Klima

Ausgezeichneter Umweltschutz

Jacob Weizmann (l.) mit seinen zwei Mitstreitern bei der Verleihung des »Smart Hero Award« Foto: Svea Pietschmann/Gero Breloer für Meta

Der durchschnittliche Deutsche guckt alle elf Minuten auf sein Handy. »Das ist Wahnsinn, wenn man darüber nachdenkt«, findet Jacob Weizmann. Geht es nach dem Wahlberliner, sollte man stattdessen öfter einmal aus dem Fenster schauen und bewundern, »wie schön der Himmel ist«. Vielen Menschen sei »die Urliebe zur Natur« abhandengekommen, so Weizmann.

Mit seinem Projekt »Daily4Climate« will er sie wieder wecken und zu einem nachhaltigeren Umgang mit der Erde anregen. Denn für ihn steht fest: Ohne die Verbundenheit der Menschen mit ihrer natürlichen Umwelt lässt sich das Klima nicht retten. Inspiration zieht er für seine Mission auch aus der jüdischen Tradition.

reichweite »Daily4Climate« wurde erst im Januar dieses Jahres gegründet, hat seitdem aber bereits eine beachtliche Reichweite erlangt. Auf Instagram bekommen die etwa 6500 Follower des Projekts regelmäßig praktische Umwelttipps und wichtige Daten zum Zustand des Planeten in ihren Feed. So wird etwa erklärt, dass man, wenn man Wasser aus der Leitung statt aus der Flasche trinkt, nicht nur CO2 und Plastikmüll spart, sondern auch Geld. Bei »Daily4Climate« gehe es darum, nachhaltige Konsumempfehlungen zu geben, »die sich in den Alltag integrieren lassen, ohne wehzutun«, beschreibt Weizmann das Konzept.

Was esse ich? Wie konsumiere ich? Wie bewege ich mich fort?

Was esse ich? Wie konsumiere ich? Wie bewege ich mich fort, und wie schaffe ich es, weniger Müll zu produzieren? So lauten die Leitfragen, entlang derer jeder selbst zu einem nachhaltigeren Leben kommen soll. Auch Weizmann beherzigt das: Vom Auto ist er auf das Fahrrad umgestiegen, isst nur etwa einmal im Monat Fleisch und kauft, wo möglich, unverpackte Produkte.

Manchmal wird der Ton bei »Daily4Climate« aber auch dringlicher: Ein Instagram-Post ist mit »Die dramatischen Folgen von nur einer Avocado!« überschrieben. Für die Produktion der grünen Frucht müssten 1,4 Bäume gefällt, 70 Liter Wasser verbraucht und 432 Gramm CO2 ausgestoßen werden, wird dem User drastisch vor Augen geführt. »Die Erde zu schützen, ist die größte Aufgabe, die wir in diesem Jahrhundert haben«, sagt der 33-jährige Weizmann. Er will die Menschen wachrütteln und dafür sensibilisieren, dass es auch von ihnen abhängt, ob diese Aufgabe bewältigt werden kann oder nicht.

widerspruch Um dieses Ziel zu erreichen, geht er bewusst den Widerspruch ein, dafür in den sozialen Medien, die seinem Eindruck nach viele Menschen vom Kontakt zur Natur abhalten, zu werben. Hier, wie auch überall sonst, plädiert Weizmann für eine ausgeglichene und nachhaltige Nutzung. »Das Beste der sozialen Medien nehmen, ohne sich darin zu verlieren«, lautet seine Formel. Der Fokus seiner Organisation liege ohnehin »auf der echten Welt«.

