soll beim Umgang damit helfen

von Anne Mertens  27.11.2025

Programm

Termine und TV-Tipps

Termine und Tipps für den Zeitraum vom 27. November bis zum 3. Dezember

 27.11.2025

Mitzvah Day

Grünes Licht

Jüdische Gemeinden und Gruppen gestalteten deutschlandweit den Tag der guten Taten

von Katrin Richter  27.11.2025

Düsseldorf

Cooler Kick

Beim Ilan Fiorentino Cup kamen im Gedenken an Spieler aus dem Kibbuz Nahal Oz Israelis, Exil-Iraner und das NRW-Landtagsteam zu einem Freundschaftsturnier zusammen

von Jan Popp-Sewing  27.11.2025

München

Uschi Glas: Christen müssen jüdische Mitbürger schützen

Uschi Glas mahnt Christen zum Schutz von Juden. Sie warnt vor neuer Ausgrenzung und erinnert an eigene Erfahrungen nach dem Krieg. Was sie besonders bewegt und warum sie sich Charlotte Knobloch verbunden fühlt

von Hannah Krewer  27.11.2025

Berlin

Es braucht nur Mut

Das Netzwerk ELNET hat zwei Projekte und einen Journalisten für ihr Engagement gegen Antisemitismus ausgezeichnet. Auch einen Ehrenpreis gab es

von Katrin Richter  26.11.2025

Feiertage

Chanukka-Geschenke für Kinder: Augen auf beim Kauf

Gaming-Konsole, Teddybär oder Carrera-Bahn - Spielzeug dürfte bei vielen Kindern auf dem Wunschzettel stehen. Worauf zu achten ist - und wann schon der Geruch stutzig machen sollte

 26.11.2025

Orange Day

Palina Rojinski spricht über Gewalt in früherer Beziehung

Wie viele Frauen hat auch die Moderatorin einst in einer Beziehung Gewalt durch ihren Partner erfahren. Darüber spricht sie nun auf Instagram. Sie will anderen Mut machen, sich Hilfe zu holen

 25.11.2025

Entscheidung

Berlin benennt Platz nach Margot Friedländer

Jahrzehntelang engagierte sich die Holocaust-Überlebende Margot Friedländer für Aussöhnung. Nun erfährt die Berlinerin nach ihrem Tod eine besondere Ehrung

 26.11.2025 Aktualisiert