Berlin

»Eine lebendige Begegnungsstätte«

Es war ein Abend der Temperamente. Pianist Andrei Gavrilov hatte seine Finger noch auf den Tasten liegen, der Schlussakkord des ersten Klavierkonzertes von Tschaikowsky war noch nicht verklungen, da hielt ihn nichts mehr auf seiner Klavierbank, er sprang auf, umarmte den Konzertmeister und dankte dem Dirigenten Michael Zukernik und dem Publikum.

Davor hatte er in der Berliner Philharmonie souverän das Konzert interpretiert und beim Spiel den Musikern des German National Orchestra öfters mal pantomimisch Anregungen gegeben, an zarten Partien etwas leiser zu spielen. In einer Pause traten Rabbiner Yehuda Teichtal von Chabad Lubawitsch und Klaus Lederer (Die Linke), Senator für Kultur und Europa, gemeinsam ans Mikrofon.

grundstein Rabbiner Teichtal war außer sich vor Freude – über die fast ausverkaufte Philharmonie, die Musik, das Benefizkonzert und das geplante Projekt. »Es ist ein wunderbarer Abend. Wir freuen uns, heute hier zu sein bei der Party für den Campus.« Die Einnahmen des Benefizneujahrskonzertes werden zur Verwirklichung des Jüdischen Campus Berlin an der Münsterschen Straße gebraucht.

Insgesamt sollen sich die Kosten auf 18 Millionen Euro belaufen. Zwei Drittel der Gelder seien bereits da. Die Baugenehmigung liege auch schon vor, demnächst soll das Projekt ausgeschrieben werden. »Wir wollen ein gemeinsames positives Miteinander. Der Campus wird ein religionsübergreifender Ort der Begegnung sein, der interkulturelles Bewusstsein stärken wird.«

Erste Pläne dazu wurden 2013 vorgestellt, seit drei Jahren werde aktiv geplant, und im Juni solle der Grundstein gelegt werden. 2007 wurde das Jüdische Bildungszentrum an der Münsterschen Straße eingeweiht, mittlerweile konnte das Nachbargrundstück erworben werden, auf dem der Campus nun errichtet werden soll. Rabbiner Teichtal hofft auf die Einweihung 2020.

zeichen Es sei ein wirklich schöner Abend, bestätigte Klaus Lederer lächelnd. Er erfreue sich über das neue »erstarkte jüdische Selbstbewusstsein« und erinnerte an das Lewandowski-Festival im Dezember, das Entzünden der Chanukkalichter am Brandenburger Tor und die Jüdischen Kulturtage – alles Zeichen dafür, dass »jüdisches Leben eine Selbstverständlichkeit in Berlin« sei.

Der Senat werde das mit aller Kraft unterstützen. Dazu zählten die geplante Sekundarschule der Jüdischen Gemeinde zu Berlin und auch der Campus. »Das Land Berlin unterstützt das Vorhaben mit Mitteln aus der Stiftung Deutsche Klassenlotterie und aus dem Kita-Ausbauprogramm.« Auch die Bundesregierung und der Zentralrat der Juden in Deutschland fördern das Projekt. Ferner betonte Lederer, dass Antisemitismus weder in Berlin noch weltweit eine Chance haben dürfe.

»Eine lebendige Begegnungsstätte« soll der Campus werden, der neben dem Familien- und Bildungszentrum Münstersche Straße geplant wird, heißt es in Chabads Info-Broschüre. Neben einer Kita, einer Schule, einem Jugendklub, einem Sport- und Freizeitzentrum soll es einen Saal für Feste geben, ebenso wie ein Fort- und Weiterbildungszentrum für Lehrer.

Lesen Sie mehr in unserer nächsten Printausgabe.

München

»In unserer Verantwortung«

Als Rachel Salamander den Verfall der Synagoge Reichenbachstraße sah, musste sie etwas unternehmen. Sie gründete einen Verein, das Haus wurde saniert, am 15. September ist nun die Eröffnung. Ein Gespräch über einen Lebenstraum, Farbenspiele und Denkmalschutz

von Katrin Richter  14.09.2025

Hamburg

»An einem Ort getrennt vereint«

In der Hansestadt soll die Bornplatzsynagoge, die in der Pogromnacht von den Nazis verwüstet wurde, wiederaufgebaut werden. Ein Gespräch mit dem Stiftungsvorsitzenden Daniel Sheffer über Architektur, Bürokratie und Räume für traditionelles und liberales Judentum

von Edgar S. Hasse  13.09.2025

Meinung

»Als Jude bin ich lieber im Krieg in der Ukraine als im Frieden in Berlin«

Andreas Tölke verbringt viel Zeit in Kyjiw und Odessa – wo man den Davidstern offen tragen kann und jüdisches Leben zum Alltag gehört. Hier schreibt er, warum Deutschland ihm fremd geworden ist

von Andreas Tölke  13.09.2025

Porträt der Woche

Das Geheimnis

Susanne Hanshold war Werbetexterin, Flugbegleiterin und denkt über Alija nach

von Gerhard Haase-Hindenberg  13.09.2025

Jahrestag

»So betäubend wie damals«

Am Mahnmal in Fürstenfeldbruck wurde an die Opfer des Olympia-Attentats von 1972 erinnert

von Luis Gruhler  13.09.2025

Feiertage

Tradition im Paket

Das Familienreferat des Zentralrats der Juden verschickt die neuen Mischpacha-Boxen mit allerhand Wissenswertem rund um Rosch Haschana und Sukkot

von Helmut Kuhn  12.09.2025

Interview

»Berlin ist zu meiner Realität geworden«

Die Filmemacherin Shoshana Simons über ihre Arbeit, das Schtetl und die Jüdische Kunstschule

von Pascal Beck  11.09.2025

München

Ein Fundament der Gemeinde

Die Restaurierung der Synagoge an der Reichenbachstraße ist abgeschlossen. In den Erinnerungen der Mitglieder hat das Haus einen besonderen Platz

von Luis Gruhler  11.09.2025

Berlin

Soziale Medien: »TikTok-Intifada« und andere Probleme

Die Denkfabrik Schalom Aleikum beschäftigte sich auf einer Fachtagung mit Hass im Netz: »Digitale Brücken, digitale Brüche: Dialog in Krisenzeiten«

 11.09.2025