Er und zwei weitere Mitstreiter besuchen in ihrer Freizeit Schulen, wo sie Workshops über Umweltschutz geben, sowie Unternehmen, mit denen sie Konzepte für einen nachhaltigeren Betriebsalltag entwickeln. Im Oktober hat Weizmann außerdem Vertreter der Jüdischen Studierendenunion Deutschland (JSUD) darin geschult, wie sie ihre Veranstaltungen umweltfreundlicher gestalten können. Für ihn nur ein Anfang: »Ich würde gern dabei helfen, auch das jüdische Leben in Deutschland nachhaltiger zu machen.«

In München, wo er aufgewachsen ist, ging Weizmann in den jüdischen Kindergarten, spielte Tennis bei Makkabi und besuchte die Synagoge. Er nennt das einen »normalen Lebenslauf für einen jüdischen Münchener Jungen«. Zwischen Klimaschutz und Judentum sieht er viele Verbindungen: So gebe es mit Tu Bischwat einen eigenen Feiertag für Bäume, und der Schabbat sei die perfekte Gelegenheit, um einmal das Handy auszuschalten und sich voll und ganz auf die Natur zu konzentrieren. »Egal, ob du jüdisch bist oder nicht, kannst du von der Idee des Schabbats viel lernen«, glaubt Weizmann.

Zukunft Bisher ist der Umweltschutz für ihn noch ein zeitaufwendiges Hobby. Der gelernte Hotelfachmann arbeitet derzeit als Standortleiter für ein mittelständisches Unternehmen in Berlin, wo er seit Mai dieses Jahres wohnt. Die Kosten für »Daily4Climate« trägt er zu einem großen Teil selbst – noch zumindest. Denn er hofft, irgendwann in der Zukunft von seiner Passion leben zu können. Von seinem Projekt, das er offiziell als Einzelunternehmen angemeldet hat, sagt er: »Ich glaube daran, dass man daraus etwas Großes machen kann.«

Offenbar sah das auch die Jury des »Smart Hero Award« so und zeichnete die Organisation »Daily4Climate«, die auch den Publikumspreis erhielt, in diesem Jahr mit dem 3. Platz aus. Mit ihrem Preis würdigen die »Stiftung Digitale Chancen« und der Medien-Konzern »Meta« Projekte, die ihrem gesellschaftlichen Engagement mithilfe der sozialen Medien nachgehen. »Daily4Climate« habe es geschafft, »die Zielgruppe zu aktivieren und mit nützlichen Infos rund um Nachhaltigkeit anzusprechen, ohne dabei belehrend zu sein«, heißt es in der Begründung der Jury.

Der Schabbat sei die perfekte Gelegenheit, um sich voll und ganz auf die Natur zu konzentrieren.

Das trifft Weizmanns Intention hinter »Daily4Climate« ziemlich genau: »Wir wollen eine Bewegung schaffen, die nicht mit erhobenem Zeigefinger agiert.« Stattdessen solle die Botschaft lauten: »Wir sind alle im selben Boot, also lasst uns das Thema gemeinsam angehen!« Für Weizmann ist es wichtig, bei sich selbst anzufangen. »Du musst den Fehler zuerst bei dir suchen und dort beheben«, sagt er. Natürlich bekomme auch er manchmal die Kritik zu hören, die Lösung für den Klimawandel müsse an der Politik und nicht am Individuum ansetzen. Für ihn lassen sich beide Ebenen aber nicht getrennt voneinander betrachten: »Je mehr Einzelpersonen sich miteinander vernetzen, umso politischer wird auch ihr Einfluss.«

Bewegung Für die Zukunft wünscht er sich »eine positive Bewegung, die nicht destruktiv ist« und die alle Menschen und alle Generationen miteinbezieht. Immerhin war es seine Großmutter, die ihn ursprünglich für die Natur begeistert hat. Er erinnert sich: »Solange sie noch gesund war, gab es keinen Besuch bei ihr, der nicht mit einem ausgiebigen Spaziergang angefangen hat.«

Ihr großes Wissen um die verschiedenen Baum- und Pflanzenarten habe ihn begeistert. »Nur zehn Tage vor Gründung von ›Daily4Climate‹ ist sie leider gestorben«, erzählt Weizmann. Er ist sich aber sicher, dass sein Projekt ganz in ihrem Sinne gewesen wäre.

Jom Haschoa

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