Mizwot

Ein siebentägiges Zeltabenteuer

Laubhütte im Hinterhof Foto: Marco Limberg

In großen Städten leben die meisten Menschen in Wohnungen. Sie sind warm und gemütlich. Niemand käme auf die Idee, eine Hütte zu bauen und in ihr zu wohnen. Doch die Tora sagt uns, dass wir genau das in diesen Tagen tun sollen: »Sieben Tage lang sollt ihr in Laubhütten wohnen. Alle Einheimischen in Israel sollen in Laubhütten wohnen, damit eure künftigen Generationen erfahren, dass ich die Israeliten in Hütten wohnen ließ, als ich sie aus dem Land Ägypten herausführte. Ich bin der Herr, euer G’tt« (3. Buch Mose 23, 42–43).

Wir stärken unsere Gemeinschaft und unser Selbstbewuss tsein, indem wir uns durch das Wohnen in Hütten daran erinnern, woher wir kommen und welche Wunder G’tt uns angedeihen ließ. Doch diese Erinnerung funktioniert nur ohne »Schummeln« – deshalb hier ein paar halachische Regeln, ohne die das Laubhüttenfest nicht funktioniert. Was ist eine Sukka? Eine Sukka ist eine zeitweilige Wohnung.

Dach Es gibt zwei Bedingungen, damit sie zeitweilig genannt werden kann. Erstens muss sie bewohnbar sein, und zweitens darf sie nur für kurze Zeit stehen. Die Sukka ist mindestens 80 Zentimeter hoch, 56 Zentimeter lang und ebenfalls 56 Zentimeter breit. Ein Dixiklo ist also doppelt so groß wie die kleinstmöglichste Sukka. Eine Sukka, die kleiner ist als diese Maße, ist untauglich, denn sogar mit Drücken und Quetschen passt kein Mensch hinein, geschweige ein Tisch.

Eine Sukka hat mindestens drei Wände und ein Dach. Eine vierte Wand ist nicht nötig, weil die Hütte nur zeitweilig stehen soll. Die Wände sind aus beliebigem Material, das dem Wind standhält. Die Sukka muss nicht unbedingt auf der Erde gebaut sein, sie kann auch auf einem Auto oder einem Schiff platziert und während der Fahrt benutzt werden.

Der wesentliche Teil der Sukka ist das Dach. Es besteht aus einem pflanzlichen Material, das nicht mehr mit den Wurzeln verbunden ist. Andere Materialien wie Metall, Plastik oder Leder sind untauglich. Äste, die mit dem Baum verbunden sind, Früchte, Obst, Papier, Karton und Glas sind ebenfalls untauglich. Zusammengebundene Holzstäbe oder Matten aus Bambus beziehungsweise aus Binsenschilf sind ideal. Die Sukka darf man nicht im Gebäude und nicht unter einem Baum bauen. Möchte man seine Sukka auf einem Balkon bauen, geht das nur, wenn sich darüber kein anderer Balkon befindet.

Cornflakes Weil geschrieben steht: »Sieben Tage lang sollt ihr in Laubhütten wohnen«, müssen wir in der Sukka wohnen, schlafen und essen: ein siebentätiges Zeltabenteuer! An allen sieben Tagen von Sukkot ist man aber nur dann dazu verpflichtet, in der Sukka zu speisen, wenn man Getreideprodukte essen möchte, wie Brot, Nudeln und Cornflakes. Nimmt man kein Getreide zu sich, muss man nicht in der Sukka essen. Doch in der ersten und zweiten Nacht von Sukkot muss man Brot essen. Sollte es regnen, ist man nicht verpflichtet, in der Sukka zu essen. Fleisch, Fisch und Früchte darf man außerhalb der Sukka genießen. Wie bei allen Geboten, die an eine bestimmte Zeit gebunden sind, sind Frauen nicht verpflichtet, in der Sukka zu wohnen.

Die vorgeschriebenen vier Arten für den Sukkot-Feststrauß entnehmen wir der Tora: »Und am ersten Tag sollt ihr euch schöne Baumfrüchte nehmen, Palmwedel und Zweige von dichtbelaubten Bäumen und Bachweiden, und ihr sollt sieben Tage fröhlich sein vor dem Herrn, eurem G’tt« (4. Buch Mose 23,40). »Schöne Baumfrüchte« bezeichnen den Etrog (Zitronatzitrone), »Palmwedel« den Lulav (Dattelpalmenzweig), »Zweige von dicht belaubten Bäumen« sind drei Hadassim (Myrten), und »Bachweiden« sind zwei Arawot (Bachweiden). Beim Palmenzweig müssen die Blätter sehr eng am Stiel liegen, damit der Palmenzweig als Lulav taugt. Liegen sie nicht eng am Stiel, ist der Zweig untauglich. Auch wenn die Blätter des Zweiges trocken sind und ihre grüne Farbe verlieren, ist er untauglich.

