Bornplatz

Hamburgs jüdisches Herz

Die Synagoge am Bornplatz, heute Joseph-Carlebach-Platz, um 1910 Foto: ullstein bild - adoc-photos

Bornplatz

Hamburgs jüdisches Herz

Der Bund unterstützt den Wiederaufbau mit 65 Millionen Euro – jetzt muss noch die Stadt mitmachen

von Heike Linde-Lembke  03.12.2020 08:21 Uhr

Der Wiederaufbau der Bornplatzsynagoge in Hamburg wird immer realer. Am vergangenen Freitag beschloss der Haushaltsausschuss des Bundestags, den Wiederaufbau in die Maßnahmenliste zur Bekämpfung von Rechtsextremismus und Antisemitismus aufzunehmen, und stellt für das neue Gotteshaus rund 65 Millionen Euro zur Verfügung. Das ist die Hälfte der Wiederaufbaukosten, die zweite muss die Hansestadt selbst tragen.

Vorausgegangen war die Entscheidung, für den Kampf gegen Rechtsextremismus die bereits bewilligte eine Milliarde Euro nochmals um 150 Millionen für 2021 bis 2024 zu erhöhen. Auch Hamburgs ehemaliger Bürgermeister und jetziger Bundesfinanzminister Olaf Scholz ist Mitglied im Kabinettsausschuss zur Bekämpfung von Rechtsextremismus.

Erfolg »Die Zusage ist ein großer Erfolg für alle, die sich für eine Rückkehr des Judentums in das Zentrum des Grindelviertels einsetzen«, freut sich Gemeindevorsitzender Philipp Stricharz. »Fortan geht es nicht mehr um das Ob des Wiederaufbaus, sondern nur noch um das Wie. Hamburg steht vereint zusammen und stützt seine Jüdische Gemeinde.

Dass gerade die Vielfalt es ist, bei der sich alle einig sind, berührt mich sehr«, sagt Stricharz. »Während antisemitische Angreifer am liebsten unsere Gebäude und unsere Identität aus der öffentlichen Wahrnehmung verschwinden lassen würden, zeigt Hamburg, dass es stolz auf seine Jüdische Gemeinde und seine jüdische Geschichte ist.«

»Die Mittel können auch für den Wiederaufbau der Synagoge am Bornplatz verwendet werden«, sagte der CDU-Bundestagsabgeordnete Rüdiger Kruse in Bezug auf die bewilligten 150 Millionen Euro der Jüdischen Allgemeinen. Eine definitive Höhe sei noch nicht beschlossen, ergänzt Kruse, da die genauen Baukosten bislang noch nicht feststehen. Es sei aber von der üblichen 50-Prozent-Förderung auszugehen.

Wachstum »Das ist der höchste Zuschuss, den die Bundesrepublik jemals für ein jüdisches Projekt in Deutschland gab, und es hat für uns eine enorme Bedeutung«, freut sich Hamburgs Landesrabbiner Shlomo Bistritzky. Die Zuwendung komme zur rechten Zeit, da sich die Gemeinde mit Schule und Kindergarten enorm weiterentwickele. »Die neue Synagoge wird Wachstum ermöglichen und junge jüdische Familien nach Hamburg bringen«, sagt Bistritzky.

Mit der Aufnahme des Synagogenbaus in die Maßnahmenliste gegen den Rechts-terror könnten auch die Hürden genommen werden, um die zum Wiederaufbau notwendige Machbarkeitsstudie auf den Weg zu bringen. Die Studie muss europaweit ausgeschrieben werden, was die Wiederaufbaupläne, seit die Bürgerschaft im Februar einstimmig für den Wiederaufbau votierte, bisher verhinderte.

Die Bornplatzsynagoge kann Vergangenheit mit Zukunft verbinden, sagt Daniel Sheffer.

Die Jüdische Gemeinde Hamburg hat bereits im April den erforderlichen Zuwendungsantrag beim Bundesverwaltungsamt gestellt, bislang ohne Ergebnis. Das Auftrags- und Leistungsverzeichnis für die Machbarkeitsstudie beinhaltet eine Übersicht über den historischen Bau, eine Liste der Untersuchungsgegenstände und das künftige Nutzungskonzept der Gemeinde. Das könnte Veranstaltungs- und Gemeinderäume enthalten, ein Café und eventuell auch einen Betraum für die Reformsynagoge.

