Gemeinden

Ein Erfolgsmodell

Nur zwei Worte braucht Gabriel Loewenheim, um das Kulturprogramm des Zentralrats zu beschreiben: »Unglaublich toll.« Dem Kantor, der über dieses Programm angefragt werden kann, ist es ein Anliegen, die deutsche Tradition wieder in die Synagogen zurückzubringen. Gemeinsam mit dem Pianisten Adi Bar Soria präsentiert der Sänger ein festliches Programm aus Gebeten und Melodien, die die Menschen durch fröhliche wie auch schwierige Zeiten gebracht haben.

Etwa achtmal sei er im vergangenen Jahr von verschiedenen jüdischen Gemeinden gebucht worden. An ein Erlebnis erinnert er sich mit einem Schmunzeln: »Wir waren in Kiel und wurden von der Gemeinde zu einem kleinen Essen eingeladen. Dann sahen wir plötzlich, dass unser Konzert eine Stunde früher anfangen sollte, als wir dachten.« Also aßen sie schnell auf.

20 Jahre Kulturprogramm des Zentralrats

20 Jahre wird die künstlerische Initiative des Zentralrats nun alt. Der erste Katalog entstand 2004 und umfasste 20 Programmpunkte, aus denen die Gemeinden die ersten Kulturveranstaltungen im Folgejahr auswählen konnten. »Am Anfang waren nicht alle Gemeinden interessiert«, erinnert sich Hannah Dannel, ehemalige Zentralratsmitarbeiterin, die das Programm aufgebaut und bis vor einem Jahr kuratiert hat.

Mittlerweile hat es sich zu einem Erfolgsmodell entwickelt. Mehr als 80 Künstler sind beteiligt. Immer mehr Gemeinden wollten Musiker, Autoren und Schauspieler vermittelt bekommen, und immer mehr Künstler bewerben sich. Viermal mehr, als Plätze vorhanden sind. Und über 100 Gemeinden fragen beim Zentralrat an.

Ursprünglich startete das Kulturprogramm als Integrationsprojekt.

Ursprünglich startete das Kulturprogramm als Integrationsprojekt, das die ganze Bandbreite jüdischen Lebens zeigen sollte. Gleichzeitig wollte man den Künstlern – viele kamen aus der ehemaligen Sowjetunion – unter die Arme greifen. Später kamen auch Israelis dazu, so Sarah Marcus, die seit dem vergangenen Jahr Kuratorin ist. »Das Programm ist zu einem festen Bestandteil der Kulturarbeit in den Gemeinden geworden.« In diesem Jahr besteht es aus 60 Angeboten.

Konzert, Lesung, Ausstellung, Film oder Theateraufführung

Ob Konzert, Lesung, Ausstellung, Film oder Theateraufführung – jede Gemeinde kann das Passende auswählen. Neu sind die Workshops. »Singen wie die Profis«, so heißt der eine, der andere »Feste feiern. Dazu Geschichten erfinden und gestalten«. Etliche Künstler seien bereits von Anfang an dabei, erzählt Marcus, andere sind neu. Die Zusammenstellung variiert jedes Jahr, um eine stets spannende und breit gefächerte Auswahl an unterschiedlichen Veranstaltungen anbieten zu können.

Das Kulturprogramm habe nicht nur seine persönliche Entwicklung beeinflusst, sondern auch zur Entstehung der »Drei Kantoren« beigetragen, eine Formation, die ohne diese Initiative möglicherweise nicht zustande gekommen wäre, erzählt Assaf Levitin, der Gründer des Ensembles. »Seit einem Jahrzehnt sind wir regelmäßig Teil des Kulturprogramms, und dies ermöglichte uns, zahlreiche Gemeinden mit unseren Konzerten zu bereichern.«

Die Einnahmen aus diesen Auftritten trugen maßgeblich zur Finanzierung ihrer CD-Aufnahmen bei. »Ohne die Unterstützung des Kulturprogramms wären solche Projekte und die Verbindung zu den jüdischen Gemeinden in ganz Deutschland für uns in diesem Umfang nicht realisierbar gewesen. Dies unterstreicht die entscheidende Rolle des Kulturprogramms bei der Förderung von kulturellem Austausch, persönlichem Wachstum und der finanziellen Unterstützung von künstlerischen Initiativen.«

Das »Jerusalem Duo« hat in Oldenburg, Braunschweig und Marburg konzertiert. »Wir haben dadurch verschiedene Gemeinden kennengelernt«, sagt Saxofonist Andre Tsirlin. In der Regel treten die Harfenistin Hila Ofek und er achtmal im Jahr im Rahmen des Kulturprogramms auf. »Wir freuen uns jedes Mal und sind immer neugierig, wohin wir fahren dürfen.« In seinem neuen Programm »Wurzeln und Wege« nimmt das Duo, das heute in Frankfurt lebt, das Publikum auf eine musikalische Reise mit, ausgehend von seiner Heimat Jerusalem.

