Ausstellung

Magisches Gebet

Laut der Legende vom Prager Golem erschuf Rabbiner Judah Löw einen künstlichen Menschen aus Lehm. Dieses halb bewusste Lebewesen soll die bedrängten Juden in der Goldenen Stadt vor ständigen Anfeindungen beschützt haben. Zum Leben erweckt wurde der Golem laut einer Überlieferung durch kabbalistische Rituale mithilfe des Sefer Jezira (Buch der Schöpfung), des Schma-Gebets sowie eines Zettels mit dem Namen Gottes unter seiner Zunge.

Andere Auslegungen berichten von einem »Siegel der Wahrheit« auf der Stirn des Golems. Dieses habe das hebräische Wort für »Wahrheit (Emet)« dargestellt. Entfernte man den ersten Buchstaben, stand darauf »Tod (Met)«.

artefakte »Religion und Magie spielten im Judentum stets eine wichtige Rolle«, sagt Gal Sofer, Doktorand für Jüdische Studien an der Ben-Gurion-Universität in Beer Sheva. Dies versucht jetzt eine Ausstellung im Israel-Museum in Jerusalem zu belegen. Unter dem Titel Höre, oh Israel: Die Magie des Schma sind dort bis April 2022 im archäologischen Flügel Entdeckungen und Artefakte zu sehen.

Aufgrund eines Gebots der Tora werden die Verse des Gebets in Form einer Mesusa an den Türpfosten jüdischer Haushalte angebracht sowie in Kapseln der Tefillin (Gebetsriemen) integriert. »Juden nutzten weltweit verschiedene Rituale, die zu ihrem Schutz dienten«, erklärt Sofer. »Seit der Antike wurden Gebete auch in Amulette eingearbeitet.«

Eine 1500 Jahre alte silberne Armbinde enthält Teile des Schma auf Griechisch.


Die Worte des Schma-Gebets, der wohl grundlegendsten liturgischen Passage in der Hebräischen Bibel, werden im Allgemeinen nicht mit der Kunst der Magie in Verbindung gebracht. Aber als eine 1500 Jahre alte silberne Armbinde mit Worten des jüdischen Textes im Israel-Museum eintraf, führte dies zu einer Auseinandersetzung mit den schützenden Eigenschaften des Gebets. Das Schmuckstück ist mit den ersten beiden Absätzen des Schma auf Griechisch beschriftet. Es war Teil eines Nachlasses von Artefakten, die vor einigen Jahren im Museum eintrafen.

EPIGRAFIE »Ein Amulett, das eher weiße Magie und Schutz darstellt, wurde normalerweise von Christen verwendet«, sagt Nancy Benovitz, Kuratorin der Ausstellung. Die Epigrafikerin entzifferte den Text und entdeckte das jüdische Glaubensbekenntnis. »Die beschriftete Armbinde ist die jüdische Version eines christlichen Amuletts, das wahrscheinlich einem wohlhabenden Juden gehörte, der in einer griechischen Gemeinde, möglicherweise in Ägypten, lebte«, erklärt die Expertin. »Er muss Zugang zu einer heute verlorenen Übersetzung der Bibel gehabt haben, die seine Gemeinde verwendete, und gravierte das Schma in sein Amulett ein.«

Die Ausstellung berührt die unscharfe Grenze zwischen Religion und Magie.

Bevor es zu einem Gebet wurde, waren seine drei separaten Absätze Worte, die Mosche dem Volk Israel übermittelt hatte und die man im vierten und fünften Buch Mose fand. Sie wurden während der Zeit des Zweiten Tempels zusammengefügt, um den heute bekannten Text zu bilden. Dieser wurde zu einem zentralen Bestandteil der Morgen- und Abendgottesdienste und wird auch vor dem Schlafengehen und in Momenten der Angst und Besorgnis rezitiert, einschließlich vor dem Tod.

