9. November

Es geht um die Zukunft

Zentralratspräsident Josef Schuster Foto: dpa

9. November

Es geht um die Zukunft

Jüdische Gemeinden erinnerten an die Novemberpogrome 1938 – Zentralratspräsident Schuster fordert neue Erinnerungsarbeit

 19.11.2019 17:26 Uhr

Externer Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen externen Inhalt, der den Artikel anreichert. Wir benötigen Ihre Zustimmung, bevor Sie Inhalte von Bottalk ansehen und mit diesen interagieren können.

Mit dem Betätigen der Schaltfläche erklären Sie sich damit einverstanden, dass Ihnen Inhalte aus Bottalk angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittanbieter übermittelt werden. Dazu ist ggf. die Speicherung von Cookies auf Ihrem Gerät nötig. Mehr Informationen finden Sie hier.

»Hätte ich damals den Mut gehabt zu protestieren?«: Diese Frage stellte Zentralratspräsident Josef Schuster anlässlich des Gedenkens zum Novemberpogrom am vergangenen Freitag in Würzburg. »Hätte ich einen Juden versteckt? Wie reagiere ich heute, wenn ich zum Beispiel auf Facebook einen Aufruf lese, vor dem Flüchtlingsheim gegen Ausländer zu demonstrieren?«

Einen Monat nach dem Anschlag in Halle erinnerte Schuster an die Pogromnacht vor 81 Jahren und gleichzeitig an die politische Situation in Deutschland, die dazu Anlass gebe, bei allem Jubel über die Maueröffnung vor 30 Jahren auch an die Novemberpogrome zu erinnern.

Erinnerungskultur Schuster wandte sich dabei vor allem an junge Menschen, nicht zu vergessen und aus der Vergangenheit zu lernen. Es sei Aufgabe der Gesellschaft, neue Wege der Erinnerungsarbeit zu beschreiten. »Mit neuen Instrumenten.« Es geht nicht darum, sagte er, »dass wir Juden diese Erinnerungskultur einfordern, um daraus Kapital zu schlagen. Wer das denkt, denkt antisemitisch.«

Es sei für Juden eine religiöse Pflicht, ihrer Toten zu gedenken. Es gehe darum, die Werte, wie beispielsweise das deutsche Grundgesetz, zu schützen und zu bewahren. »Wer die Verbrechen der NS-Zeit kennt, versteht, warum der Schutz der Menschenwürde in Artikel 1 verankert wurde.«

Denkort Es gebe bereits viele positive Ansätze auch in seiner Stadt Würzburg, die es gelte, weiter auszubauen. Dazu gehören die Projekte »DenkOrt Deportation« oder »DenkOrte gegen den Hass« für Jugendliche, bei denen sie sich aktiv an der Gedenkarbeit ihrer Kommune beteiligen, auf sie Einfluss nehmen und sie gestalten können. Das Projekt »DenkOrt Deportation«, das im nächsten Jahr am Hauptbahnhof entstehen wird, liegt Schuster besonders am Herzen.

Gepäckstücke sollen am Ort an die 2063 Juden erinnern, die aus Würzburg und Unterfranken deportiert wurden. Schuster bedankte sich gleichzeitig für die »beeindruckende Arbeit, die unsere Gedenkstätten und Begegnungszentren leisten«. Ein Beispiel für aktive Arbeit gegen Judenhass sei die Aktion des Dokumentationszentrums »Oberer Krug« bei Ulm, das ein Modellprojekt zum Umgang mit Hass-Sprache entwickelt hat.

Entschlossenheit Auch in vielen anderen Städten gedachten am vergangenen Wochenende Jüdische Gemeinden und Stadtgesellschaften der Anschläge auf Synagogen und jüdische Geschäfte im November 1938. In Cottbus forderte Brandenburgs Kulturministerin Martina Münch (SPD) Entschlossenheit im Kampf gegen Rechtsextremismus und Antisemitismus.

