Religion

»Die Toleranz ist größer geworden«

Rabbiner Pinchas Goldschmidt über interreligiösen Dialog und die Entwicklung in Saudi-Arabien und den Golfstaaten

von Michael Thaidigsmann  29.10.2020 10:54 Uhr

Oberrabbiner Pinchas Goldschmidt, Präsident der Europäischen Rabbinerkonferenz Foto: Uwe Steinert

Rabbiner Pinchas Goldschmidt über interreligiösen Dialog und die Entwicklung in Saudi-Arabien und den Golfstaaten

von Michael Thaidigsmann  29.10.2020 10:54 Uhr

Herr Rabbiner Goldschmidt, Sie haben kürzlich an einem interreligiösen Dialogforum teilgenommen, das in Zusammenarbeit mit Saudi-Arabien veranstaltet wurde. Erkennen Sie Anzeichen dafür, dass das Land toleranter und offener gegenüber anderen Glaubensrichtungen wird?
Die Tatsache, dass ich von Riad eingeladen wurde, zeigt, dass die Toleranz in Saudi-Arabien größer geworden ist. Es gibt in der arabischen Welt generell mehr Offenheit, auch aufseiten der Regierenden. Was dort aktuell im Verhältnis zu Israel und zum Judentum passiert, ist revolutionär. Und für konservative islamische Religionsführer wäre es so gut wie unmöglich, einen interreligiösen Dialog mit Juden ohne die Unterstützung ihrer jeweiligen Regierungen zu führen.

Was ist der gemeinsame Nenner bei solchen interreligiösen Veranstaltungen?
Die Suche nach gemeinsamen Werten und Interessen. In unserer Zeit, in der oft Nationalismus, religiöser Extremismus und Identitätspolitik im Mittelpunkt der Politik stehen, haben solche Treffen eine moderierende Wirkung.

Was können religiöse Führer praktisch tun, um die Dinge zu verbessern?
Sie können solche Treffen publik machen und weitere gemeinsame Projekte und Veranstaltungen initiieren. Die Schaffung eines muslimisch-jüdischen Führungsrats unter der Schirmherrschaft des Wiener
Dialogzentrums ist zum Beispiel eine Erfolgsgeschichte. Hier werden sehr konkrete Dinge besprochen.

Gibt es etwas, was der Westen von den arabischen Ländern lernen könnte?
Gerade jetzt, da die Golfstaaten offener und toleranter werden, sollte Europa nicht in die entgegengesetzte Richtung gehen, beispielsweise durch die Beschränkung religiöser Freiheiten. Wenn in der arabischen Welt neue jüdische Gemeinden entstehen, hierzulande aber schließen müssen, weil etwa Brit Mila oder Schechita verboten werden, sollte das ein Warnschuss für Europa sein.

In vielen westlichen Gesellschaften nimmt der Einfluss der Religion ab. Sehen Sie Raum für ein gemeinsames Vorgehen der drei abrahamitischen Religionen in Europa?
Ja. Europa muss aus den politischen Turbulenzen, die durch Terrorismus, Einwanderung und Corona verursacht werden, herauskommen und zu seinen Gründungsprinzipien zurückkehren.

Die jüdische Gemeinde in den Vereinigten Arabischen Emiraten wird bald einen zweiten Rabbiner bekommen. Glauben Sie, dass man vielleicht auch bald ein jüdisches Gemeindezentrum in Riad eröffnen wird?
Inschallah. Warum sollte das eines Tages nicht auch in Riad möglich sein? Alles kommt zu seiner Zeit.

Das Interview mit dem Präsidenten der Europäischen Rabbinerkonferenz führte Michael Thaidigsmann.

Chanukka

Wir brauchen das Licht!

Obwohl uns gerade nicht nach Feiern zumute ist, sollten wir es dennoch tun

von Rabbiner Elischa Portnoy  07.12.2023

Talmudisches

Bekanntmachung der Wunder

Was unsere Weisen über das Chanukkalicht lehrten

von Yizhak Ahren  07.12.2023

Interview

»Frauen sind Teil des Wunders«

Die Judaistin Hadassah Wendl beschäftigt sich mit den Mizwot von Frauen – auch an Chanukka

von Mascha Malburg  07.12.2023

Wajischlach

Auf Abstand

Nach Jahren sieht Jakow seinen Bruder Esaw erstmals wieder – und hält sich emotional zurück

von Chajm Guski  01.12.2023

Talmudisches

Arbeit als guter Lebenswandel

Was unsere Weisen über den Begriff »Derech Eretz« lehren

von Vyacheslav Dobrovych  01.12.2023

Geiselnahme

Der Wert des Lebens

Was der Talmud und die Gelehrten zum Austausch von Gefangenen sagen

von Rabbiner Raphael Evers  30.11.2023

Wajeze

Verbindung mit dem Höchsten

Warum Juden des 21. Jahrhunderts sich gut mit Jakow identifizieren können

von Rabbiner Shaul Friberg  24.11.2023

Israel

Sorge um die Sicherheit

Auch im Norden Israels ist die Lage angespannt. Ein Besuch bei Rabbiner Uri Gamson

von Detlef David Kauschke  24.11.2023

Talmudisches

Der falsche König

Wie Aschmedai, der Fürst der Dämonen, Schlomo vertrieb

von Rabbiner Avraham Radbil  23.11.2023