Neben diesem Objekt befindet sich im Israel-Museum eine auf den ersten Blick seltsam wirkende Goldplatte. Dieser Glücksbringer aus dem 3. Jahrhundert n.d.Z. stammt aus Österreich und beinhaltet den ersten Vers des Gebets in griechischen Buchstaben, die mit bloßem Auge kaum sichtbar sind. Laut Benovitz ist es das früheste bekannte Beispiel für die Verwendung des Glaubensbekenntnisses in einem jüdischen Amulett und wurde neben den Überresten eines kleinen Kindes gefunden: »In der Bibel werden Zauberer geächtet, aber dies ist nicht Abrakadabra, sondern eine nützliche Praktik.«

zaubersprüche Talismane und Zaubersprüche sollten ihre Träger vor Krankheit oder Unglück schützen, während andere darauf abzielten, Haushalten Schutz zu verleihen. Die Ausstellung umfasst auch Geburtsamulette, die mit der Figur der mythologischen Lilith und anderen Dämonen bemalt sind, zusammen mit illustrierten Manuskripten für Geburt und Wochenbett einschließlich des Textes des Schma, den die gebärende Mutter rezitieren konnte.

Des Weiteren spiegelt eine faszinierende Serie seltener magischer Keramikschalen aus dem Irak eine seltsame magische Praxis wider, die einst sowohl von Juden als auch von Nichtjuden in Babylonien verwendet wurde. »Sie dienten als Hinterhalt für das Böse«, sagt Dudi Mevorah, Kurator für Altertumswissenschaft am Israel-Museum. »Es ist eine spezifische Sache, die nur in Babylonien zwischen dem fünften und siebten Jahrhundert nach der Zeitrechnung existierte und hauptsächlich auf Aramäisch geschrieben ist.«

Der Archäologe erklärt, dass die Schalen günstig waren und als Glücksbringer unter dem Boden eines Hauses vergraben wurden. »Man beschrieb sie mit Zitaten aus der Bibel oder zeichnete Figuren in die Mitte der Schüssel, um den Dämon zu fangen.«

Die Schau bietet weitere Beispiele für magische Rituale, darunter Manuskripte über kabbalistische Praktiken. Sie gipfelt in einer Sammlung, die sich darauf konzentriert, wie das Schma in Gegenständen verwendet wurde, die vom jüdischen Gesetz vorgeschrieben sind.

MESUSA Die Gegenüberstellung einiger Ritualgegenstände – wie Tefillin und Mesusa – soll Fragen nach dem Verhältnis von Religion und Magie aufwerfen. »Die jüdische Tradition beweist, dass es sie sogar in der Bibel gibt«, bestätigt Mevorah. »Es ist ein Teil unserer Kultur und findet sich im Talmud und in rabbinischen Texten wieder.«

Tatsächlich sind es Elemente, die in diesen Schalen, Büchern und Schriftrollen auftauchen, in denen sich Verse abwechseln, wiederholen oder in denen Wörter manipuliert und rückwärts geschrieben werden.

Talismane und Zaubersprüche sollten vor Unglück schützen.

»Die ganze Ausstellung berührt die unscharfe Grenze zwischen Glauben und Zauberei, da es keinen klaren Ausgangspunkt gibt, der zwischen beiden unterscheidet«, erklärt Gal Sofer. »Sie überschneiden sich.«

Der Mystikexperte führt weiter aus, dass auch heute noch Menschen Magie nutzen, mit Amuletten herumlaufen und selbst einige Rabbiner Judah Löw nacheifern. »Was ist der Unterschied zwischen Religion und Magie?«, fragt Sofer und gibt gleich die Antwort darauf: »Schwer zu sagen, denn seit Jahrhunderten versuchen Wissenschaftler, die beiden zu definieren. Doch intuitiv wissen wir es irgendwie.«

Die Ausstellung im Israel-Museum in Jerusalem ist bis zum 23. April 2022 geöffnet.

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