Limmud

Limmud: Eine jüdische Erfolgsgeschichte

Zusammenkommen beim Limmud-Festival 2022 (Symbolfoto) Foto: Boaz Arad

Es ist ein ganz besonderes Festival, das am Freitag in Hannover beginnt: Limmud lädt ab morgen Juden aller Altersgruppen und aller religiösen Strömungen innerhalb der Community zum Lernen und Diskutieren ein. Auch soll gemeinsam gefeiert werden.

»Limmud schafft Räume für die ganze Vielfalt des Judentums mit all den Themen, die Jüdinnen und Juden interessieren: Geschichte, Musik, Religion, Tradition, Politik, Gesellschaft, Literatur, Kunst und vielem mehr«, heißt es in einer Ankündigung. Den Organisatorinnen zufolge entscheiden die Teilnehmer selbst, was genau sie lernen oder unterrichten wollen.

Positive Einstellung Toby Axelrod, eines der Vorstandsmitglieder, sagte, es gehe darum, Juden zu ermutigen, andere Juden zu treffen, die sie sonst nie kennengelernt hätten, etwa weil sie Teil anderer Strömungen seien oder in anderen Städten wohnten, mit ihnen zu lernen und die Begeisterung für alle möglichen Themen mit ihnen zu teilen. Ein weiterer Punkt ist ihr zufolge die Schaffung einer positiven Einstellung hinsichtlich der Vielfältigkeit des jüdischen Lebens in Deutschland.

»Wir möchten damit einen kleinen Beitrag leisten — dafür, dass sich die jüdische Gemeinschaft und Gesellschaft allgemein nicht weiter fragmentiert.«

Judith Orland

Die Limmud-Bewegung wurde zu Beginn der 1980er-Jahre in Großbritannien gegründet. Sie ist laut Limmud e.V. in der Bundesrepublik »die Erfolgsgeschichte jüdischen Lernens weltweit«. Limmud fördere »eine Lernatmosphäre und ein Lernumfeld, in denen jeder Platz für seine Gedanken und sein persönliches Wachstum finden soll«, heißt es auf der Webseite des Vereins.

Das diesmal in Hannover stattfindende Festival ist ebenso vielfältig wie seine Teilnehmer: »Ein besonderes Highlight sind die Sessions, die im Rahmen des EU-weiten Limmud-Projekts Memory Futures angeboten werden«, sagt Judith Orland, die ebenfalls Teil des Vorstands ist, im Gespräch mit der Jüdischen Allgemeinen. »Memory Futures ist ein Track, der Erinnerung neu denkt und ein pan-europäisches Projekt, das jüdische Menschen in ganz Europa vernetzt. Wir werden über die Xuetas auf Mallorca lernen, die Retornos in Portugal, sowie über neuen Formen des Schoa-Gedenkens in Polen, in dem jüdischen Gruppen ein stärkeres Mitspracherecht einfordern und einnehmen.«

Zweckentfremdete Synagogen Judith Orlands Vorstandskollegin Frauke Ohnholz erwähnt das Panel zu Synagogenprojekten in Deutschland, das bei ihr auf großes Interesse stößt. Dabei würden unterschiedliche Projekte, bei denen zerstörte oder zweckentfremdete Synagogen wieder zu Synagogen, Gemeindezentren oder Museen aufgebaut würden, ins Gespräch gebracht.

»Die Statistiken der ZWST (Zentralwohlfahrtsstelle der Juden, Anm.d.Red.) zeigen, dass die Anzahl der Gemeindemitglieder sinkt. Da bleibt die Frage: Wird die jüdische Gemeinschaft in Deutschland tatsächlich immer kleiner oder binden sich jüdische Menschen nicht mehr so oft an Synagogengemeinden, sprich, bleiben sie außerhalb der etablierten Strukturen?« Daraus ergebe sich eine andere Frage: »Für wen werden diese Synagogen wieder aufgebaut und wie wollen sie sich in der Zukunft finanzieren?«

Die öffentliche Diskussion dieser Fragen zwischen Rebecca Seidler, der 1. Vorsitzenden der Liberalen Jüdischen Gemeinde Hannover, Eva Frenzen, der CEO von Masorti Deutschland, und Daniel Botmann, dem Geschäftsführer des Zentralrats der Juden, über die Zukunft der Gemeinden ist einer der großen Termine bei Limmud.

