»AchtzehnPlus«

In die Zukunft blicken

Einfach ja», so lautet die spontane Antwort von Mykhaylo auf die Frage, ob er sich zum nächsten Seminar «AchtzehnPlus» wieder anmelden würde – so gut hat es ihm am vergangenen Wochenende in Düsseldorf gefallen. Und auch Anna ist mehr als zufrieden. «Ich habe neue Leute kennengelernt und ordentlich Input erhalten», sagt die 25-Jährige. Am ersten März-Wochenende fand das Seminar AchtzehnPlus für junge Erwachsene in Düsseldorf statt. «Es ist uns immer wichtig, Themen abzudecken, die gesellschaftlich relevant sind», sagt Raissa Manachirova, die das Seminar für die Zentralwohlfahrtsstelle (ZWST) organisiert hat. Dieses Mal lautete der Titel «Zukunftsvisionen».

ARBEITSKLIMA Im Mittelpunkt standen dabei Vorträge über die Arbeitswelt und wie sich das Arbeitsklima verändert, wie sich der Nahe Osten entwickeln könnte und wie die jüdische Tradition mit dem modernen Leben zusammenpasst. 35 Plätze gab es, die an Teilnehmer zwischen 18 und 35 Jahren vergeben wurden. «Wir waren ausgebucht», so Manachirova. Die Teilnehmer kamen aus München, Bochum, Bonn und Köln.

Mit ihrem Programm AchtzehnPlus fördert die ZWST ein bundesweites Netzwerk für junge jüdische Erwachsene und organisiert ein Angebot für diese Zielgruppe. Dazu gehören vielfältige Seminare zu aktuellen wie auch im jüdischen Kontext bedeutsamen politischen, sozialen und kulturellen Inhalten.

Aber auch das Miteinander sei wichtig, so Elis aus Köln. «Ich würde gerne mehr Kontakt mit anderen Jüdinnen und Juden haben», sagt die 22-Jährige. Sie ist in Köln aufgewachsen, aber mittlerweile seien etliche der Freunde aus ihrer Schulzeit nach Israel gezogen oder ins Ausland gegangen. Sie hingegen studiert in Bonn Rechtswissenschaften, lebt aber weiter in Köln. «In meiner Altersklasse findet so gut wie nichts statt.» Nun sei sie froh, andere kennengelernt zu haben. Die Schabbatfeier habe ihr gut gefallen, ebenso Purim. Denn da besuchten alle gemeinsam die Feier der Jüdischen Gemeinde Düsseldorf. «Die drei Tage haben sich wie ein inspirierender Urlaub angefühlt.» Highlight war für Mykhaylo der Vortrag des Rabbiners Jeremy Borovitz, Direktor für jüdisches Leben bei Hillel Deutschland, der über die Zukunft der Halacha sprach. «Gerade die Verbindung jüdischer Tradition mit der modernen Welt hat mich interessiert», so der 21-jährige Jurastudent.

Das würde zwar immer sehr viel Diskussionsstoff bieten, aber er habe den Eindruck, dass die Menschen diesbezüglich liberaler werden. Und auch der Vortrag von Andreas Jacobs, Leiter der Abteilung Gesellschaftlicher Zusammenhalt der Konrad-Adenauer- Stiftung, habe ihn beeindruckt. Themen waren die Probleme und Perspektiven des Nahen Ostens im 21. Jahrhundert. «Da habe ich viel dazugelernt und die historischen Zusammenhänge verstanden», so der Bochumer Student. Wobei über die politische Zukunft kaum Prognosen abgegeben werden können, meint Anna, die aus Köln nach Düsseldorf kam. Sie persönlich habe kein großes Vertrauen in Prognosen, denn viele hätten sich nicht erfüllt. Beispielsweise sei sowohl dem Fernsehen als auch dem Internet früher keine große Beliebtheit vorausgesagt worden – doch es entwickelte sich ganz anders.

Sie hat die Möglichkeit, dann zu arbeiten,
wann es ihr passt.

Für sie sei es indes spannend gewesen, wie sich das Arbeitsleben verändern könnte. Ihr Jurastudium hat sie gerade abgeschlossen und wird demnächst mit ihrer Promotion beginnen. Bereits heute jobbt sie in einer Anwaltskanzlei – und da hat sie die Möglichkeit zu arbeiten, wann sie möchte. «Ich habe viel Flexibilität, ich muss die Arbeit nur schaffen. Ich muss keine Stunden absitzen.» Andererseits bestehe so die Gefahr, dass sich Privates und Berufliches vermischen könnte und man nie freihabe.

ATMOSPHÄRE Über die Arbeitswelt habe sie nicht unbedingt viel Neues erfahren, aber sie mochte die Diskussionen darüber, sagt Julia, die mit 18 Jahren eine der jüngsten Teilnehmerinnen war. Sie leistet gerade Bundesfreiwilligendienst in der Jüdischen Grundschule Sinai in München. «Bei dem Seminar habe ich mehr gelernt als bei allen anderen Veranstaltungen, an denen ich bisher teilgenommen habe», sagt sie. Die Vorträge seien sehr informativ gewesen, die Diskussionen lebhaft und die Atmosphäre war super.

Ihr gefiel es, dass auch Nichtjuden eingeladen wurden, um Vorträge zu halten. Ihre eigene Vision für ihre nahe Zukunft sieht so aus, dass sie Kulturwirtschaft in Passau studieren möchte – und sollte sie da keinen Platz bekommen, dann würde sie sich wohl der Hebammenkunde zuwenden.

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