Talmudisches

Von Schlangen

Boa constrictor – auch Abgottschlange oder Königsschlange genannt Foto: Getty Images

Talmudisches

Von Schlangen

Was die Weisen der Antike über das Kriechtier lehrten

von Chajm Guski  26.08.2022 11:19 Uhr

Die Schlange ist seit den frühesten Tagen mit der Menschheit verbunden. Das listige Tier brachte G’tt und den Menschen im Garten Eden auseinander (1. Buch Mose 3,1) und musste fortan Erde fressen (3,14). Laut dem Midrasch (Be­reschit Rabba 20,5) hatte die Schlange bis zu diesem Zeitpunkt noch zwei Beine und ging aufrecht. Laut diesem Midrasch ist sie »Herrscher über Tier und Vieh«.

Mit Anbruch der messianischen Zeit wird sich laut dem Propheten Jeschajahu (65,25) die Situation der Schlange nicht verbessern, denn »der Staub wird der Schlange Nahrung sein«. Im Talmud (Joma 75a) stritten Rabbi Ami und Rabbi Asi über die Bedeutung dieses Satzes. »Der eine sagt: Auch wenn die Schlange alle Köstlichkeiten der Welt frisst, werden diese immer noch wie Staub schmecken. Und der andere sagt: Auch wenn sie alle Köstlichkeiten der Welt frisst, ist ihr Geist unruhig, bis sie auch Staub frisst.«

ENTSTEHUNG Und wie haben sich einige Rabbinen die Entstehung der Schlange vorgestellt? In Bawa Kamma (16a) heißt es: »Eine männliche Hyäne verwandelt sich nach sieben Jahren in eine insektenfressende Fledermaus; diese verwandelt sich nach sieben Jahren in eine pflanzenfressende Fledermaus; diese verwandelt sich nach sieben Jahren in eine Distel; diese verwandelt sich nach sieben Jahren in eine Brombeere; und diese verwandelt sich nach sieben Jahren in einen Dämon. In ähnlicher Weise verwandelt sich die Wirbelsäule eines Menschen sieben Jahre nach seinem Tod in eine Schlange.«

Aber der Talmud schränkt ein: »Dies gilt nur für den Fall, dass sich der Betreffende während des Danksegens nicht verbeugt hat.« Einen weiteren Auftritt in der Tora hat die Schlange am brennenden Dornbusch (2. Buch Mose 4, 2–4). Dort verwandelt G’tt Mosches Stab in eine Schlange. Mosche wiederholt dieses Zeichen dann vor den Ältesten Israels (4,30).

Im Laufe der Zeit wird die Schlange dann vom Symbol der Trennung zu etwas Verbindendem. So erzählt die Tora, wie die Kinder Israels wegen ihrer Vergehen in der Wüste von Schlangen gebissen werden. Doch Mosche macht nach G’ttes Angaben eine eherne Schlange (4. Buch Mose 21) – und das Anschauen der Schlange heilt die Menschen.

BISS Auch den Rabbinen des Talmuds waren Schlangenbisse bekannt. Aber solange der Tempel stand, richteten die Bisse, zumindest in Jerusalem, keinen Schaden an. Dies galt als eines von zehn Wundern zur Zeit des Tempels. Niemals hätte eine Schlange oder ein Skorpion Schaden angerichtet (Pirkej Awot 5,5).

An anderer Stelle wird die Schlange jedoch als eines der Tiere erwähnt, die wegen der Gefahr, die von ihnen ausgeht, auch am Schabbat getötet werden dürfen (Schabbat 121b): »Rabbi Josef wandte ein: Fünf dürfen am Schabbat getötet werden, und zwar: Fliegen in Ägypten, Hornissen in Ninive, Skorpione in Adjabene, Schlangen im Land Israel – der verrückte Hund überall.«

Die Angst vor Schlangen kann Menschen auch im Schlaf beschäftigen. Im Talmud-Traktat Berachot (57a) spricht ein Schüler vor Rabbi Scheschet: »Wer eine Schlange im Traum sieht, dem liegt sein Lebensunterhalt bereit; beißt sie ihn, wird er verdoppelt; tötet er sie, verliert er seinen Erwerb.« Rabbi Scheschet widersprach: »Ihm wird sein Erwerb verdoppelt.« Die Gemara antwortet an dieser Stelle: Das hätte Rabbi Scheschet gerne gehabt, denn »er hatte im Traum eine Schlange gesehen und erschlagen«.

Die eherne Schlange jedoch wurde später derart populär, dass die Menschen begannen, ihr zu opfern und sie »Nechuschtan« zu nennen – daher wurde sie in der Zeit von Chiskijahu zerstört (2. Könige 18,4).

In Erinnerung bleibt sie uns aber weiterhin, denn sie ist das Tier des Stammes Dan (1. Buch Mose 49,17) und wird so auch im Schmuck der einen oder anderen Synagoge dargestellt – als eine Begleiterin des jüdischen Volks.

Re'eh

Freude, die verbindet

Die Tora zeigt am Beispiel der Feiertage, wie die Gemeinsamkeit gestärkt werden kann

von Vyacheslav Dobrovych  22.08.2025

Elul

Der erste Ton des Schofars

Zwischen Alltag und Heiligkeit: Der letzte Monat vor dem Neujahr lädt uns ein, das Wunderhafte im Gewöhnlichen zu entdecken

von Rabbiner Raphael Evers  22.08.2025

Talmudisches

Positiv auf andere schauen

Was unsere Weisen über den Schutz vor bösem Gerede und die Kraft positiver Gedanken lehren

von Diana Kaplan  21.08.2025

Naturphänomene

Entzauberung des Gewitters

Blitz und Donnergrollen wurden lange als Zorn der Götter gedeutet. Doch die Tora beendete diesen Mythos

von Rabbiner Igor Mendel Itkin  21.08.2025

Fulda

Vor 80 Jahren - Schuldbekenntnis der Bischöfe nach dem Krieg

Sie stand im Zenit ihres Ansehens. Nach Kriegsende galt die katholische Kirche in Deutschland als moralische Macht. Vor 80 Jahren formulierten die Bischöfe ein Schuldbekenntnis, das Raum für Interpretationen ließ

von Christoph Arens  18.08.2025

Ekew

Nach dem Essen

Wie uns das Tischgebet lehrt, bewusster und hoffnungsvoller durchs Leben zu gehen

von Avi Frenkel  15.08.2025

Talmudisches

Granatapfel

Was unsere Weisen über das Sinnbild der Fülle lehren

von Chajm Guski  15.08.2025

Geschichte

Quellen des Humanismus

Wie das Gʼttesbild der jüdischen Mystik die Renaissance beeinflusste

von Vyacheslav Dobrovych  14.08.2025

Wa'etchanan

Mit ganzem Herzen

Was wir von Mosche über das Gebet erfahren können

von Rabbiner Salomon Almekias-Siegl  08.08.2025