Interview

»Ein Standardwerk«

Shila Erlbaum, Kultus- und Bildungsreferentin des Zentralrats der Juden in Deutschland Foto: Marco Limberg

Interview

»Ein Standardwerk«

Shila Erlbaum über das neue Handbuch »Ethik im Judentum«

von Ayala Goldmann  08.06.2015 18:56 Uhr

Frau Erlbaum, der Zentralrat der Juden in Deutschland und der Schweizerische Israelitische Gemeindebund haben gemeinsam ein Buch über Ethik im Judentum herausgegeben. Ein aufwändiges Projekt – warum haben Sie sich dazu entschlossen?
Bisher gab es überhaupt kein deutschsprachiges Handbuch zur jüdischen Ethik. Es fehlte auch an Lehrmaterial für den jüdischen Religionsunterricht und für den Ethikunterricht in der Oberstufe, also für Jugendliche ab 15 Jahren. Das Buch schließt eine Lücke und richtet sich an jüdische und nichtjüdische Schüler und Lehrer, die mehr über jüdische Ethik erfahren wollen.

Was ist das eigentlich – jüdische Ethik?

Jüdische Ethik ist eine Sittenlehre, die sich aus den jüdischen Quellen speist. Die Tora ist die Grundlage; sie gibt uns die Richtung vor, wie wir moralisch handeln sollen. Aber nicht nur sie, auch die rabbinische Literatur zeigt uns mögliche Wege für ethische Lebens- und Handlungsweisen. Selbst für hochmoderne Fragestellungen wie Gentechnologie können die jüdischen Schriften Wegweiser sein.

Homosexualität, Abtreibung, die Stellung der Frau: Diese und viele andere Themen werden in Ihrem Buch von Rabbinern und Wissenschaftlern kontrovers diskutiert. Wie haben Sie die Fragen ausgewählt?
Wir haben uns zum einen für Fragen entschieden, die Jugendliche im Alltag interessieren – wie etwa Sexualität. Zum anderen haben wir allgemeine ethische Fragen berücksichtigt, die von übergeordnetem Interesse sind – wie Sterbehilfe oder der Umgang mit der Natur. Fragen, die eher mit Philosophie zu tun haben, wie etwa die Theodizee – also die Frage, warum Gott das Leid in der Welt zulässt –, haben wir dagegen weggelassen.

Wie haben Sie den Spagat zwischen der Orthodoxie und dem liberalem Judentum bewältigt?
Alle Kapitel in diesem Buch sind strömungsübergreifend geschrieben. Die verschiedenen Herangehensweisen werden auch in den anschließenden Diskussionen mit weiterführenden Quellen ausführlich berücksichtigt. Es gibt kein Richtig oder Falsch, sondern der Leser kann sein moralisches Urteil selbst fällen.

Wie wurden die Autoren ausgewählt?
Es war gar nicht einfach, Autoren zu finden, die sowohl sachkundig als auch gut lesbar schreiben können. Wir haben die Autoren ihrem Wissen und ihrer Erfahrung entsprechend ausgewählt und außerdem paritätisch – zur Hälfte Deutsche, zur Hälfte Schweizer.

Worüber freuen Sie sich nun, nachdem das Buch erschienen ist, am meisten?
Dass es jetzt ein Standardwerk zur jüdischen Ethik gibt, das jungen jüdischen Erwachsenen Orientierungshilfen gibt, um ihren eigenen Weg zu gehen und ihre jüdische Identität auszubilden. Ich hoffe, dass dieses Buch ihnen auch ganz konkret helfen kann, eine jüdische Antwort zu finden, wenn sie sich in einem persönlichen Dilemma befinden.

Mit der Kultus- und Bildungsreferentin des Zentralrats der Juden sprach Ayala Goldmann.

»Lehre mich, Ewiger, Deinen Weg. Ethik im Judentum«. Herausgegeben vom Zentralrat der Juden in Deutschland und dem Schweizerischen Israelitischen Gemeindebund, Hentrich & Hentrich, Berlin 2015, 328 S., 24,90 €.

Meinung

Die Tränen des Kanzlers

Bei seiner Rede in München gab Friedrich Merz ein hochemotionales Bekenntnis zur Sicherheit jüdischen Lebens ab. Doch zum »Nie wieder dürfen Juden Opfer werden!« gehört auch, den jüdischen Staat nicht im Stich zu lassen

von Philipp Peyman Engel  18.09.2025 Aktualisiert

Berlin

Zentralrat der Juden begeht sein 75. Jubiläum

Die Dachorganisation der jüdischen Gemeinden lud zahlreiche Gäste aus Politik und Zivilgesellschaft nach Berlin. Der Bundeskanzler hielt die Festrede

von Imanuel Marcus  17.09.2025

München

Knobloch lobt Merz-Rede in Synagoge

Am Montagabend wurde in München die Synagoge Reichenbachstraße wiedereröffnet. Vor Ort war auch der Bundeskanzler, der sich bei seiner Rede berührt zeigte. Von jüdischer Seite kommt nun Lob für ihn - und ein Appell

von Christopher Beschnitt  16.09.2025

Auszeichnung

Düsseldorfer Antisemitismusbeauftragter erhält Neuberger-Medaille

Seit vielen Jahren setze sich Wolfgang Rolshoven mit großer Entschlossenheit gegen Antisemitismus und für die Stärkung jüdischen Lebens in Düsseldorf ein, hieß es

 16.09.2025

Erinnerung

Eisenach verlegt weitere Stolpersteine

Der Initiator des Kunst- und Gedenkprojekts, Gunter Demnig aus Köln, die Stolpersteine selbst verlegen

 16.09.2025

Porträt der Woche

Passion für Pelze

Anita Schwarz ist Kürschnerin und verdrängte lange das Schicksal ihrer Mutter

von Alicia Rust  16.09.2025

Bayern

Merz kämpft in Synagoge mit Tränen

In München ist die Synagoge an der Reichenbachstraße feierlich wiedereröffnet worden, die einst von den Nationalsozialisten zerstört wurde. Der Bundeskanzler zeigte sich gerührt

von Cordula Dieckmann  17.09.2025 Aktualisiert

Sachsen-Anhalt

Erstes Konzert in Magdeburger Synagoge

Die Synagoge war im Dezember 2023 eröffnet worden

 15.09.2025

Thüringen

Jüdisches Bildungsprojekt »Tacheles mit Simson« geht erneut auf Tour

Ziel des Projektes sei es, dem Aufkommen von Antisemitismus durch Bildung vorzubeugen, sagte Projektleiter Johannes Gräser

 15.09.2025