»Das neue Haus ist jetzt schon voll, obwohl wir keine 1200 Plätze im Betraum wie in der alten Synagoge brauchen, dafür genügen 500 Plätze. Wir brauchen kleine Beträume in den Stadtteilen, wo unsere Mitglieder leben, und in der neuen Bornplatzsynagoge brauchen wir Räume für ein überreligiöses Begegnungszentrum«, erklärt Rabbiner Bistritzky.
Die Machbarkeitsstudie soll auch Fragen beantworten, was mit dem denkmalgeschützten Hochbunker auf dem Joseph-Carlebach-Platz geschehen soll. Oder ob das ebenfalls geschützte Bodenrelief der Künstlerin Margrit Kahl, das den Grundriss der ehemaligen Synagoge nachzeichnet, erhalten werden kann.

»Kein Gebäude kann Antisemitismus bekämpfen, aber die Bornplatzsynagoge kann Vergangenheit mit Zukunft verbinden. Unsere Kampagne ›Nein zu Antisemitismus. Ja zur Bornplatzsynagoge‹ hat eine überragende Unterstützung erfahren. Wir werden weiter um Unterschriften werben, damit im Grindelviertel mit der neuen Bornplatzsynagoge ein Wahrzeichen der Weltoffenheit und jüdischen Identität unserer Stadt entsteht«, sagt der Initiator der Kampagne, Daniel Sheffer.

machbarkeitsstudie »Mit dem Wiederaufbau kann erneut ein sichtbar zentraler Ort jüdischen Lebens in Hamburg entstehen, dem wir durch die nun bereitgestellten Bundesmittel deutlich näherkommen. Die Jüdische Gemeinde hat jetzt Planungssicherheit für ihre Machbarkeitsstudie«, sagt Hamburgs Erster Bürgermeister Peter Tschentscher. Die Hamburger Behörden hätten die Jüdische Gemeinde mit allen erforderlichen Dokumenten, Informationen und Erklärungen ausgestattet, damit diese zügig ein Vergabeverfahren beauftragen kann.

»Wir wollen alles dafür tun, dass der Bornplatz wieder das wird, was er einst war: Hamburgs jüdisches Herz«, sagt Hamburgs Zweite Bürgermeisterin Katharina Fegebank, zuständig für das jüdische Leben in Hamburg. Maßgeblich auf die Tagesordnung gesetzt haben das Projekt der SPD-Politiker und Außen-Staatsminister Niels Annen sowie Rüdiger Kruse.

1906 hatte ide Jüdische Gemeinde Hamburg die Synagoge als freistehendes Gotteshaus erbaut.

1906 hatte die Jüdische Gemeinde Hamburg die Synagoge als freistehendes prachtvolles Gotteshaus erbaut. Sie zählte zu den größten Synagogen Deutschlands und war nicht nur der jüdische, sondern der überreligiöse kulturelle und gesellschaftliche Mittelpunkt für ganz Norddeutschland. In der Pogromnacht 1938 schändeten die Nazis die Synagoge, verwüsteten sie und stahlen Kultgegenstände wie die Torakrone, die Gemeindemitglied Daniel Sheffer in einem Antiquitätengeschäft wiederfand und am 9. November der Gemeinde zurückgeben konnte.

Unterschriftensammlung Gleichzeitig gründete Sheffer die Initiative »Nein zu Antisemitismus. Ja zur Bornplatzsynagoge«, um Unterschriften für den Wiederaufbau der Synagoge zu sammeln. Bis zum 27. Januar können sich Befürworter des Wiederaufbaus unter www.bornplatzsynagoge.org online in die Liste einschreiben.

halle Nach der Erfahrung des Anschlags auf die Synagoge in Halle am 9. Oktober 2019 beschloss die Hamburgische Bürgerschaft – als Antwort auf den grassierenden Antisemitismus – am 12. Februar dieses Jahres, wieder jüdisches Leben in den Mittelpunkt der Stadt und der Gesellschaft zu rücken und die ehemalige Synagoge, wie es die Jüdische Gemeinde seit Jahren wünscht, originalgetreu wiederaufzubauen.

Die Senatskanzlei versichert, dass sie und die Behörde für Stadtentwicklung und Wohnen die Jüdische Gemeinde fortlaufend unterstützen und weiter beraten werden.

»Den Zuwendungsantrag beim Bundesverwaltungsamt hat die Jüdische Gemeinde im April eingereicht. Das Bundesverwaltungsamt hat am 30. Oktober auf dieser Basis der Gemeinde den vorläufigen Maßnahmenbeginn genehmigt«, heißt es vonseiten des Senats. Für die europaweite Ausschreibung berechne man einen Zeitraum von sechs Wochen.

Bis zum Abschluss des Vergabeverfahrens werde es mindestens zwei Monate dauern, heißt es weiter. Für die Machbarkeitsstudie würden noch einmal mindestens zwei Monate benötigt. Bis zum Baubeginn wird also noch viel Zeit vergehen, die Senatskanzlei versichert indes, dass sie und die Behörde für Stadtentwicklung und Wohnen die Jüdische Gemeinde fortlaufend unterstützen und weiter beraten werden.

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