Vorstand Toby Axelrod sagte dieser Zeitung, als Amerikanerin, die bereits beinahe 26 Jahre lang in Deutschland lebe, glaube sie, die Juden hier seien mit den gleichen Herausforderungen konfrontiert, wie Juden in anderen Teilen der Welt: »Was tun wir gegen Antisemitismus? Wie ermutigen wir die Annahme einer positiven jüdischen Identität?« Traditionelle Institutionen müssten neue Wege finden, um nicht organisierte Juden zu integrieren. Den Wunsch der meisten deutschen Juden, den Status Quo zu bewahren, müssten sie jedoch respektieren, erklärte Toby Axelrod, die auch für die Jüdische Allgemeine und die Jewish Telegraphic Agency schreibt.

Beitrag gegen Fragmentierung »Limmud bietet eine Plattform, um genaue solche Diskussionen in einem sicheren Raum zu führen«, sagte Judith Orland. »Es ist wichtig, diese Orte zu haben, um gemeinsam zu sprechen. Wir möchten damit einen kleinen Beitrag leisten — dafür, dass sich die jüdische Gemeinschaft und Gesellschaft allgemein nicht weiter fragmentiert.«

»Es ist toll, viele alte Limmudniks nach so vielen Jahren wiederzutreffen.«

Frauke Ohnholz

Laut Frauke Ohnholz entstand die zu der Paneldiskussion aus der Überlegung, »dass gerade in Berlin die meisten neuen, interessanten, diversen Angebote fast alle außerhalb der etablierten Strukturen entstehen, also außerhalb der Synagogengemeinden. In Deutschland werden jüdische Gemeinden immer noch hauptsächlich nur als religiöse Gemeinschaften gesehen, was sich auch in den Staatsverträgen widerspiegelt. Aber das jüdische Leben ist soviel mehr. Wir möchten die drei Vertreter dazu befragen.«

Für das diesjährige Limmud-Lernfestival, zu dessen Partnern auch der Zentralrat der Juden zählt, verzeichnen die Organisatorinnen knapp 200 Anmeldungen. »Das ist die unterste Schwelle dessen, was wir geplant hatten«, so Frauke Ohnholz. »Aber es ist toll, viele alte Limmudniks nach so vielen Jahren wiederzutreffen.«

Säkular und praktizierend Limmud sei keinesfalls eine rein liberale Veranstaltung, erklärten die drei Vorstandsmitglieder. Bei den Initiatoren in Deutschland seien sowohl säkulare als auch praktizierende Juden dabei, so Toby Axelrod. »Limmud bietet streng geprüfte, koschere Mahlzeiten an sowie die Möglichkeit für alle Teilnehmer, ihren eigenen Schabbat-Gottesdienst zu gestalten, in Räumen, die wir zur Verfügung stellen. Wir haben sogar Eruvs an einigen unserer Örtlichkeiten gebaut, damit sich alle Teilnehmer wohlfühlen.« Limmud tue all dies, um sicherzustellen, dass sich Juden jeglicher Herkunft wohlfühlten, sagte Axelrod.

Frauke Ohnholz fügte hinzu, für Veranstaltungen dieser Art müsse eine bestimmte Einstellung mitgebracht werden: »Ich nenne es Festivalkompatibiltät. Das mag nicht Jede oder Jeder. Wir können und sollten uns bemühen, so inklusiv und divers wie möglich zu sein.«

Das Limmud-Lernfestival wird komplett ehrenamtlich organisiert, was alles andere als einfach sein dürfte. Die Vorständlerinnen beklagen sich aber nicht. »Ehrenamtliches Engagement lebt vom Einsatz der Menschen«, so Judith Orland. »Das ist etwas ganz Besonderes, weil hierdurch eine besondere Atmosphäre und ein Zusammenhalt entsteht, der auf professionell organisierten Konferenzen sehr oft nicht zu finden ist.«

Das komplette Programm des Limmud-Festivals, das am 9. und 10. Juni in der Villa Seligmann in Hannover stattfindet, und weitere Informationen, sind auf dieser Webseite verfügbar.

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