Immer mehr Gemeinden wollen Künstler vermittelt bekommen, und immer mehr bewerben sich.

Für die Gemeinden ist das Kulturprogramm eine wichtige Säule. »Wir sind eine kleine Einrichtung und verfügen nicht über so viel Geld«, sagt Alexander Wassermann von der Jüdischen Gemeinde Dessau. Bis zu drei Veranstaltungen können jährlich gebucht werden, zu denen über die Mitglieder hinaus jeder kommen könne.

Gemeinden können frei auswählen

Die Gemeinden wählen frei aus, weshalb es sein kann, dass Künstler möglicherweise nur ein bis zwei Auftritte im Jahr vermittelt bekommen. Künstlerinnen und Künstler können zehnmal angefragt werden, danach erhalten andere eine Chance aufzutreten.

Nachdem die Gemeinden einen Termin vereinbart haben, schließt der Zentralrat mit dem Künstler einen Vertrag für die gesamte Gastspielreihe. Dabei kommt er in der Regel für alle Nebenkosten wie Honorare, Reisekosten und Hotel sowie die GEMA-Gebühren auf. Gefördert werden aber nur Programme, die sich dezidiert mit dem Judentum befassen.

Den Gemeinden steht es frei, die Veranstaltungen nur für ihre Mitglieder anzubieten oder für alle zu öffnen, um jüdische Kultur auch in die Stadtgesellschaft zu tragen. Gabriel Loewenheim erinnert sich jedenfalls an volle Gemeindesäle und Synagogen. »Es war immer eine schöne Atmosphäre. Nach den Auftritten kamen oft auch Leute zu mir, die sich für die Musik bedankten und ihre Geschichten erzählen wollten.«

Mehr Informationen unter: www.zentralratderjuden.de/angebote/kultur-bildung/kulturprogramm

Architektur

Wundervolles Mosaik

In seinem neuen Buch porträtiert Alex Jacobowitz 100 Synagogen in Deutschland. Ein Auszug

von Alex Jacobowitz  17.10.2025

Nova Exhibition

Re’im, 6 Uhr 29

Am 7. Oktober 2023 feierten junge Menschen das Leben. Dann überfielen Hamas-Terroristen das Festival im Süden Israels. Eine Ausstellung in Berlin-Tempelhof zeigt den Horror

von Sören Kittel  17.10.2025

Meinung

Entfremdete Heimat

Die antisemitischen Zwischenfälle auf deutschen Straßen sind alarmierend. Das hat auch mit der oftmals dämonisierenden Berichterstattung über Israels Krieg gegen die palästinensische Terrororganisation Hamas zu tun

von Philipp Peyman Engel  16.10.2025

Erinnerung

Gedenken an erste Deportationen aus Berlin am »Gleis 17«

Deborah Hartmann, Direktorin der Gedenk- und Bildungsstätte Haus der Wannsee-Konferenz, warnte mit Blick auf das Erstarken der AfD und wachsenden Antisemitismus vor einer brüchigen Erinnerungskultur

 16.10.2025

Bonn

Hunderte Menschen besuchen Laubhüttenfest

Der Vorsitzende der Synagogen-Gemeinde in Bonn, Jakov Barasch, forderte mehr Solidarität. Seit dem Überfall der Terrororganisation Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 hätten sich hierzulande immer mehr Jüdinnen und Juden aus Angst vor Übergriffen ins Private zurückgezogen

 13.10.2025

Hamburg

Stark und sichtbar

Der Siegerentwurf für den Wiederaufbau der Bornplatzsynagoge steht fest

von Heike Linde-Lembke  09.10.2025

München

Mut in schwieriger Zeit

Der Schriftsteller und Historiker Rafael Seligmann stellte im Gespräch mit Christian Ude sein neues Buch im Jüdischen Gemeindezentrum vor

von Nora Niemann  09.10.2025

Halle

Erinnerung an Synagogen-Anschlag vor sechs Jahren

Am 9. Oktober 2019 hatte ein Rechtsterrorist versucht, in die Synagoge einzudringen, scheiterte aber an der Tür. Bei seiner anschließenden Flucht tötete er zwei Menschen

 09.10.2025

Daniel Donskoy

»Ich liebe das Feuer«

Der Schauspieler hat mit »Brennen« einen Roman über die Suche nach Freiheit und Freundschaft geschrieben. Ein Interview

von Katrin Richter  09.10.2025