Ferien

Buntes Zwischenspiel

Keine Langeweile in den Ferien – Morgenkreis bei Bambinim Foto: Mike Minehan

Montagmorgen, halb neun, Charlottenburg: Schlaftrunken betritt der sechsjährige David den »Bambinim Familyclub« in der Uhlandstraße. Langsam setzt er sich auf den Boden, zieht seine Schuhe und Jacke aus und trottet in Richtung Spielzimmer. Dort gehen er mit den anderen schnurstracks zu einer großen Box mit Spielsachen, nimmt Würfel, Puppen und Bälle heraus.

Ein Dutzend Kinder zwischen zwei und sechs Jahren sind an diesem Montagmorgen ins jüdische Familienzentrum Bambinim gekommen, um am Sommercamp teilzunehmen. Bis Ende nächster Woche werden sie dort werktäglich bis 16 Uhr von Erzieherinnen betreut. »Wir möchten mit diesem Projekt all jene Eltern entlasten, die während der Ferien arbeiten, sich gleichzeitig aber auch um ihr Kind kümmern müssen, weil momentan viele Kindergärten geschlossen haben«, sagt Flora Hirshfeld, die Leiterin von Bambinim.

Arbeit So wie der freie Journalist Adam Rück, der das Sommercamp augenzwinkernd als »geradezu existenziell« bezeichnet. Denn eigentlich besucht seine Tochter den Masorti-Kindergarten. Der aber hat während der Sommerferien drei Wochen lang geschlossen. »Durch die Betreuung hier kann ich glücklicherweise bis zum Nachmittag ungestört schreiben.«

Rück gefällt an Bambinim außerdem, dass seine Tochter Liah dort bereits mehrere der anderen Kinder aus dem Masorti-Kindergarten kennt. »Deswegen fremdelt sie hier nicht so stark, wie es in einer anderen Gruppe sicherlich der Fall wäre.« Und in der Tat ist die Phase des Kennenlernens und vorsichtigen Abtastens an diesem Morgen vergleichsweise rasch vorbei.

Der anfangs nur unmerklich steigende Geräuschpegel wird stärker – und die Kinder wacher. Schließlich herrscht in der zu Beginn so ruhigen Altbauwohnung von Bambinim ein Durcheinander. David weint, weil er sich nicht von seiner Mutter trennen mag, Simon quengelt, weil ihm die noch ungewohnte Umgebung missfällt, und Eva beschwert sich, weil sie nicht neben einem Jungen sitzen möchte.

Doch Hirshfeld und ihre beiden Kolleginnen Yahel Matalon und Anja Olejnik bleiben gelassen und rufen die Kinder zum Frühstück. »Wir Erzieherinnen sind manchmal wie Entertainer«, sagt Hirshfeld lachend. »Wenn wir merken, dass unser Publikum sich langweilt, müssen wir mit etwas anderem aufwarten.« Hirshfeld hat für die zwei Wochen Sommercamp ein »buntes Programm« erstellt, wie sie sagt. Die Gruppe wird unter anderem einen Tagesausflug ins Freilichtmuseum Dahlem unternehmen, ein Theaterstück zur »Arche Noah« einüben sowie ein Puppentheaterspiel erarbeiten, das auf einem israelischen Kinderbuch basiert.

Schabbat Aber auch jüdische Themen spielen eine große Rolle. »Das erwarten die Eltern auch von uns«, sagt Flora Hirshfeld. »Viele schicken ihre Kinder auf nichtjüdische Schulen oder in Kindergärten, wollen aber nicht ganz auf das Jüdische verzichten. Deswegen besuchen die Kinder bei uns zur Ergänzung Kurse wie zum Beispiel immer am Freitag die Schabbat-Spielgruppe«.

Das Konzept des jüdischen Familienzentrums jedenfalls wird gut angenommen. Vor Kurzem hat im Osten der Stadt in Kooperation mit Bambinim der »Jüdische Familientreff Friedrichshain« eröffnet. Bisher kommen dort einmal pro Monat rund 20 Kinder und Eltern hin, doch mittelfristig soll es wie in Charlottenburg noch weitere Treffen geben.

Wie bei Bambinim werden auch dort Feiertage gestaltet und auf spielerische Weise die jüdische Kultur nähergebracht. »Vielen jüdischen Eltern, die etwa in Prenzlauer Berg wohnen, ist es zu Bambinim nach Charlottenburg schlicht zu weit«, sagt Anja Olejnik, die das Projekt in Friedrichshain initiiert hat.

Dem sechsjährigen Joshua gefällt das Sommercamp – egal, ob in Charlottenburg oder im Friedrichshain. »Ich mag die Geschichten über Gott und die Lieder auf der Gitarre.« Auch der Spaziergang zum Spielplatz mache Spaß. »Jetzt habe ich aber wirklich keine Zeit mehr«, sagt er dann auf einmal ebenso unvermittelt wie beschäftigt. »Ich muss schnell wieder zu den anderen – spielen.«

Mitzvah Day

Im Handumdrehen

Schon vor dem eigentlichen Tag der guten Taten halfen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Zentralrats bei der Berliner Tafel, Lebensmittel zu prüfen

von Sören Kittel  20.11.2025

Misrachim

»Selbst vielen Juden ist unsere Kultur unbekannt«

Ihre Familien kommen aus Marokko, Libyen, Irak und Aserbaidschan. Ein Gespräch über vergessene Vertreibungsgeschichten, sefardische Synagogen und orientalische Gewürze

von Joshua Schultheis, Mascha Malburg  20.11.2025

Sachsen-Anhalt

Judenfeindliche Skulptur in Calbe künstlerisch eingefriedet

Die Kunstinstallation überdeckt die Schmähfigur nicht komplett. Damit soll die Einfriedung auch symbolisch dafür stehen, die Geschichte und den immer wieder aufbrechenden Antisemitismus nicht zu leugnen

 19.11.2025

Berlin

450 Einsatzkräfte schützen jüdische Einrichtungen

Zudem seien im laufenden Jahr zwei Millionen Euro in bauliche Sicherheitsleistungen für jüdische Einrichtungen investiert worden sowie 1,5 Millionen Euro in mobile Sicherheitsleistungen für jüdische Gemeindeeinrichtungen

 19.11.2025

Ehrung

»Gräben aufgerissen«

Der Preis Augsburger Friedensfest ehrt Personen, die sich um ein friedvolles Miteinander der Religionen bemühen. Jetzt ging er an Josef Schuster vom Zentralrat der Juden. Er äußert sich bei der Verleihung kritisch

von Christopher Beschnitt  18.11.2025

Leipzig

Henriette Goldschmidt: Feministin der ersten Stunde

Sie wollte Frauen durch Bildung und Erwerbstätigkeit mehr Unabhängigkeit ermöglichen: Henriette Goldschmidt eröffnete in Leipzig die erste »Hochschule für Frauen«. Vor 200 Jahren wurde sie geboren

von Katharina Rögner  17.11.2025

Judenhass

Charlotte Knobloch warnt: Zukunft jüdischen Lebens ungewiss

Die Hintergründe

 16.11.2025

Porträt der Woche

Bühne und Heimweh

Emiliia Kivelevich inszeniert Theater zwischen Kunst, Glaube und Migration

von Christine Schmitt  16.11.2025

Ehrung

Göttinger Friedenspreis für Leon Weintraub und Schulnetzwerk

Zwei Auszeichnungen, ein Ziel: Der Göttinger Friedenspreis geht 2026 an Leon Weintraub und ein Schulprojekt. Beide setzen sich gegen Rassismus und für Verständigung ein

von Michael Althaus  13.11.2025