Musik

Eine Oper für Gad Beck

Rosa Winkel. Alle KZ-Inhaftierten tragen ihn an ihren zerschlissenen Hemden. Unter ihnen ist auch Manfred Lewin. »Erinnerst du dich?«, fragt er einen älteren Herrn und tritt aus der Gruppe hervor. Dieser möchte sich aber nicht an sein Leben während der Nazi-Zeit erinnern, sondern bemüht sich, es weiter zu vergessen. Gad Beck ist erschöpft und möchte lieber wieder ins Bett gehen, um zu schlafen.

Er und seine Beziehung zu Manfred Lewin stehen im Mittelpunkt der Oper For a Look or a Touch, die am Sonntag im Studio des Admiralspalasts aufgeführt wurde und mit der der 120-köpfige Seattle Men’s Chorus durch Deutschland tourt. Die musikalische Leitung hat Dennis Coleman, die Musik stammt von Jake Heggie, das Libretto von Gene Scheer. Die Sänger werden von einem Instrumentalensemble zuverlässig unterstützt.

Homosexuell Gad Beck, dargestellt von Kip Niven, ist ein alter Mann geworden und erinnert sich an die Zeit, als er die Nächte mit Manfred verbrachte. Wild und frei seien sie damals durch das goldene Berlin gezogen. Doch dann wurde alles anders. Durch die Nazis veränderte sich auch für Homosexuelle alles. Ein Blick oder eine Berührung reichten von nun an aus, um verhaftet und deportiert zu werden. Beck hatte im letzten Moment versucht, in einer Uniform der Hitlerjugend seinen Freund vor der Deportation zu retten – doch vergebens.

Manfred (Morgan Smith) und seine Familie werden verhaftet und im Jahr 1943 in Auschwitz ermordet. 100.000 Homosexuelle wurden damals polizeilich erfasst, mehr als 15.000 kamen ins KZ. Gad Beck wird ebenfalls in dieser Geschichte in ein Lager deportiert, kommt aber wieder frei. Jahrelang konnte er über seine Erlebnisse nicht sprechen – und es wollte ihm auch keiner zuhören. Bis 1970 war Homosexualität in Deutschland gesetzlich verboten.

Gad Beck, der jahrelang die Jüdische Volkshochschule in Berlin geleitet hatte und während der NS-Zeit ein Widerstandskämpfer war, schenkte vor 15 Jahren dem Holocaust-Museum in Washington sein Notizbuch mit dem Titel Erinnerst du dich?. Manfred Lewin hatte Gedichte und Texte geschrieben und diese seinem Freund gewidmet. Im Museum fand es der Komponist Jake Heggie, der von dem Projekt Music of Remembrance in Seattle beauftragt worden war, die Verfolgung der Homosexuellen während des Holocausts musikalisch aufzugreifen.

Goldene Jahre Heggie entdeckte außerdem den Dokumentarfilm Paragraph 175, der Zeugenaussagen von Homosexuellen enthält, die die Schoa überlebt haben. Auch Gad Beck war dabei. Aus diesem Material entstand die Handlung, in der sich Gegenwart und Erinnerung, Traumwelt und Realität miteinander vermischen. Avantgardistische Klänge bei der Beschreibung des Horrors der KZs kommen ebenso vor wie auch jazzige Momente, um die Goldenen Jahre zu veranschaulichen.

Vor sieben Jahren ist das Musikdrama in Seattle uraufgeführt worden. Später wurde der Männerchor mit eingebunden, für den noch einige Stücke geschrieben wurden, sodass das Drama zu einer Einakter-Oper wurde. Den nach eigenen Angaben »größten amerikanischen Schwulenchor« gibt es bereits seit 35 Jahren.

Gad Beck war 1947 ins damalige Palästina ausgewandert und kam 1979 nach Berlin zurück. 1995 veröffentlichte er seine Erinnerungen Und Gad ging zu David. Immer wieder setzte er sich für die Rechte der Homosexuellen ein. Vor zwei Jahren ist er im Alter von 89 Jahren gestorben.

Die Zuhörer am Sonntag in Berlin waren von der Umsetzung der Geschichte begeistert. Nach der Aufführung gab es viele Diskussionen.

Reisen

Die schönste Zeit

Rom, Balkonien, Tel Aviv: Hier erzählen Gemeindemitglieder, an welche Urlaube sie sich besonders gern erinnern

von Christine Schmitt, Katrin Richter  13.07.2025

Solidarität

»Israel kann auf uns zählen«

Wie die Israelitische Kultusgemeinde mit Spenden den Menschen vor Ort konkret helfen will

von Vivian Rosen  13.07.2025

Thüringen

Voigt für deutsch-israelisches Jugendwerk in Weimar

Er führe dazu Gespräche mit israelischen Partnern, die bereits Interesse an einer Ansiedlung in Thüringen signalisiert hätten

 11.07.2025

Frankfurt am Main

Rabbinerin: Zentralrat hat Öffnung des Judentums begleitet

Elisa Klapheck spricht in Zusammenhang mit der jüdischen Dachorganisation von einer »Stimme, die auf höchster politischer Ebene ernst genommen wird«

 11.07.2025

Maccabiah

Zusammen sportlich

Trotz der Verschiebung der Spiele auf 2026 überwog auf dem Pre-Camp in Berlin Optimismus

von Frank Toebs  10.07.2025

Street Food Festival

Sich einmal um die Welt essen

Tausende besuchten das Fest im Hof der Synagoge Oranienburger Straße in Berlin

von Helmut Kuhn  10.07.2025

Berlin

»Berlin verneigt sich«

Zwei Monate nach ihrem Tod wird die Holocaust-Überlebende Margot Friedländer in Berlin gewürdigt. Der Bundespräsident mahnt vor Politikern und Weggefährten, das Erbe der Jahrhundertfrau weiterzutragen

von Alexander Riedel  09.07.2025 Aktualisiert

Engagement

Verantwortung übernehmen

Erstmals wurde der Fritz-Neuland-Gedächtnispreis verliehen. Die Auszeichnung erhielten der Jurist Andreas Franck und die AG PRIOX der bayerischen Polizei

von Luis Gruhler  09.07.2025

Deutsch-Israelischer Freiwilligendienst

»Wir müssen gewachsene Strukturen erhalten«

ZWST-Projektleiter Erik Erenbourg über ein besonderes Jubiläum, fehlende Freiwillige aus Deutschland und einen neuen Jahrgang

von Christine Schmitt  09.07.2025