Michelstadt

Der Wunderrabbi aus Hessen

Am Grab von Seckel Löb Wormser, dem Baal Schem von Michelstadt (Archiv) Foto: Rafael Herlich

Jedes Jahr am 4. Tischri kommen Hunderte Menschen aus aller Welt ins hessische Michelstadt ans Grab von Rabbi Seckel Löb Wormser – und das seit mehr als 200 Jahren. Es ist Jahrzeit des berühmten und verehrten Rabbiners, der auch als Baal Schem von Michelstadt bekannt ist.

Es sind nicht nur Juden, die zu seinem Grab pilgern. Schon zu Lebzeiten war Rabbi Seckel Löb Wormser geachtet und wurde um Rat gefragt. Zu seiner Beerdigung waren auch zahlreiche Vertreter der Zivilgesellschaft gekommen.

Die »Allgemeine Zeitung des Judentums« schrieb am 18. Oktober 1847: »Weiterhin folgten neben hochrangigen Mitgliedern der israelitischen Gemeinde zwei hiesige evangelische Geistliche, die Geistlichen von Erbach, viele auswärtige israelitische Lehrer und die Lehrer der hiesigen Real- und Stadtschulen. Auch Seine Erlaucht, der regierende Graf zu Erbach-Fürstenau, hatten die Gnade, Seine Achtung dem Verblichenen durch eine Deputation zu bezeugen, welcher sich nun der Landrat des Bezirks, der hiesige Beigeordnete und Gemeinderäte anschlossen.«

kaufmann Geboren 1768 in Michelstadt, sollte Rabbi Seckel Löb Wormser auf Wunsch seines Vaters den Beruf eines Kaufmanns erlernen. Doch nach dem Besuch einer Frankfurter Jeschiwa begann Wormser, sich unter anderem dem Studium der Kabbala zu widmen, und gründete – zurück in Michelstadt – seine eigene Talmudschule. Nach einem Gesuch an den Grafen Albert zu Erbach, Herrn zu Breuberg und Rothenberg, wurde er als Bezirksrabbiner der Odenwaldgemeinden (Grafschaft Erbach) angestellt.

Wormser hatte auch Philosophie und Pädagogik studiert.

Wormser hatte sich nicht nur rabbinischen Studien gewidmet. Er hatte auch die Philosophie Schellings und Pädagogik studiert. Sein Einsatz galt nicht allein den Juden seiner Gemeinde, sondern der gesamten Bevölkerung. Ihm werden verschiedene Wunder zugeschrieben, darunter auch, dass von den Michelstadter Soldaten, die vor ihrem Einsatz zu seinem Grab gekommen waren, kein einziger gefallen ist.

grab Juden und Nichtjuden pilgern noch heute, nachdem das Grab nach der Verwüstung während der NS-Zeit wiedererrichtet worden ist, das ganze Jahr über zu Seckel Löb Wormser. An seinem Todestag aber sind es besonders viele. Im vergangenen Jahr sollen es rund 1000 gewesen sein.

Der Tag gehört zu den wichtigen Veranstaltungen im Stadtkalender. In der Broschüre zu Jüdischem Museum und Jüdischem Friedhof, herausgegeben vom Magistrat der Stadt Michelstadt, ist zu lesen: »Ein Bild an der Stirnseite der Vitrine (im Museum) lässt die Kraft und den Geist erahnen, den der Baal-Schem von Michelstadt (1771–1847) ausstrahlte. Sein Grab auf dem Jüdischen Friedhof wird heute wieder von vielen Verehrern und Gläubigen, die aus der ganzen Welt nach Michelstadt kommen, besucht. Das Sitzungsprotokoll des Bürgermeisters anlässlich der Anbringung einer Gedenktafel an Wormsers Wohnhaus in der Erbacher Straße im Jahre 1909 veranschaulicht die Wertschätzung des Rabbiners in der Stadt.«

Immobilie

Das jüdische Monbijou

Deutschlands derzeit teuerste Villa auf dem Markt steht auf Schwanenwerder und soll 80 Millionen Euro kosten. Hinter dem Anwesen verbirgt sich eine wechselvolle Geschichte

von Ralf Balke  22.12.2025

Erfurt

Die Menschen halfen einander

Pepi Ritzmann über ihre Kindheit in der Gemeinde, ihre Familie und Antisemitismus. Ein Besuch vor Ort

von Blanka Weber  22.12.2025

Geburtstag

Holocaust-Überlebender Leon Weintraub wird 100 Jahre alt

Dem NS-Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau entkam Leon Weintraub durch eine Augenblicks-Entscheidung. Heute warnt er als Zeitzeuge in Schulklassen vor Rechtsextremismus. Am 1. Januar feiert er seinen 100. Geburtstag

von Norbert Demuth  22.12.2025

Didaktik

Etwas weniger einseitig

Das Israel-Bild in deutschen Schulbüchern hat sich seit 2015 leicht verbessert. Doch der 7. Oktober bringt neue Herausforderungen

von Geneviève Hesse  22.12.2025

In eigener Sache

Die Jüdische Allgemeine erhält den »Tacheles-Preis«

Werteinitiative: Die Zeitung steht für Klartext, ordnet ein, widerspricht und ist eine Quelle der Inspiration und des Mutes für die jüdische Gemeinschaft

 21.12.2025

Meinung

Es gibt kein Weihnukka!

Ja, Juden und Christen wollen und sollen einander nahe sein. Aber bitte ohne sich gegenseitig zu vereinnahmen

von Avitall Gerstetter  20.12.2025

Aufgegabelt

Apfel-Beignets

Rezept der Woche

von Katrin Richter  20.12.2025

Porträt

Am richtigen Ort

Arie Oshri ist Koch, Dragqueen und lebt in seiner Wahlheimat Berlin

von Alicia Rust  20.12.2025

Umbenennung

Yad-Vashem-Straße in Berlin: Wegner will schnelle Umsetzung

Nach der israelischen Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem soll ein Straßenabschnitt im Herzen von Berlin benannt werden. Der Regierende Bürgermeister hofft auf eine schnelle Umsetzung

von Jonas Grimm  18.12.2025