Tradition

Ein kölscher Tag

Im Traditionsbrauhaus »Stapelhaus« haben die Kölsche Kippa Köpp am Sonntag schon einmal gefeiert. Foto: Ulrike Gräfin Hoensbroech

Musik, Kostüme, Rheinblick – das »Stapelhaus« in Köln stand am vergangenen Sonntag ganz im Zeichen des nahenden Karnevals. Das ist in dieser Zeit, da die »tollen Tage« ihrem Höhepunkt entgegengehen, eigentlich ziemlich normal.

Und wer sich an der Tageskasse spontan eine Karte kaufte, um bei der Feier in dem traditionsreichen Brauhaus dabei zu sein, konnte meinen, dass es sich hier um eine der zahlreichen Veranstaltungen handelt, mit denen die Jecken in der Rheinmetropole ihr traditionelles Brauchtum feiern.

auftritte Doch diese Feier war eine besondere Karnevalsveranstaltung. Denn die »Kölsche Kippa Köpp«, der jüdische Karnevalsverein in Köln, hatten erstmals zu einem öffentlichen karnevalistischen Fest außerhalb von Gemeinderäumen und Synagoge eingeladen. »Das ist heute eine neue Qualität«, freute sich Aaron Knappstein am Ende der Feier. Der Präsident der Kölsche Kippa Köpp fügte erklärend hinzu: »Denn die letzten öffentlichen Auftritte eines jüdischen Karnevalsvereins liegen lange zurück und fanden Anfang der 1930er-Jahre durch den Kleinen Kölner Klub statt.«

»Das ist heute eine neue Qualität.«

Aaron Knappstein

An dessen Tradition möchte der 2017 gegründete Verein ebenso anknüpfen wie auch an die Erinnerung des Wirkens und Vermächtnisses von jüdischen Karnevalisten in Köln. Das gilt in besonderem Maße für die diesjährige Session, wie die fünfte Jahreszeit in Deutschlands viertgrößter Stadt heißt.

Denn das Motto »200 Jahre Kölner Karneval: Ov krüzz oder quer« erinnert einerseits an die Gründung des organisierten Karnevals mit dem »Festordnenden Komitee« (heute Festkomitee Kölner Karneval) im Jahre 1823. Andererseits greift es verkürzt eine Liedzeile auf, die da vollständig lautet: »Ov krüzz oder quer, ov Knäch oder Hähr – mer looße nit un looße nit vum Fasteleer«.

jubiläum Emil Jülich (1854–1923), ein jüdischer Komponist und begeisterter Jeck, hatte im Jahr 1905 das Lied verfasst, dessen Zeilen an die »unglaubliche Kraft des Karnevals erinnern«, hebt der Präsident des Festkomitees Kölner Karneval, Christoph Kuckelkorn, hervor. »Egal, was kommen mag: Der Karneval ist für alle offen, baut Brücken und bringt Menschen zusammen.« Diesem Phänomen, das einmal im Jahr eine ganze Stadt und eine ganze Region erfasse, so Kuckelkorn, sei das Jubiläum gewidmet. Aaron Knappstein ergänzt in diesem Zusammenhang: »Das diesjährige Sessionsmotto ist gerade auch für uns Kippa Köpp ein gutes Motto.«

Das wurde bei der Karnevalsveranstaltung des Vereins spür- und erlebbar. Die verschiedenen Kölner Mundart-Bands erreichten mit ihren Auftritten rasch die Herzen der Menschen, die sich glückselig durch diesen kölschen Tag schunkelten. Frank Markus, Inhaber des Stapelhauses, sagte: »Es ist für uns eine Ehre, dass diese karnevalistische Veranstaltung in unserem Hause stattfindet, denn das hat hier Tradition: etwas gemeinsam auf die Beine zu stellen, um den Spaß an der Freud’ zu feiern.«

Die Planungen und Abstimmungen im Vorfeld waren laut Markus und Knappstein »zügig und sehr freundschaftlich« abgehalten worden. Und spätestens, als die »Boore« (»Die Bauern«) dann ihren Hit »Wir sind zu Hause hier in Kölle am Rhein« anstimmten und die Gäste mit den Lichtern ihrer Smartphones einmal mehr für Gänsehautstimmung sorgten, lagen sich alle in den Armen.

Festjahr Andrei Kovacs, ehemaliger leitender Geschäftsführer des Vereins »1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland«, der das Festjahr 2021 vorbereitet und durchgeführt hatte, wies darauf hin, dass mehr als 1700 Jahre jüdisches Leben in Köln auch nachweislich mehr als 200 Jahre aktive bürgerliche Teilhabe von Jüdinnen und Juden am organisierten Karneval beinhalten. »Dass ich heute bei der ersten öffentlichen jüdischen Karnevalssitzung in Köln seit den 1930er-Jahren dabei sein darf, erfüllt mich als Kölner Jude mit Stolz und verleiht Hoffnung auf eine gemeinsame Zukunft«, so Kovacs.

»Der Karneval ist für alle offen, baut Brücken und bringt Menschen zusammen.«

Christoph Kuckelkorn

Schließlich war auch der Karneval in der Zeit des Nationalsozialismus nicht frei von Judenhass und Rassismus. Kovacs weist auf das vielfältige Engagement des jüdischen Karnevalsvereins hin und betont: »Ich durfte selbst miterleben, wie die kölschen Jecken seit Jahren konsequent und gemeinschaftlich gegen Vorurteile und Hass vorgehen.«

Nun haben die Kölsche Kippa Köpp mit dieser Veranstaltung wieder einen Schritt hin zu jener Normalität unternommen, die im Karneval bis zum Dritten Reich selbstverständlich gewesen ist: dass jüdische Karnevalisten am großen stadtkölnischen Volksfest mitwirken.

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