Zweig Jedes Blatt besteht aus zwei zusammengeklebten Blättern; sind die meisten Blätter entzweit, ist der Zweig untauglich. Das mittlere Blatt ist das längste; es sitzt höher als alle anderen und befindet sich in der Mitte. Sollte die Spitze dieses Blattes abgerissen sein, ist der ganze Zweig untauglich. Die minimale Länge für einen Lulav beträgt 27 Zentimeter.

Der Myrtenzweig ist ein Stängel, an dessen Knoten jeweils drei Blätter wachsen. Der Zweig ist untauglich, wenn an einem Knoten nur zwei Blätter wachsen, wenn die Blätter nicht auf gleicher Höhe mit dem Knoten verbunden sind, oder wenn die Blätter vertrocknen und ihre grüne Farbe verlieren.

Die Bachweide hat einen rötlichen Stamm, ihre Blätter sind länglich und dürfen nicht gezackt sein. Ist die Spitze abgebrochen, oder die Blätter vertrocknen, ist sie untauglich. Der Etrog wiederum wird untauglich, wenn er mehrere weiße oder schwarze Flecken hat, wenn auf der Nase des Etrogs ein kleiner schwarzer oder weißer Punkt ist oder wenn die Rosette (Pitum) oder sein Stiel abgebrochen sind.

Nach den ernsten Feiertagen ist Sukkot ein fröhliches Fest für die ganze Gemeinde. Mit Sukkot erinnern wir uns an den Auszug aus Ägypten, 3000 Jahre danach, und wir erleben den Auszug selbst in Miniaturformat, sieben Tage lang – auch in den Großstädten.

Talmudisches

Stillen

Unsere Weisen wussten bereits vor fast 2000 Jahren, was die moderne Medizin heute als optimal erkennt

von David Schapiro  05.09.2025

Interview

»Die Tora ist für alle da«

Rabbiner Ethan Tucker leitet eine Jeschiwa, die sich weder liberal noch orthodox nennen will. Kann so ein Modell auch außerhalb New Yorks funktionieren?

von Sophie Goldblum  05.09.2025

Trauer

Eine Brücke zwischen den Welten

Wenn ein Jude stirbt, gibt es viele hilfreiche Riten. Doch auch für Nichtjuden zeigt die Halacha Wege auf

von Rabbiner Avraham Radbil  05.09.2025

Ki Teze

In Seinem Ebenbild

Was der Tanach über die gesellschaftliche Stellung von Frauen sagt

von Rabbinerin Yael Deusel  04.09.2025

Anti-Judaismus

Friedman: Kirche hat »erste globale Fake News« verbreitet

Der gebürtige Pariser warnte zudem vor weltweiten autokratischen Tendenzen und dem Verlust der Freiheit

 02.09.2025

Schoftim

Recht sprechen

Eine Gesellschaft hat nur dann eine Zukunft, wenn sie sich an ihrer moralischen Gesetzgebung orientiert

von Rabbiner Avraham Radbil  29.08.2025

Talmudisches

Der heimliche Verbrecher

Über Menschen, die nicht aus Wahrheit, sondern aus Selbstdarstellung handeln

von Vyacheslav Dobrovych  29.08.2025

Kiddusch Haschem

»Ich wurde als Jude geboren. Ich werde als Jude sterben«

Yarden Bibas weigerte sich gegenüber den Terroristen, seinen Glauben abzulegen. Wie viele vor ihm lehnte er eine Konversion ab, auch wenn ihn dies beinahe das Leben gekostet hätte

von Rabbiner Dovid Gernetz  28.08.2025

Israel

Rabbiner verhindert Anschlag auf Generalstaatsanwältin

Ein Mann hatte den früheren Oberrabbiner Jitzchak Josef um dessen religiöse Zustimmung zur »Tötung eines Aggressors« ersucht. Die Hintergründe

 26.08.2025 Aktualisiert