Neulich beim Kiddusch

Wenn der Vater mit dem Sohne

Früher, ja früher: Hand in Hand Foto: Fotolia

»Ständig sagt ihr dieses Wort, und ich weiß nicht, was es heißt«, stellte mein Sohn kürzlich fest. Er meinte das Wort »Chuzpe«. Ich überlegte eine Weile. Dann holte ich zur Erklärung aus: »Also, Chuzpe bedeutet, dass man irgendetwas auf freche Art erreicht und Dinge tut, die sich eigentlich nicht gehören.«

Man soll ja nicht schlecht über andere reden (Laschon hara, Sie wissen schon), aber um Kindern die Welt zu erklären, darf man sicherlich auch mal eine Ausnahme machen. »Sieh mal«, sagte ich zu meinem Sohn, »du kennst doch Frau Schlafmann.«

Er nickte. »Sie benutzt das Wort ganz häufig, noch häufiger, als Bundespräsident Wulff zum Rücktritt aufgefordert wird. Zum Beispiel erzählte sie kürzlich, als der Busfahrer ihr neulich nicht helfen wollte, die Taschen aus dem Supermarkt in den Bus zu tragen, war das eine Chuzpe von ihm. Jedenfalls behauptete sie das beim Kiddusch. Dabei wäre es doch auch für die anderen Fahrgäste viel schneller gegangen, wenn er ihr geholfen hätte. Zumindest meinte sie das.

Hundejaulen Und als der Paketbote sich weigerte, mit der Nachnahmesendung am späten Abend wiederzukommen, nur weil das Stunden nach Feierabend war, sie aber dann das Geld hätte, war das eine Chuzpe, wie sie sagte.

Auch der Rabbiner, der ihr verboten hatte, ihren Hund mit zum Kabbalat-Schabbat zu bringen. Das würde doch nur eine halbe Stunde dauern. Und ob nun der Hund jault oder der Rabbi singt, mache ja wohl keinen großen Unterschied, sagte sie und schloss mit: Was für eine Chuzpe!

Dass Frau Weisz Herrn Schlafmann nicht die Sitzplatzkarte ihres Mannes für die Synagoge geben wollte, war auch eine Chuzpe. Wegen des schlechten Zeitpunkts. Dabei war Herr Weisz doch schon seit zwei Stunden beerdigt, meinte Frau Schlafmann. Das sei eine Chuzpe, sie länger zappeln zu lassen.

Zumutung Oder bei ihrem Urlaub in Mexiko. Der war praktisch eine einzige Chuzpe. Das Gedränge in Mexiko-Stadt – eine Zumutung. Man könne ruhig mal an die Touristen denken. Eine einzige Chuzpe. Die elende Hitze auf ihrer Rundreise, oder die langen Wege im Landesinneren.

Bessere Straßen wären nicht schlecht. Alles eine Chuzpe. Jemand berichtete, dass der einheimische Führer Herrn Schlafmann angeboten hätte, die Dame für ein paar Pesos im Dschungel verschwinden zu las- sen. Beim Kiddusch meinten einige Gemeindemitglieder, dieses Angebot nicht angenommen zu haben sei – ganz genau – eine Chuzpe.«

Mein Sohn schaute mich ungläubig an. Zwei Tage später eröffnete er mir, er sei unglücklich darüber, dass sein Nintendo DS nicht mehr funktioniere.

Es wäre sicher an der Zeit, das Gerät durch eine »PlayStation Portable« zu ersetzen. »Wann ist das Ding denn kaputtgegangen?«, wollte ich wissen. Der Junge grinste mich an: »Als ich mit dem Hammer draufgehauen habe.« Jetzt wusste ich: Er hat verstanden, was Chuzpe ist.

Israel

Urteil: Mehr Gleichstellungsrechte für Frauen gegenüber dem Oberrabbinat

Es geht um Tests für Zertifikate, die erhebliche soziale und wirtschaftliche Vorteile mit sich bringen. Unter anderem erlauben sie das Lehren

 15.07.2025

Die in Genf geborene Schweizer Schriftstellerin und Philosophin Jeanne Hersch aufgenommen im März 1999

Philosophie

Der Moment des Staunens

Am 13. Juli jährt sich der Geburtstag von Jeanne Hersch zum 115. Mal. Lange wurde die Existentialistin ausgerechnet von der akademischen Forschung marginalisiert – und kaum als jüdische Philosophin wahrgenommen

von Richard Blättel  11.07.2025

Balak

Stärke in Zeiten der Entscheidung

Wie eine uralte Prophezeiung Israels Wesen prägt

von Yonatan Amrani  11.07.2025

17. Tamus

Das ist erst der Anfang

Nun beginnt die jährliche Trauerzeit. Sie soll auf Größeres vorbereiten

von Rabbiner Raphael Evers  11.07.2025

Meinung

Die Kirche schafft sich ab

Jetzt soll ausgerechnet der Antizionismus helfen, den gesellschaftlichen Niedergang der Kirche zu stoppen

von Josias Terschüren  10.07.2025

Nachruf

Er bleibt eine Inspiration für uns alle

Der langjährige Zürcher Gemeinderabbiner Marcel Ebel ist verstorben. Eine Würdigung von seinem Nachfolger

von Rabbiner Noam Hertig  10.07.2025

Talmudisches

Eifersucht: Das bittere Wasser

Unsere Weisen und ein altes Ritual

von Chajm Guski  10.07.2025

Nahost

»Öl ins Feuer des anwachsenden Antisemitismus«

Oberrabbiner Pinchas Goldschmidt wirft der evangelischen Kirche moralisches Versagen vor und kritisiert eine Erklärung des Weltkirchenrats, in der Israel »dämonisiert« werde

 05.07.2025

Chukat

Ein Tier, das Reinheit schafft

Wir können die Mizwa der Roten Kuh nicht verstehen – aber ihre Bedeutung erahnen

von Rabbiner Salomon Almekias-Siegl  04.07.2025