Der 9. November 1938 erinnere eindrücklich daran, was geschehe, wenn einer Gesellschaft Menschlichkeit, Empathie, Toleranz und Zivilcourage verloren gehen, sagte Münch. Freiheit, Demokratie, Menschenrechte und Rechtstaatlichkeit seien nicht verhandelbar.

»Ich sehe Parallelen zwischen dem 9. November 1938 und dem 9. Oktober 2019.« Max Privorozki, Gemeindevorsitzender Halle

In Dresden legten am Sonntag am früheren Standort der Synagoge Vertreter aus Politik und Gesellschaft Kränze und Blumen nieder. Die Vorsitzende des Landesverbandes Sachsen der Jüdischen Gemeinden, Nora Goldenbogen, und Dresdens Oberbürgermeister Dirk Hilbert (FDP) appellierten, die Erinnerung an die Gräueltaten der Nazis wachzuhalten.

Nach den Erfahrungen vom 9. Oktober fühle er sich an die Pogromnacht erinnert, sagte der Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde Halle, Max Privorozki, der »Süddeutschen Zeitung«. »Ich sehe Parallelen zwischen dem 9. November 1938 und dem 9. Oktober 2019.« Man beobachte in seiner Gemeinde, »dass in Deutschland Antisemitismus mit großer Geschwindigkeit immer krasser wird«, sagte er.

»Sich offen als Antisemit zu zeigen, ist nicht mehr peinlich.« Wenn jetzt keine Maßnahmen gegen Antisemitismus und Judenhass ergriffen würden, wisse er nicht, »ob die jüdische Gemeinschaft in Deutschland überhaupt noch eine Zukunft hat«, warnte Privorozki. ja/dpa

Provenienz

Die kleine Mendelssohn

Lange Zeit galt sie als verschollen, nun ist die Stradivari-Geige wieder aufgetaucht. Doch die Restitution gestaltet sich problematisch

von Christine Schmitt  15.08.2025

Sport

Nach den Emotionen

Der Wechsel des deutsch-israelischen Fußballers Shon Weissman zu Fortuna Düsseldorf ist gescheitert. Er stolperte über seine Hasskommentare bei Social Media

von Ruben Gerczikow  14.08.2025

Nürnberg

Mit wem spiele ich heute?

Vor wenigen Wochen eröffnete die neue Kita »Gan Schalom« der Israelitischen Kultusgemeinde. Ein Besuch zwischen Klanghölzern, Turnmatten und der wichtigsten Frage des Tages

von Stefan W. Römmelt  14.08.2025

Berlin

Mann reißt israelische Flagge vor Synagoge ab

Der Polizeiliche Staatsschutz ermittelt wegen Hausfriedensbruch

 13.08.2025

Tu beAw

»Es war Liebe auf den ersten Blick«

Barbara und Reinhard Schramm sind seit fast 60 Jahren verheiratet. Ein Gespräch über lange Ehen, Glück und Engagement

von Blanka Weber  12.08.2025

Porträt

Tragischer Macher

Heute vor 100 Jahren wurde Werner Nachmann geboren. Viele Jahre lang prägte er das deutsche Nachkriegsjudentum. In Erinnerung bleibt er allerdings für etwas anderes

von Michael Brenner  12.08.2025

Berlin

Amnon Barzel im Alter von 90 Jahren verstorben

Von 1994 bis 1997 leitete Barzel die Abteilung Jüdisches Museum im damaligen Berlin Museum. Er setzte sich für dessen rechtliche Eigenständigkeit ein.

 12.08.2025

Erinnerungszeichen

Schicksal und Gedenken

Auszubildende von »Münchner Wohnen« recherchieren in Zusammenarbeit mit dem Kulturreferat Biografien

von Luis Gruhler  11.08.2025

Mannheim

»Ich wurde behandelt wie ein Täter«

Ein Palästina-Aktivist attackierte Benny Salz, den früheren Gemeindevorsitzenden, vor den Augen der Polizei

von Ralf Balke  11.08.2025